Helge LindhSPD - Meldepflicht in Beherbergungsstätten
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal liebe ich die FDP.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)
Ich schätze ja sowieso Herrn Kuhle, Herrn Höferlin und Herrn Kubicki sehr. Aber ich liebe sie – und ich begründe das jetzt auch – für intelligente Kleine Anfragen; das muss man auch würdigen. In einer Kleinen Anfrage zu der heutigen Themenstellung fragten Sie danach, wie oft Fingerabdrücke von physischen Meldescheinen genommen wurden. Wenn ich die Antwort richtig gelesen habe, ist es in Bezug auf das BKA genau einmal geschehen in den Jahren von 2007 bis 2017.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch so viel!)
Ich denke doch, dass das ein Argument ist.
Angesichts dessen, dass die Hotellerie, die Tourismusbranche extrem viel Aufwand betreibt, um digital zu arbeiten – Smart Hotels entwickelt, ganz viel mit Buchungssystemen macht, um attraktiver zu sein in hybriden, digitalen und analogen Welten –, können handschriftlich ausgefüllte Meldescheine nicht der Weisheit letzter Schluss sein. 150 Millionen Meldescheine pro Jahr – das bedeutet: Ganze Wälder verschwinden deswegen. Wir haben keine große Effizienz. Die Sicherheit ist fragwürdig, auch die Sicherheit der Unterschriften ist nicht überzeugend. Das heißt, es spricht vieles für einen Abschied vom handschriftlichen Weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sehr gut!)
– Man muss die Serviceopposition auch loben, wo sie Vernünftiges macht.
Wofür ich Sie nicht lobe, ist die verpflichtende Abschaffung, für die wir nicht sind; denn wir finden, dass es da auch eine Wahlfreiheit im Bereich der Tourismusbranche geben muss. Gerade in der jetzigen Zeit, wo es so massive finanzielle Belastungen gibt, sollte es ihnen überlassen sein, wann sie diesen Schritt der Digitalisierung vollziehen.
Der Weg, für den wir uns entschieden haben, ist der einer Experimentierklausel. Experimentierklausel heißt Öffnung für Innovation, und zwar in zweierlei Hinsicht. Wir wollen zwei Jahre lang die Möglichkeit zur Erprobung neuer, innovativer Verfahren im Identitätsmanagement geben,
(Manuel Höferlin [FDP]: Und dann?)
und zwar im Bereich der Hotellerie mit dem Ziel, daraus dann allgemeine Gesetzgebung werden zu lassen.
Es ist manchmal klug, dass man Innovationen erst mal erprobt. Das ist auch der Sinn von juristischen Experimentierklauseln, dass wir uns angucken: „Funktioniert das?“, und in der Wechselwirkung von Gesetzgebung und neuen Methoden schauen: Was kommt dabei heraus? – Das nennt man ein Reallabor. Sie fordern doch immer, wir sollen moderner sein. Ich finde, eine Regierungskoalition, die Experimentierklauseln anwendet, ist eine sehr moderne Koalition, und es ist auch durchaus sinnvoll.
Es ist auch deshalb sinnvoll, weil wir klären müssen: Welche Folgen hat das für den Datenschutz? Was ergibt sich? Was zeigt die Realität? – Das ist auch eine Erwartung seitens der Sicherheitsbehörden und insofern klug und wiederum modern. Denn wir haben es beim besonderen Meldeschein ja nicht mit einer primär melderechtlichen Frage zu tun, sondern es geht um Fragen der Gefahrenabwehr, der Strafverfolgung und – das muss ich leider auch denjenigen sagen, die generell den Meldeschein abschaffen wollen – auch um Fragen des Schengener Durchführungsabkommens für Ausländerinnen und Ausländer. Deshalb können wir, selbst wenn wir wollten, diese Meldepflicht nicht einfach abschaffen; das ist EU-Recht.
Daher: Wenn wir nicht weiter Wälder schlachten wollen, wenn wir nicht der Tourismusbranche zumuten wollen, ein Jahr lang solche Berge von Meldescheinen aufzubewahren, wenn wir gleichzeitig aber doch den Sicherheitsansprüchen unserer Behörden gerecht werden wollen, tun wir Gutes, indem wir heute diese Experimentierklausel auf den Weg bringen und uns auf diese Weise vor den Leistungen der Tourismusbranche und der Hotellerie verneigen, die wahrlich sehr belastet werden in diesen Zeiten, auch durch uns.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort hat der Kollege Roman Müller-Böhm für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7502182 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Meldepflicht in Beherbergungsstätten |