Hilde MattheisSPD - Öffentlicher Gesundheitsdienst
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte über das Thema sprechen, das hinter dem Tagesordnungspunkt steckt, nämlich über den Öffentlichen Gesundheitsdienst.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn es eine von mehreren Lehren aus der Pandemie gibt, dann haben wir doch hoffentlich gelernt, dass wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken müssen.
(Beifall der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn der Öffentliche Gesundheitsdienst ist ganz nachgewiesener Weise eine wesentliche Schnittstelle zur Bekämpfung der Pandemie.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten immer mal wieder ein Hochfloppen zur Wichtigkeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes erlebt, nämlich immer dann, wenn es Pandemien gab. Vor etlichen Jahren wurde immer wieder gesagt: Wir müssen den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken. – Es darf uns diesmal nicht passieren, dass wir das nächste Woche wieder vergessen. Daher sagen wir als SPD-Fraktion: Wir brauchen in der Tat einen gestärkten Gesundheitsdienst. Dazu reichen die Maßnahmen, die wir in den letzten Wochen, in den letzten Monaten auf den Weg gebracht haben, allein nicht aus. Wir brauchen eine nachhaltige Stärkung.
Schon 2016 haben die Gesundheitsminister der Länder gesagt: Wir brauchen einen stärkeren, interdisziplinären und multiprofessionellen Ansatz für den ÖGD. Wir brauchen eine stärkere Verzahnung mit der Wissenschaft. Wir wollen, dass der Bund, die Länder und die Kommunen Verantwortung tragen. Wir wollen in diesem Dreiklang, dass die Bevölkerung mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst eine Ansprechstation hat für bestimmte gesundheitliche Fragen, auch in Sachen Prävention.
Das alles dürfen wir nicht vergessen. Deswegen sind wir dankbar über den Antrag der Grünen, aber er geht uns nicht weit genug. Wir haben in unserem Papier, das wir miteinander in der Fraktion beschlossen haben und wofür wir werben, in der Tat einen Ansatz gewählt, der auch die Kompetenzen des Bundes erweitert. Es ist schön, was Sie als Grüne formuliert haben; aber es ist nicht nachhaltig genug. Denn wir sehen ja jetzt, wie lange es braucht, um Vereinbarungen auf den Weg zu bringen.
(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Machen!)
Sehr schnell haben wir alle miteinander mit 50 Millionen Euro den Ausbau von Programmen, den Digitalausbau für die Öffentlichen Gesundheitsdienste auf den Weg gebracht. Wir haben gesagt: Wir geben 4 Milliarden Euro für Personal. – Ja, das ist alles gut und richtig; aber die Umsetzung dauert lange, weil der Föderalismus einfach auch eine Hürde darstellt. Wir wollen, dass es sehr schnell geht, und wir wollen, dass die Umsetzung des ÖGD-Ausbaus durch Personalstellen, Digitalausstattung und auch Akzeptanz gestärkt wird.
(Beifall bei der SPD)
Von daher, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Antrag der Grünen ist gut und wichtig. Aber lassen Sie uns einen gemeinsamen Weg einschlagen. Dabei kann uns der Sachverständigenrat wichtige Hinweise geben, und zwar Hinweise wie – nicht ob – der ÖGD ausgebaut werden sollte. Er sollte wirklich eine niedrigschwellige Anlaufstelle sein, die vorbeugend, präventiv, tätig ist, die nicht nur bei Hygienekonzepten, nicht nur in Pandemiezeiten, sondern vor allen Dingen bei Voruntersuchungen, bei allen möglichen Fragen der Bevölkerung zum Thema Gesundheitsschutz zuständig ist.
Dazu braucht es ein Werben und ein Umdenken in den Kommunen und vor allen Dingen in den Ländern. Denn was haben wir in den letzten Jahrzehnten erlebt? Da will ich jetzt keine Schelte betreiben; aber es gehört zur Bilanz dazu: Der ÖGD ist irgendwie eine kleine Fachabteilung in irgendwelchen Kreisämtern geworden statt eine selbstständige Behörde, die als dritte Säule in unserem Gesundheitssystem etabliert ist. Das müssen wir ändern.
(Beifall bei der SPD)
Das sollte nicht nur eine kleine Stelle sein, wo man ärztliches oder nichtärztliches Personal einstellt – in manchen Gesundheitsämtern sind auch Nichtmediziner angestellt; das muss man auch dazusagen –, sondern es muss eine Behörde sein – und „Behörde“ ist nichts Langweiliges bzw. darf es in dem Fall nicht sein –, es muss eine zupackende, eine auf die Bevölkerung zugehende, eine problemlösende Institution sein.
(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Machen!)
Von daher möchten wir, dass die Gesundheitsämter diese Rolle sehr viel stärker in unserem System einnehmen und dabei unterstützt werden. Und ich werbe, wir werben dafür, dass der ÖGD auf jeden Fall auch eine große Bedeutung in den Parlamenten bekommt, die jetzt nicht so sehr darüber reden, nämlich vielleicht in den Kreistagen und in den Länderparlamenten; denn da wurde ganz massiv zusammengespart. Deshalb ist also auch diese Stärkung, diese institutionelle Stärkung, unser Anliegen.
Ich habe es schon gesagt: 4 Milliarden Euro und zusätzlich 50 Millionen Euro für den ÖGD – für Personal, für den Ausbau der digitalen Infrastruktur – scheinen auf den ersten Blick nicht wenig zu sein. Aber wenn man sich das genauer anguckt und sieht, dass das nur für ein paar Jahre gilt, dann muss man sagen: Vielleicht ist das einfach zu kurz gesprungen. Deswegen wollen wir als SPD-Fraktion hier auch die Möglichkeit des Bundes haben – und zwar über eine Änderung des Grundgesetzes. Dafür werbe ich; denn das Thema Daseinsvorsorge ist eines, das im Bereich der Gesundheit wieder fundamental an Konjunktur gewinnen muss.
(Beifall bei der SPD)
Von daher, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich finde, wir sollten uns wirklich auf den Weg machen. In dieser Situation, in der uns die Pandemie gelehrt hat, wo so viele Knackpunkte sind, wo es so viele Fehlstrukturen gibt, die nicht das leisten können, was sie in dieser Situation leisten müssten, sollten wir nicht einfach nach ein paar Monaten sagen: „Gott sei Dank, es ist überwunden!“, sondern sollten uns vorbereiten und auf den Weg machen. Denn der ÖGD ist und bleibt die Schnittstelle, und wir lernen das jeden Tag. Wir sehen nicht nur, dass die Zahlen oftmals fehlerhaft oder verzögert ankommen, sondern auch, dass die Kontaktnachverfolgungsmöglichkeiten des ÖGD einfach nicht so sind, wie wir uns das vorstellen, dass es da auch eine kleine Blockade in dem einen oder anderen Gesundheitsdienst gibt. Das alles müssen wir auflösen, und das geht nur, indem wir nicht kritisieren, sondern unterstützen.
Deshalb: Der Öffentliche Gesundheitsdienst braucht diese Unterstützung von Bund, Land und Kreis.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort hat Dr. Andrew Ullmann von der FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7502305 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Öffentlicher Gesundheitsdienst |