Thomas SattelbergerFDP - Aktuelle Stunde – Neutralität der Wissenschaft
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu den wahren Wissenschaftsfeinden in diesem Hause,
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Oje!)
die sich heute auf das hohe Ross der Forschungsfreiheit setzen und dieselben sind, die digitale Pranger gebaut haben, auf denen Studierende AfD-kritische Professoren verpfeifen sollen – ich schließe mich der Kollegin Mannes voll an –: Organisierte Denunziationen, das erinnert an dunkle Jahre in diesem Lande.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wer das Wissenschaftszentrum Berlin verklagt,
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
um die Veröffentlichung freier Forschung über die AfD zu verhindern, der sitzt in dieser Aktuellen Stunde im Glashaus.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die demagogischen Versuche der AfD sind so niederträchtig wie durchsichtig.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Weniger transparent sind einige Vorgänge im Bundesinnenministerium. Einerseits habe ich volles Verständnis, wenn sich der Bundesinnenminister, die Bilder von Bergamo vor Augen, auf ein Worst-Case-Szenario vorbereitet. Um Schaden von diesem Lande bestmöglich abzuwenden, muss man wissen, was einen im schlimmsten Fall erwartet. Deshalb ist es völlig richtig, sich von den besten Forscherinnen und Forschern beraten zu lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
Bedenklich ist es allerdings, ein Gutachten mit dem Ziel einer „gewünschten Schockwirkung“ – so zitiert in der „Welt am Sonntag“ am 7. Februar 2021 – in Auftrag zu geben. Genauso bedenklich wäre es, wenn Wissenschaftler ein solches Ziel über evidenzbasierte nackte Fakten stellen würden.
Etwas gibt Anlass zur Sorge: das, was wir in der Presse über das Gebaren des Bundesinnenministers und seines Staatssekretärs Markus Kerber lesen. Drohkulissen aufzubauen, Herr Seehofer, wäre Ihres Amtes in unserer stolzen Demokratie nicht würdig.
(Beifall bei der FDP)
Es scheint, als hätte nicht nur die Spitze des Ministeriums eine machiavellistische Grenze überschritten, sondern auch der eine und andere Forscher. Wissenschaftler dürfen nie vergessen, dass es zwischen ihnen und der Politik eine professionelle Rollenteilung gibt, eine Grenzziehung. Die Wissenschaft soll die ungeschönten Fakten liefern und erläutern, die Politik entscheidet. Das BMI sollte seinen kompletten E-Mail-Verkehr in dieser Frage transparent und ungeschwärzt offenlegen. So nämlich, Herr Kerber, lassen sich Zweifel ausräumen und Vorwürfe entkräften; so lässt sich Vertrauen herstellen.
(Beifall bei der FDP)
Egal welche Untiefen dieser Vorgang womöglich noch offenlegt: Ohne Zweifel herrscht in Deutschland Wissenschaftsfreiheit – bei der Gender- und Klimaforschung zum Glück genauso wie in allen anderen Wissenschaftsdisziplinen auch.
(Beifall des Abg. René Röspel [SPD] – Lachen des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Etwas einseitig mit vielen männlichen Akademikern älteren Kalibers hat sich jüngst das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gegründet. Natürlich stellen wir Freien Demokraten uns sofort an die Seite eines und einer jeden, die freie Forschung und Lehre gegen ideologische Vorgaben oder Einschränkungen verteidigen wollen. Dazu zählt, dass man Vorlesungen unliebsamer Dozenten nicht durch Sitzblockaden verhindert und dass man Andersdenkende nicht verleumdet, sondern Cancel Culture entschieden entgegentritt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Doch so wichtig es ist, solche Fälle zu benennen und abzustellen, müssen wir genauso klarstellen: Zwar steht die Wissenschaftsfreiheit hierzulande immer wieder unter dem Beschuss derer, die ideologisieren und instrumentalisieren wollen, aber wir haben keine systemische Schieflage.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Darüber wachen nicht zuletzt die demokratisch gesinnten Kräfte dieses Parlaments.
(Beatrix von Storch [AfD]: Die Genderbeauftragte!)
Das Wissenschaftssystem hat ganz andere Herausforderungen: seine Finanzierung, seine Innovationskraft, seine soziale Durchlässigkeit, seine Diversität. Hierauf sollten wir unsere Energie richten.
In diesem Sinne – und das gilt heute nicht nur für Frau Karliczek –: Ran an den Speck!
Danke schön.
(Beifall bei der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist sie eigentlich?)
Vielen Dank. – Das Wort geht an den Abgeordneten René Röspel von der SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7501916 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Neutralität der Wissenschaft |