24.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 211 / Zusatzpunkt 1

Bernhard DaldrupSPD - Aktuelle Stunde - Freiheit und Eigentum im Wohnungsmarkt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Wohnungsmarkt als Spielball der Politik“ ist diese Aktuelle Stunde überschrieben. Ich weiß ja, ehrlich gesagt, schon lange, dass die FDP die Hüterin des Bürokratiemonsters ist; Frau Weeser hat es auch eben wieder einmal rausgelassen. Aber mir ist auch aufgefallen: Sie haben es irgendwie mächtig mit dem „Spielball“. Ich habe mir mal Ihre Anträge angeguckt. Es ist ganz egal, was es ist: Wahlrecht, Flüchtlinge, die FDP selbst oder die Vereinten Nationen – nichts darf zum Spielball werden,

(Daniel Föst [FDP]: Der gehört auf den Rasen!)

und heute nicht der Wohnungsmarkt.

Ich darf Ihnen mal sagen: Wir machen auch nichts zum Spielball, sondern wir stellen uns den Herausforderungen der Zeit, den Notwendigkeiten. Das machen wir im Bereich von Bauen, von gutem Wohnen und von bezahlbaren Mieten. Wir haben das – Kai Wegner hat es gesagt – in dieser Legislaturperiode ganz oben auf die politische Agenda gesetzt,

(Beifall bei der SPD)

und wir haben das, glaube ich, ganz gut gemacht.

Ja, wir haben ambitionierte Ziele – darauf haben mehrere hingewiesen – mit dem Bau von 1,5 Millionen Wohnungen. Davon haben wir – danke in Coronazeiten an die Bauwirtschaft, an die Unternehmen, an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – eine ganze Menge verwirklicht: den Bau von 1,2 Millionen Wohnungen sicher, vielleicht auch noch einiges mehr. Ja, wir haben sogar das Grundgesetz geändert, damit der Bund den sozialen Wohnungsbau mit 5 Milliarden Euro wieder fördern kann, weil sonst der soziale Wohnungsbau bundesseitig ausgelaufen wäre.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und was wir da in den Ländern erleben, ist nun wirklich keine richtige Offensive im sozialen Wohnungsbau – Chris, ich kann es dir nicht ersparen –, in Baden-Württemberg schon mal gar nicht.

(Widerspruch des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das muss man schlicht und ergreifend auf der Grundlage der Zahlen sagen.

Wir haben heute übrigens 42,5 Millionen Wohnungen und die höchsten Steigerungen seit dem Tiefpunkt 2008/2009. Ich zeige Ihnen das mal an einem Schaubild. Achten Sie auf diesen Tiefpunkt, den Sie da bei 2008/2009 sehen, da gab es Leute in der Regierung, die die Marktkräfte entfesseln wollten: Brüderle hieß der eine, Rösler hieß der andere. Hat irgendwie nicht funktioniert. Wir haben die Zahlen danach nach oben gebracht und nicht Sie.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn die Zahl von über 700 000 Bauüberhängen heute doppelt so hoch ist wie vor vielen, vielen Jahren, dann will ich darauf hinweisen, dass es nicht am Baugrundstück liegt, dass es nicht an der fehlenden Genehmigung liegt, nicht an der Langsamkeit der Kommunen beispielsweise, sondern dass es andere Gründe hat. Der alleinige Hinweis, man könne mit einer Baugenehmigung nicht wohnen, ist da ein bisschen schwach. Da muss man sich auch mit dem Markt selber beschäftigen wollen.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Aber Bauen alleine reicht nicht aus. Wir sind mit der Bilanz des gestrigen Wohngipfels, bei dem 41 wirksame Maßnahmen aufgezählt worden sind, auf einem ziemlich guten Weg. Das war relativ positiv. Nicht alles war positiv, Chris Kühn, das will ich gar nicht bestreiten; aber es war mehr Positives dabei als alles andere.

Weil vieles genannt worden ist, will ich das aufgreifen, was die Kollegin Weisgerber angesprochen hat. Ich nenne beispielhaft die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus mit der zusätzlichen Sonderabschreibung in Höhe von 5 Prozent über der linearen Abschreibung – ein gewaltiger Schub.

Ich will an dieser Stelle auch die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung nennen, durch die es zum Beispiel möglich wird, bei Investitionen von bis zu 200 000 Euro in ein einzelnes Gebäude bis zu 40 000 Euro von der Steuerschuld abzuziehen. Das ist ein riesiger Impuls dafür, dass wir irgendwann energieproduzierende Gebäude bekommen. Das ist jedenfalls auch als Perspektive für Einfamilienhäuser besser, als solche Formen generell infrage zu stellen – von wem auch immer.

(Beifall bei der SPD)

Es gab eine ganze Reihe positiver Stimmen, auch die Erwartung, dass das Baulandmobilisierungsgesetz als Antwort auf die Herausforderungen endlich verabschiedet wird. Ich begrüße es, wie Horst Seehofer den Gesetzentwurf unterstützt. Ich begrüße es, wie es die Bundeskanzlerin getan hat, wie es der Wirtschaftsminister und selbstverständlich Finanzminister Olaf Scholz und Christine Lambrecht möglich gemacht und vorangebracht haben.

Warum ist denn dieser Appell, den Gesetzentwurf voranzubringen, nötig? Damit die Kommunen Handlungsmöglichkeiten haben, damit wir baurechtliche Voraussetzungen dafür schaffen, um jahrelange Baulücken besser schließen zu können, um auf die Beseitigung von Schrottimmobilien reagieren zu können, um Nachverdichtungen durch Dachgeschossausbau beispielsweise zu ermöglichen, um dem Wohnungsbau in der Innenstadt bessere Perspektiven geben zu können – das ist vor dem Hintergrund der Innenstadtdebatte, glaube ich, besonders wichtig –, und auch, um Bodenspekulationen zu begegnen.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An wem liegt es denn?)

Wir brauchen es außerdem – das will ich auch sagen –, um Geschäftsmodelle zu begrenzen, die die Wohnung, die Heimat, das Zuhause in Hamburg, Frankfurt, Berlin, Köln, München und in vielen anderen Städten zur Ware degradieren, und um stattdessen solche zu fördern, die den Schutz der Betroffenen höher einschätzen als das Geschäftsmodell von Immobilienkonzernen. Das ist unsere Melodie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Kurzum: Es geht darum, mehr Freiheit in den Kommunen zu ermöglichen, damit dort Lebensqualität gesichert werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Bauministerin aus Nordrhein-Westfalen meint, damit habe man Maß und Mitte verloren, entgegne ich ihr, dass das ein Beispiel für Mittelmäßigkeit war.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe die Bitte: Orientieren Sie sich nicht daran! – Ich kann Ihnen das im Detail belegen, wenn es um Nordrhein-Westfalen geht.

Letzte Bemerkung. Lassen Sie es, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, weil wir eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen haben, nicht zu, dass der Eindruck erweckt wird, die Unterstützung Ihrer eigenen Regierung, unserer gemeinsamen Regierung, sei Ihnen weniger wichtig als die Begehrlichkeiten von Teilen der Immobilienwirtschaft. Das darf nicht sein.

(Beifall der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])

Die Zustimmung zum Baulandmobilisierungsgesetz wäre dafür das richtige Zeichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie sollten auch wissen, dass Freiheit etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat.

Kollege.

Das war auch mal ein Gedanke des sozialen Liberalismus. Erinnern Sie sich bitte daran!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Thorsten Frei das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7504070
Wahlperiode 19
Sitzung 211
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Freiheit und Eigentum im Wohnungsmarkt
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