Achim KesslerDIE LINKE - Fortgeltung der epidemischen Lage
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich teile die Befürchtung der Bundeskanzlerin, dass uns die Mutationen des Coronavirus noch viel Unheil bringen werden: Erstens sind sie ansteckender, und zweitens verringern sie zum Teil sogar die Wirkungen der Impfungen. In Deutschland geht zwar die Gesamtzahl der Neuinfektionen zurück; aber die Zahl der Infektionen mit den Mutationen steigt sprunghaft an. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass mit zwei Piksern alles erledigt ist.
Meine Damen und Herren, ich befürchte, dass uns die Pandemie noch lange begleiten wird. Wir brauchen deshalb dringend eine langfristig angelegte Strategie zur Bekämpfung der Pandemie. Die Bundesregierung fährt seit einem Jahr auf Sicht. Das können wir uns nicht länger leisten.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir müssen schon jetzt Vorkehrungen treffen, dass der Impfstoff fortlaufend angepasst wird. Und wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit Impfstoffe an möglichst vielen Produktionsorten weltweit hergestellt werden können. Es stimmt: Der Aufbau von Produktionskapazitäten dauert Monate. Aber ich fürchte, wir werden diese Produktionsstätten angesichts der Mutationen noch lange brauchen.
Der Gesundheitsminister trägt seit drei Monaten vor, welche Schwierigkeiten mit dem Aufbau von Produktionsstandorten verbunden sind. Diese Schwierigkeiten werden aber durch Nichtstun nicht weniger. Ich fordere Sie auf: Hören Sie endlich auf, wertvolle Zeit verstreichen zu lassen! Handeln Sie endlich!
(Beifall bei der LINKEN)
Geben Sie die Patente für die Impfstoffe frei, damit sie überall, weltweit, produziert werden können.
(Beifall bei der LINKEN)
Die rechtlichen Möglichkeiten dazu haben Sie und die ethische Verantwortung erst recht. Werden Sie dieser Verantwortung endlich gerecht!
(Beifall bei der LINKEN)
BioNTech und Pfizer erhielten aus Steuermitteln 375 Millionen Euro für die Impfstoffentwicklung und die klinischen Studien. Der US-Konzern Pfizer erwartet einen Umsatz von 15 Milliarden Dollar mit dem Impfstoff. Pfizer und BioNTech zusammen haben durch den Impfstoff eine Gewinnerwartung von 4 Milliarden Euro. Ein unternehmerisches Risiko gibt es praktisch nicht, weil es Abnahmegarantien gibt. Und jetzt verlangt BioNTech erneut 400 Millionen Euro für den Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten. Meine Damen und Herren, diese Forderung offenbart eine schamlose Profitgier in einer Situation, in der die ganze Welt von einer Pandemie und ihren gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen bedroht wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie ist das offene Eingeständnis, dass die Pharmaindustrie mit dem Aufbau der erforderlichen Produktionskapazitäten überfordert ist.
Meine Damen und Herren, auch angesichts der 9 Milliarden Euro, die Sie für die Beschaffung von Impfstoffen bereitgestellt haben, muss die Produktion von Impfstoffen jetzt unter staatliche Kontrolle gestellt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Es hat sich deutlich gezeigt, dass Profitstreben kein geeigneter Antrieb ist, um eine Pandemie zu bewältigen. Aber statt auf der Grundlage einer durch den Bundestag legitimierten Strategie entschlossen zu handeln, legen Sie uns erneut einen Gesetzentwurf vor, mit dem der Bundestag Regelungskompetenzen an die Bundesregierung abgibt.
(Karin Maag [CDU/CSU]: Ach!)
Nehmen Sie den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, ernst. Er sagt genau wie wir seit Monaten: Die wesentlichen Entscheidungen müssen vom Parlament getroffen werden.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genauso ist das!)
Die Linke steht zu unserer demokratischen Verfassung, und deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Je länger die Pandemie dauert, desto mehr verletzen Sie das Demokratieprinzip.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist Unsinn, sogar grober Unsinn!)
Ich fordere Sie auf: Beenden Sie diese zerstörerische Politik, die das Vertrauen in unseren Staat untergräbt.
Sehr geehrte Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, ich frage Sie: Wovor haben Sie Angst, dass Sie sich so standhaft weigern, die Verantwortung in dieser Krise selbst zu übernehmen? Hören Sie auf, sich hinter einer Kanzlerin und einer Bundesregierung zu verstecken, die ein völliges Impfchaos angerichtet haben. Die Entscheidungen müssen wieder in den Bundestag zurückgeholt werden, damit wir endlich handlungsfähig werden.
Im ersten Entwurf des Gesetzes waren noch 3 Milliarden Euro Zuschuss für die Pflegeversicherung vorgesehen. Davon ist jetzt nur noch eine Verordnungsermächtigung übrig, dass die Bundesregierung der Pflegeversicherung einen Zuschuss geben kann. Damit überschreiten Sie endgültig die verfassungsrechtlichen Grenzen; denn das Haushaltsrecht ist das wichtigste Recht des Bundestages. Sie verunsichern die vielen Menschen mit Pflegebedarf, denen sie vollmundig eine Begrenzung ihrer Eigenanteile versprochen haben, weil sie zur Armutsfalle für Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen geworden sind. Diese Politik der sozialen Kälte lehnt Die Linke ab und deshalb auch Ihren Gesetzentwurf.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt hat das Wort die Kollegin Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7502246 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Fortgeltung der epidemischen Lage |