Benjamin StrasserFDP - Rechtsgrundlagen der Bundespolizei
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf ist ein Musterbeispiel für den Zustand dieser Großen Koalition: Jahrelang wird gestritten, Reformen werden angekündigt, wieder abgesagt, Eckpunktepapiere geschrieben, und am Schluss liegt der kleinste gemeinsame Nenner vor. Schaut man in diesen kleinsten gemeinsamen Nenner hinein, dann findet sich darin auch Positives – auch das begrüßen wir ausdrücklich –, beispielsweise die neue Zuständigkeit der Bundespolizei für Abschiebungen oder die Rechtssicherheit durch eine Rechtsgrundlage für den finalen Rettungsschuss. Das ist gut; das begrüßen wir. Aber das ist doch nicht der Kernpunkt dieses Gesetzentwurfs.
Erstens führen Sie mit diesem Gesetzentwurf eine Quellen-TKÜ-plus ein, die wieder zu einer verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Situation führen wird. Sie wollen nämlich mit der Quellen-Telekommunikation nicht nur die laufende Kommunikation überwachen, sondern auch rückwirkend auf Kommunikation zurückgreifen, die zwischen der richterlichen Anordnung und dem konkreten Einsatz des Staatstrojaners liegt.
Zweitens verschieben Sie darüber hinaus wieder die Grenzen zwischen Nachrichtendiensten und dem Verfassungsschutz. Sie schaffen heute eine Rechtsgrundlage, die Sie dem Verfassungsschutz genauso geben wollen. Diese Vernachrichtendienstlichung der Polizei führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern sie führt im Zweifel zu mehr Unsicherheit. Das können Sie auch in der Praxis beobachten, beispielsweise im Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Drittens schaffen Sie mit diesem Mittel nicht nur ein Instrument der Bekämpfung der Kriminalität, sondern Sie öffnen Einfallstore für Kriminelle auf die Geräte aller Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Ernsthaft zu glauben, dass Sicherheitslücken, die für den Staatstrojaner offen gelassen werden, nur von Sicherheitsbehörden genutzt werden, ist naiv, und deshalb, Herr Minister Seehofer, kann man eben nicht sonntags von IT-Sicherheit reden und montags den Staatstrojaner für die Bundespolizei in den Gesetzentwurf schreiben.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber es ist ja die Masche der Union, möglichst hart an die Grenze der Verfassungsmäßigkeit zu gehen; im Zweifel klärt es das Bundesverfassungsgericht. Das hinterlässt nicht nur Zweifel am Respekt gegenüber dem Verfassungsgericht, sondern Sie hinterlassen auch enttäuschte Beamte, denen Sie Instrumente in die Hand geben, die das Bundesverfassungsgericht wieder kassiert. Deswegen: Beenden Sie diese Politik der enttäuschten Erwartungen!
Wir haben doch genügend Herausforderungen bei der Bundespolizei: 1,5 Millionen Überstunden, 8 500 nichtbesetzte Stellen, Digitalisierung in der Fläche: Fehlanzeige, ein Pakt „Polizei 2020“, der nicht vorankommt. Die Herausforderungen sind da. Herr Minister Seehofer, ich weiß gar nicht, ob man Sie beglückwünschen darf, dass Sie ab Herbst dieses Jahres mit all diesen Problemen nichts mehr zu tun haben werden. Aber Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger – wer immer das auch sein mag, vielleicht der Kollege von Notz; wir wünschen uns natürlich auch mal wieder einen liberalen Innenminister – sei gesagt: Lösen Sie nicht nur diese Probleme, sondern sorgen Sie im digitalen Zeitalter dafür, dass Bürgerrechte nicht nur eine notwendige Pflicht, sondern ein wesentlicher Bestandteil einer guten Innen- und Rechtspolitik sind! Dieser Gesetzentwurf leistet dazu leider keinen Beitrag.
(Beifall bei der FDP – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Da war aber wenig Substanz drin in der Rede! – Gegenruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil das Gesetz nicht mehr hergibt!)
Vielen Dank. – Das Wort geht an Ulla Jelpke von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7502321 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsgrundlagen der Bundespolizei |