Christoph MatschieSPD - Vereinbarte Debatte zur Afrikapolitik
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Warum diese Afrika-Debatte? Warum diskutieren wir unsere umfassende Strategie gegenüber Afrika? Es ist schon deutlich geworden: Afrika ist ein Kontinent mit einer großen Dynamik. Es ist gleichzeitig ein Kontinent mit sehr großer Vielfalt; auch das haben wir jetzt schon mehrfach gehört. Wir sehen positive Entwicklung neben Entwicklungen, die uns zutiefst Sorge bereiten müssen. Wir sehen eine junge Generation im Aufbruch, und wir sehen alte Despoten, die sich an die Macht klammern. Wenn wir über Afrika reden, müssen wir uns immer wieder klarmachen: Wir reden über 55 sehr unterschiedliche Staaten. Afrika ist nicht ein großes Ganzes, und trotzdem gibt es Entwicklungen, die diesen Kontinent als Ganzes bestimmen.
Ich will zu der großen Dynamik noch etwas sagen, weil ich glaube, dass das wichtig ist, um zu verstehen, weshalb wir eine strategische Debatte brauchen: Schon in 30 Jahren wird ein Viertel der Weltbevölkerung in Afrika leben. In der Europäischen Union leben dann weniger als 5 Prozent der Weltbevölkerung. Das verschiebt wirtschaftliche Gewichte, das verschiebt politische Gewichte. Auf diese Entwicklung müssen wir eine kluge Antwort geben.
Weshalb ist Afrika für uns wichtig? Natürlich haben wir eine Verantwortung im Angesicht der kolonialen Vergangenheit. Natürlich haben wir eine humanitäre Verantwortung im Angesicht von Flucht, Vertreibung und Elend auf dem afrikanischen Kontinent. Aber Europa hat auch sehr klare Eigeninteressen: Europa hat Sicherheitsinteressen gegenüber dem afrikanischen Kontinent, Europa hat wirtschaftliche Interessen gegenüber dem afrikanischen Kontinent, und Europa hat auch demokratische Interessen – manche nennen auch geopolitische Interessen – gegenüber dem afrikanischen Kontinent.
Zu den Interessen, die wir vertreten wollen, gehört diese Erkenntnis: Das Verhalten in Krisen prägt das öffentliche Bewusstsein oft über lange Zeit. Und deshalb kommt es genau jetzt darauf an, in dieser globalen Krise, was wir tun. Ich bin froh, dass die Mittel für Covax noch einmal aufgestockt worden sind, dass die Bundesregierung 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellt. Das ist ein wichtiger Schritt, den wir hier gemeinsam gehen.
(Beifall bei der SPD)
Ich bin froh, dass auch andere zusätzliche Zusagen gemacht haben, dass die amerikanische Regierung wieder mit an Bord ist bei dieser Anstrengung. Aber die spannende Frage wird sein: Wer stellt jetzt eigentlich Kapazitäten zur Verfügung? Was passiert in den nächsten Wochen und Monaten, da die reichsten Länder – Herr Müller, Sie haben darauf hingewiesen – 75 Prozent der verfügbaren Dosen für sich reserviert haben? Ich glaube, hier müssen wir gemeinsam noch einen Schritt weitergehen. Die starken Staaten müssen jetzt Produktionskapazitäten zur Verfügung stellen, sie müssen abgeben von dem, was sie bestellt haben, damit jetzt weltweit geimpft werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP])
Wichtig wird auch sein, wie es danach weitergeht. Wir haben für Europa ein unglaubliches Wiederaufbauprogramm beschlossen. Das darf aber nicht auf den europäischen Kontinent beschränkt sein. Wir brauchen auch ein gemeinsames Aufbauprogramm mit unserem afrikanischen Nachbarkontinent. Eine wichtige Aufgabe des nächsten EU-Afrika-Gipfels wird sein, ein solches gemeinsames Aufbauprogramm zu vereinbaren und auch zu finanzieren.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])
Dazu wird nach meiner Überzeugung gehören, dass wir den afrikanischen Kontinent bei der Einrichtung einer afrikanischen Freihandelszone unterstützen – administrativ, rechtlich, aber eben auch beim Ausbau der Infrastruktur; denn die mangelhafte Infrastruktur ist das größte Hindernis für den innerafrikanischen Handel. Da wird Europa mehr investieren müssen. Wir müssen mehr Mittel zur Verfügung stellen, damit die Infrastruktur ausgebaut werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Zu den wichtigsten Aufgaben gehört nach meiner Überzeugung, in die Bildung zu investieren, es den Menschen zu ermöglichen, ihr Schicksal selbst in Hand zu nehmen. Dazu ist Bildung notwendig. Ich bin froh, dass der Bundestag dafür gesorgt hat, dass die Bundesregierung sich auch in der Grundbildung stärker engagiert; in der beruflichen Bildung sind wir schon stark engagiert. Ich wünsche mir, dass wir genau dieses Engagement weiter ausbauen und stärker in die Bildung der jungen Menschen in Afrika investieren, damit sie ihre Zukunft besser selbst in die Hand nehmen können.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP] – Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])
Dazu gehört für mich auch, Austauschprogramme zu ermöglichen. Darüber müssen wir zwischen SPD und Union vielleicht noch mal intensiver reden. Die junge Generation muss sich begegnen können, so, wie das auf dem europäischen Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg organisiert worden ist, so brauchen wir auch den Jugendaustausch mit Afrika, damit die Kontinente intensiver zusammenarbeiten können.
(Beifall bei der SPD)
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, es gibt genug Gründe für eine ambitionierte EU-Afrika-Politik. Ich hoffe, dass die Bundesregierung mit einer solch starken Ambition in die weiteren Gespräche zur Vorbereitung dieses Gipfels geht. Dafür alles Gute!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Harald Weyel für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7504082 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 211 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Afrikapolitik |