11.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 209 / Zusatzpunkt 8

Frank SchwabeSPD - Friedensbemühungen im Jemen

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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Vor drei Stunden hatte ich eine Videokonferenz mit den Kinder- und Jugendparlamenten aus meinen Heimatstädten Castrop-Rauxel, Recklinghausen und Waltrop; die haben mir ihre Anliegen zum Red Hand Day übergeben. Morgen ist ja der Red Hand Day, also der Tag gegen Kindersoldatinnen und Kindersoldaten.

Das passt eigentlich ganz gut zum Thema, weil auch im Jemen Hunderte, wenn nicht vielleicht Tausende Kindersoldatinnen und Kindersoldaten im Einsatz sind, und zwar auf beiden Seiten. UN-Menschenrechtsbeobachterinnen und ‑beobachter berichten davon, dass Zehnjährige mit Waffen und Uniformen zu sehen sind, die entsprechend an Kontrollpunkten sitzen. Deswegen, glaube ich, ist es wichtig, auf diesen Red Hand Day aufmerksam zu machen, auch wenn es in diesem Jahr nur eingeschränkte Möglichkeiten gibt. Ich will wirklich allen meinen KiJuPas, aber auch allen, die sich gegen Kindersoldatinnen und Kindersoldaten engagieren, ganz herzlich danken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden heute über eine, vielleicht die größte humanitäre Katastrophe weltweit, aber eine Katastrophe, die leider nur minimale Aufmerksamkeit genießt. Bärbel Kofler, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, hat vor ein paar Tagen davon geredet, dass im Jemen in der ersten Jahreshälfte 2021 wahrscheinlich 16 Millionen Menschen – 16 Millionen Menschen! – hungern werden. UN-Generalsekretär António Guterres, der vor Kurzem noch hier gesprochen hat, hat davor gewarnt, dass Millionen Menschenleben verloren gehen könnten in diesem Jahr.

Deswegen ist es gut, dass Deutschland seinen Beitrag an humanitärer Hilfe für das Welternährungsprogramm noch einmal erhöht hat, auf 60 Millionen Euro. Wir haben im Jahr 2020 insgesamt 204 Millionen Euro für humanitäre Hilfe im Jemen zur Verfügung gestellt und sind damit der drittgrößte Geber. Trotzdem sind die Maßnahmen zur Linderung dieser Krise dramatisch unterfinanziert, es sterben Menschen – Hunderte, vielleicht Tausende Menschen –, weil wir nicht in der Lage sind, die Menschen dort entsprechend zu ernähren. Es will mir nicht in den Kopf, warum es nicht möglich ist, weltweit wenigstens humanitäre Hilfe in der Größenordnung zur Verfügung zu stellen, wie der Verteidigungsetat der Bundesrepublik Deutschland ist. Das muss doch weltweit möglich sein! Damit könnten wir Hunderte, Tausende, vielleicht Zehntausende Menschenleben auch im Jemen retten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zehntausende Menschen haben mittlerweile ihr Leben gelassen in kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des exilierten Präsidenten Mansur Hadi, der, wie bekannt, von einer von Saudi-Arabien geführten Militärallianz unterstützt wird, und den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen, in einem Bürgerkrieg, der mittlerweile sechs Jahre währt und dessen Ende, jedenfalls bis vor Kurzem, nicht absehbar war.

Jedenfalls darf der Krieg nicht militärisch entschieden werden, sondern er kann nur politisch entschieden werden, und zwar dadurch, dass wir einen Waffenstillstand bekommen, dass wir den Zugang zu Hilfsgütern ermöglichen und dass es Friedensverhandlungen gibt, die diesen Namen auch verdienen.

Ich habe gerade gesagt, bis vor Kurzem war nicht absehbar, wie dieser Krieg beendet werden könnte. Wir haben zum Glück – da sieht man schon, wie gut das ist – eine neue Administration, einen neuen Präsidenten in den USA, mit dem jedenfalls große Hoffnungen verbunden sind, dass wir auch im Jemen zu einer Zeitenwende kommen können. Präsent Biden hat eine klare Rangfolge für eine Waffenruhe vorgelegt. Die USA haben die Unterstützung für die von Saudi-Arabien geführte Koalition eingestellt, und sie haben – nicht, weil sie irgendwie gute Menschen wären, sondern weil es notwendig ist, um den humanitären Zugang zu ermöglichen – die Huthi-Rebellen wieder von der Terrorliste gestrichen – noch einmal: nicht aus politischen Gründen, sondern aus humanitären Gründen –, um mit ihnen überhaupt verhandeln zu können, wie humanitäre Hilfe entsprechend geleistet werden kann.

Deswegen ist jetzt die Tür geöffnet, durch die die internationale Gemeinschaft, aber eben auch die Konfliktparteien im Jemen gehen müssen. Die USA haben das noch einmal unterstrichen, indem sie einen Sondergesandten, Tim Lenderking, eingesetzt haben. Die Hoffnung ist damit verbunden, dass der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen Martin Griffiths jetzt endlich die nötige internationale Unterstützung bekommt, die er verdient.

Ich habe gerade gesagt, die USA haben die finanzielle Unterstützung für die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition eingestellt. Sie haben aber auch verboten – bzw. sie stellen sie jetzt ein –, dass es überhaupt Waffenexporte geben darf aus den USA an die Kriegsparteien. Da bin ich bei einem Thema, was sicherlich auch für Deutschland schmerzlich ist. Vielleicht können wir uns heute einfach miteinander darauf verständigen. Ich finde, dass solche Kriege nicht militärisch gelöst werden können – welche strategischen Interessen wir in der Region auch immer haben könnten – und dass Staaten, die Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung verüben, keine Waffenexporte bekommen dürfen, nicht aus Deutschland und auch nicht aus anderen Staaten

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und übrigens auch nicht über den Umweg der Europäischen Union.

Deswegen will ich noch einmal daran erinnern: Wir hatten in den Koalitionsverhandlungen ja durchgesetzt, dass es solche Waffenexporte nicht mehr geben soll. Ich finde aber auch, dass wir das grundsätzlich beschließen sollten, und lade alle herzlich ein, dem beizutreten. Die SPD hat eine klare Position entwickelt: Staaten, die dem ATT, dem internationalen Waffenhandelsvertrag, nicht beigetreten sind, dürfen keine Waffenexporte mehr bekommen. Damit würden wir automatisch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten von solchen Waffenexporten ausschließlich. Ich bitte alle, darüber nachzudenken, ob das anlässlich dieses Konflikts, aber auch anlässlich der Konfliktlagen in der Welt insgesamt nicht das richtige Signal ist.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Frank Schwabe. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Anton Friesen.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7502213
Wahlperiode 19
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Friedensbemühungen im Jemen
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