11.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 13

Sascha RaabeSPD - Export gefährlicher Pestizide

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute insgesamt um den Schutz der Gesundheit von Menschen, die oft unter schlimmen Bedingungen arbeiten müssen, gerade in der Landwirtschaft.

Ich möchte – auch wenn Sie das jetzt vielleicht überrascht – mit einer guten Nachricht beginnen, nämlich dass wir gestern im Haushaltsausschuss 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für Impfstoffe, für die WHO und für die Impfallianz Covax zur Verfügung gestellt haben. Ich finde, das sollten wir als Entwicklungspolitikerinnen und ‑politiker würdigen. Dafür haben wir uns eingesetzt. Ich glaube, das ist erst mal eine gute Nachricht, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Damit schlage ich den Bogen zum heutigen Thema. Natürlich ist Menschen in Entwicklungsländern nicht allein damit geholfen, dass jetzt ein Schritt gemacht wird, damit sie auch vor einer Coronainfektion geschützt werden; vielmehr müssen wir darauf schauen, wie die täglichen Arbeitsbedingungen sind, sei es in der Landwirtschaft, sei es in Bergwerksminen, sei es in Textilfabriken. Schon lange, auch vor der Coronapandemie, sind Menschen dort aufgrund von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und aufgrund von schlimmen Zuständen auch in der Landwirtschaft zu Schaden gekommen. Das Thema „gefährliche Pestizide“, das im heute vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und Linken behandelt wird, beinhaltet einen wichtigen Teilaspekt. Natürlich – und das hat auch der Kollege Stein gesagt – sind wir hier als Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker von CDU/CSU und SPD gemeinsam dafür – und wir als Sozialdemokraten auch auf europäischer Ebene –, dass wir verbieten, dass Pestizide, die in Europa als gesundheitsgefährdend eingestuft werden und hier in Europa keine Zulassung für unsere Landwirtschaft erhalten, in Entwicklungsländer exportiert werden dürfen. Das unterstützen wir. Ich glaube, das ist hier auch in vielen Fraktionen Konsens, zumindest in denen, die sich mit Entwicklungspolitik beschäftigen.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Ja.

Bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrter Kollege, danke, dass Sie die Zwischenfrage erlauben. Sie haben gesagt, wir müssen die schlechten Arbeitsbedingungen in den Ländern der Dritten Welt bekämpfen. Wenn wir jetzt den Export von Pestiziden, also – nennen wir sie einmal so – Pflanzenschutzmitteln, verbieten würden, sind Sie dann nicht auch mit mir der Meinung, dass wir gleichzeitig auch den Import von E-Autos und Materialien für E-Autos verbieten müssten? Denn beim Abbau der Metalle für die Batterien zum Beispiel findet auch Kinderarbeit statt oder Umweltverschmutzung, weil man ganze Böden mit Wasser auswäscht. Also sollten wir eigentlich wegkommen vom E-Auto. Sind Sie da mit mir einer Meinung?

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Zusammenhang müssen Sie noch erklären! Das versteht nämlich keiner!)

Herr Kollege, erst einmal – aber das sei Ihnen jetzt nachgesehen –: Wir reden nicht mehr von der Dritten Welt, sondern von der Einen Welt und von Entwicklungsländern.

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Globaler Süden! – Stephan Protschka [AfD]: Globaler Süden!)

– Oder Ländern des Globalen Südens, genau.

Aber Ihre Frage zielte darauf, ob es legitim sei, Rohstoffe, die wir für die Elektromobilität brauchen, aus diesen Ländern einzuführen. Es ist sehr interessant, dass die Frage ausgerechnet von Ihnen von der AfD-Fraktion kommt. Sie haben erst in der letzten Ausschusssitzung einen Antrag vorgelegt – den haben wir, glaube ich, hier im Bundestag auch diskutiert –, in dem Sie sich vehement dafür ausgesprochen haben, das Lieferkettengesetz zu stoppen, kein Lieferkettengesetz einzuführen. Sie haben sich immer gegen jede Regelung ausgesprochen, die Einhaltung von Menschenrechten, von Umwelt- und Sozialstandards in Entwicklungsländern gesetzlich vorzuschreiben.

Ihre Frage ist recht einfach zu beantworten: Ja, es ist verantwortbar, aus Entwicklungsländern Kobalt und auch andere Rohstoffe nach Deutschland und Europa zu importieren,

(Stephan Protschka [AfD]: Die durch Kinderarbeit gewonnen werden?)

die wir hier für die E-Mobilität brauchen, wenn man gleichzeitig dafür sorgt, dass gesetzlich geregelt ist, dass bei den Produktionsbedingungen die Menschen anständige Arbeitsverhältnisse haben, Arbeitsschutz haben, faire Löhne haben. Genau dafür setzen wir Sozialdemokraten uns die ganze Zeit ein.

(Beifall bei der SPD)

Die AfD-Fraktion ist diejenige, die es ablehnt. Das ist doch heuchlerisch: Auf der einen Seite beklagen Sie, dass Menschen zu Schaden kommen – Herr Kollege, ich war vor Ort in der Demokratischen Republik Kongo, habe mir angeschaut, wie die Menschen dort in den Minen arbeiten müssen –, und auf der einen Seite lehnen Sie das ab, was hilft, die Lebensbedingungen gesetzlich zu verbessern. Und dann vergießen Sie hier Krokodilstränen, wenn diese Rohstoffe für die E-Mobilität nach Deutschland kommen, weil sie am liebsten, in Ihrem alten Denken, noch tausend Jahre weiter mit irgendwelchen stinkenden Benzinern und Dieseln herumfahren würden. Das ist lächerlich. – Frage beantwortet.

(Beifall bei der SPD – Dr. Harald Weyel [AfD]: Der Kongo ist mittlerweile gesetzestreuer als Deutschland!)

Herr Kekeritz, um zu Ihrem Antrag zurückzukommen: Es geht nicht nur um die Pestizide, die hier in Europa verboten sind und für die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, Schäden anrichten. Wir waren 2018 gemeinsam in Ecuador. Wir hatten dort gerade eine Oxfam-Studie gehabt, die nachgewiesen hat, dass in Costa Rica bei Ananas, aber auch in Ecuador bei den Bananen auf den Plantagen legal zugelassene Pestizide, auch Pestizide, die in Europa zugelassen sind, so eingesetzt werden: Sie werden aus der Luft versprüht, während die Arbeiterinnen und Arbeiter auf der Plantage noch die Bananen pflücken, oder während der Mittagspause, und die Arbeiter müssen dann sofort wieder auf die Felder. Bei diesen Pestiziden ist meistens eine sogenannte Ruhezeit von 12 oder 24 Stunden vorgeschrieben; erst dann darf eine so behandelte Plantage wieder betreten werden.

Wir haben da mit den Arbeitern gesprochen, mit den Gewerkschaftern gesprochen. Ich erinnere mich noch an ein Gespräch mit dem Präsidenten. Druck konnten wir dadurch aufbauen, als ich dem Präsidenten gesagt habe: Eigentlich ist das nach dem Freihandelsabkommen mit Ecuador gar nicht zulässig; denn im Nachhaltigkeitskapitel steht, dass ihr dafür sorgen müsst, dass dort keine Pestizide versprüht werden, wenn die Arbeiter auf den Plantagen sind. – Wenn man droht, das in Brüssel zur Sprache zu bringen, werden die auf einmal ganz nervös. Das ist genau der Punkt: Wir brauchen klare gesetzliche Regelungen, dass den Partnerländern klar wird, dass sie darauf achten müssen, dass bei ihnen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, Arbeitsschutz eingehalten werden. Wir müssen aber auch die Unternehmen verpflichten, dass sie, wenn sie zum Beispiel Bananen aus Ecuador einführen, sicherstellen, dass diese Standards eingehalten werden.

Damit komme ich wieder zu dem Thema Lieferkettengesetz. Ich möchte mich erst einmal ganz herzlich bei Hubertus Heil bedanken, der da wie ein Löwe für dieses Gesetz kämpft – da kann man einmal applaudieren –,

(Beifall bei der SPD)

aber auch bei Entwicklungsminister Gerd Müller, der sich in seiner Fraktion – oft gegen Widerstände – dafür einsetzt. Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass wir da in Kürze zu einer Einigung kommen können. Wenn dieses Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht wird, werden Unternehmen – nicht freiwillig – gesetzlich verpflichtet, menschenrechtliche Standards einzuhalten, dann dürfen keine Produkte mehr nach Europa importiert werden, bei denen Menschen aus der Luft mit Pestiziden – ob sie in Europa zugelassen sind oder nicht – besprüht werden, Menschen beim Pflücken von Bananen vergiftet werden. Das wird natürlich auf viele andere Branchen – ob das jetzt im Bergbau ist, in der Textilindustrie, ob das auf Kaffee- und Kakaoplantagen ist – einen großen Einfluss haben.

Wir haben – der Kollege Stein sprach das an – ja auch den Antrag zur Agrarökologie eingebracht. Das ist natürlich ganz wichtig: Je mehr agrarökologische Ansätze – die wir als Sozialdemokraten unterstützen, die wir in der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen wollen – umgesetzt werden, desto weniger Pestizide braucht man, weil es auch viele gute natürliche Methoden gibt, Schädlinge fernzuhalten. Das ist besser für die Gesundheit derjenigen, die diese Produkte essen, aber auch für die Gesundheit der Menschen, die sie anbauen; auch sie haben dadurch ein besseres Leben.

In diesem Sinne, glaube ich, sollten wir diese Ansätze unterstützen, uns für fairen statt freien Handel einsetzen, für gesetzlich verpflichtende Regelungen durch zum Beispiel ein Lieferkettengesetz und Handelsverträge, wo in den Nachhaltigkeitskapiteln Menschenrechte, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte verbindlich abgesichert sind. In diesem Sinne werden wir uns weiter hier dafür einsetzen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun Dr. Christoph Hoffmann das Wort.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7502172
Wahlperiode 19
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Export gefährlicher Pestizide
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