12.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 210 / Zusatzpunkt 10

Leni BreymaierSPD - Hilfen für Familien

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir die Anträge der FDP durchgelesen, und da ist mir eine Geschichte eingefallen: Ich war vor 20 Jahren Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat der Leiharbeitsfirma Randstad.

(Martin Reichardt [AfD]: Ach!)

Das ist ja eine holländische Firma. Das war die Zeit, bevor wir digitale Kalender hatten und bevor man für einen Termin gedoodelt hat. Das heißt, wir saßen in der letzten Sitzung des Jahres da und hatten die Kalender aufgeschlagen. Es gab einen Vorschlag, und wir sind die Termine durchgegangen. Dann sagte der Anteilseignervertreter, der wichtigste Mensch, den Randstad weltweit hatte, der Oberweltmanager von Randstad – der Typ war quasi das Licht, um das die Motten alle kreisten –: An der Mai-Sitzung kann ich nicht teilnehmen. Da ist meine Frau auf Fortbildung. Da kümmere ich mich um die Kinder.

Da dachte ich mir: Wäre so was bei uns möglich? Entweder würde der deutsche Obermanager sagen: „Ich kann da nicht“ – ohne Begründung natürlich –, oder die Frau wäre nicht auf Fortbildung. Es wäre auf jeden Fall anders. Das war vor 20 Jahren.

(Martin Reichardt [AfD]: Das sind doch billige Vorurteile!)

Fakt war: Die Sitzung fand statt, er war nicht da, und die Welt ist nicht untergegangen. – Das ist normal für holländische Unternehmen und holländische Manager. Es war einfach normal, dass Familienarbeit im Ansehen gleichwertig ist mit der Erwerbsarbeit. Das wünsche ich mir für uns auch.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Jetzt zu Ihren Anträgen. Sie beantragen – da haben Sie uns an Ihrer Seite –, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Eltern echte Wahlfreiheit geben, die Erwerbs- und Sorgearbeit nach individuellen Bedürfnissen untereinander aufzuteilen. Das ist ein Langfristprojekt.

Ich habe mir aber auch Ihre sonstigen Anträge angeschaut – es gibt noch kein neues Wahlprogramm, aber ich habe mir das von 2017 angesehen – und mich gefragt: Was sagen eigentlich Ihre Wirtschaftspolitiker zu diesen Anträgen? Sie wollen die unternehmerischen Freiräume stärken. Sie wollen bürokratische Belastungen verhindern. Sie wollen weg von der Stechuhr, die Höchstarbeitszeit bei 48 Stunden lassen und die Regelung zur Ruhezeit von elf Stunden aufheben.

(Martin Reichardt [AfD]: Mein Gott! Wir leben in einer Pandemie, die Sie ausgerufen haben! Da können Sie doch nicht mit einem Wahlprogramm von anno Tobak kommen!)

Dann habe ich mir überlegt: „Vielleicht gibt es was Aktuelles“, und habe mir das Wahlprogramm der FDP für die Landtagswahlen in Baden-Württemberg angeschaut. Darin fordern Sie die Abschaffung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes. Von Vereinbarkeit von Familie und Beruf nirgends auch nur ein Wort! – Deshalb: Wenn Sie Ihre flauschig-flockigen Anträge ernst nehmen, dann unterstützen Sie uns bitte bei der Schaffung echter Rahmenbedingungen, um Erwerbsarbeit und Familienarbeit kombinieren zu können.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehören ein Recht auf Teilzeitarbeit für alle, ein Rückkehrrecht auf Vollzeitarbeit, die Neudefinition der Vollzeitarbeit, die Abschaffung der 450-Euro-Jobs, die Abschaffung der Steuerklasse V usw. Damit kommen wir weiter. Aber hier einfach flockige Anträge zu formulieren und das in der Praxis, in der eigenen Programmatik nicht zu leben, das bringt uns nicht weiter.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Nicole Bauer [FDP])

Wir brauchen Regeln, wir brauchen Rechte, und wir brauchen Haltung.

Ich hatte gestern Abend an einem virtuellen Weibefasching des Kreisfrauenrates Ostalb teilnehmen können. Da hat die wunderbare Marlies Blume, die Kabarettistin, gesagt: Die drei Ks – Kinder, Küche, Kirche – werden durch die drei Hs – Homeoffice, Homeschooling und Homework – abgelöst.

(Martin Reichardt [AfD]: Bei den Kabarettisten: Da sind Sie richtig aufgehoben!)

Es ist unser Job, dass das nach der Pandemie nicht auch noch so ist. Wir brauchen Langfristprojekte. Der Antrag ist ein Langfristprojekt; dafür haben Sie unsere Unterstützung. Aber wir kommen nicht weiter, wenn Sie ansonsten das nicht leben, was Sie da fordern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Faschingszeit, und bleiben Sie alle gesund!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Breymaier. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Stephan Pilsinger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7502271
Wahlperiode 19
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Hilfen für Familien
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