Gabriele Hiller-OhmSPD - Geschlechtergerechte Politik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich danke Ihnen für Ihren Antrag, der uns heute die Möglichkeit eröffnet, über Geschlechtergerechtigkeit zu sprechen. Dieses wichtige Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir viel öfter an dieser Stelle diskutieren. Schade nur, dass die AfD auch Rederecht hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In den letzten Jahrzehnten konnten wir auf allen Ebenen sehr viel für uns Frauen verbessern. Am Ziel, meine Damen und Herren, sind wir aber leider noch lange nicht angekommen.
Ich selbst hatte das große Glück, dass es in den 1960er- und 1970er-Jahren, also als ich noch jung war, in meinen jungen Jahren, eine kraftvolle Frauenbewegung gab, die auch mich geprägt hat.
Heute müssen wir fortschrittlichen Parteien dafür sorgen, dass wir Erreichtes schützen, mutig weiter voranschreiten und sicherstellen, dass Frauen nicht wieder in die 50er-Jahre zurückkatapultiert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie fragil Errungenes hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit ist. Wir konnten feststellen, dass viele Fortschritte, die wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, eben nicht in Stein gemeißelt sind.
Frauen sind in der Care-Arbeit zu Hause wesentlich präsenter als Männer. Ja, das war schon vor Corona ein Problem. Aber die Krise hat diese gefährliche Diskrepanz noch mal deutlich verstärkt. Dieses Rollback, diesen Rückschritt in Geschlechterrollen der 50er-Jahre, können wir nicht tolerieren!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Gleiche gilt für die sogenannten systemrelevanten und oftmals schlecht bezahlten Berufe. Auch hier sind Frauen überproportional häufig beschäftigt. Das alles ist Teil der strukturellen Benachteiligung, die durch Corona besonders deutlich wird.
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, wir müssen endlich ran an die Minijobs; da stimme ich Ihnen zu. Die Pandemie hat gezeigt, wie schutzlos geringfügig Beschäftigte sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die Minijobs gelten als große Verlierer der Krise. 70 Prozent der Minijobberinnen und Minijobber im erwerbsfähigen Alter sind Frauen. Diese Frauen haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, sie erwarten kaum Rente und sind meistens direkt in der Arbeitslosigkeit und dann in der Grundsicherung gelandet. Hier müssen wir dringend Lösungen finden. Das wird nur gelingen, wenn wir auch ans Ehegattensplitting gehen; da stimme ich Ihnen zu.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Steuerliche Fehlanreize, die Frauen benachteiligen, müssen endlich der Vergangenheit angehören! Wichtig ist aber auch, dass wir eine Reform so gestalten, dass sie die Akzeptanz der über 7 Millionen Minijobberinnen und Minijobber findet und diese nicht hinten runterfallen. Da muss es eine Lösung geben.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hört, hört!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fürchte allerdings, dass wir das in dieser Legislaturperiode und in dieser Regierungskoalition nicht mehr schaffen werden. Aber im September werden die Karten neu gemischt. Bis dahin haben alle fortschrittlichen Parteien die Chance, Wählerinnen und Wähler von der unabdingbaren Notwendigkeit der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu überzeugen.
Die SPD hat bereits seit Hundert Jahren immer wieder bewiesen, dass auf uns Verlass ist, wenn es um Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung von Frauen geht. Dank unserer Schubkraft konnten wir auch in dieser Legislaturperiode zentrale Forderungen durchsetzen. Werfen wir nur einen kurzen Blick auf den Arbeitsmarkt: Wir haben beispielsweise die Brückenteilzeit eingeführt. Damit schaffen wir für viele Frauen und Männer mehr Flexibilität in der Gestaltung der eigenen Arbeitszeit.
(Beifall bei der SPD)
Wir ermöglichen es dadurch auch den Eltern mit kleinen Kindern, im Beruf aktiv bleiben zu können.
(Beifall bei der SPD)
Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, für den wir lange kämpfen mussten.
(Beifall bei der SPD)
Dass wir jetzt endlich eine Vorstandsquote durchsetzen können, ist ein großartiger Schritt, über den ich mich sehr freue. In vielen Unternehmen gehören damit rein männliche Vorstände und Aufsichtsräte bald endlich der Vergangenheit an, und das ist auch gut so.
(Beifall bei der SPD)
Auch mit der Flexibilisierung des Elterngeldes tragen wir dazu bei, dass familiäre Aufgaben besser partnerschaftlich aufgeteilt werden können.
Über all diesen Maßnahmen schwebt die nationale Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung. Damit werden für alle Ministerien die Gleichstellungsziele zur Grundlage ihrer Arbeit und der Gesetzgebung. Auch das ist ein Meilenstein der Geschlechtergerechtigkeit.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Danke also für Ihren Antrag. Sie haben wichtige Forderungen gestellt; das ist gut. Aber eine ganz wichtige Forderung fehlt: Wir brauchen unbedingt mehr Frauen in den Parlamenten, und um das zu erreichen, müssen wir gemeinsam einen Weg finden. Schauen wir nur einmal hier auf den Bundestag: Es ist eine Schande, dass durch den Einzug der AfD der Frauenanteil so massiv gesunken ist. So niedrig war er zuletzt vor 20 Jahren.
(Zuruf von der AfD: Gucken Sie sich doch mal die CDU in Sachsen-Anhalt an!)
Die Debatte um ein Paritätsgesetz ist mit den Urteilen aus Thüringen und Brandenburg noch lange nicht beendet.
(Beifall bei der SPD)
Hier müssen wir hartnäckig bleiben und weiter um tragfähige Lösungen kämpfen! An all diesen Punkten sehen Sie, dass wir von der SPD die langfristige Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit immer fest im Blick haben, und das nicht nur in der Krise.
(Martin Reichardt [AfD]: Wo ihr inzwischen bei 15 Prozent angekommen seid!)
Ich bin mir sicher, dass wir weitere Erfolge gemeinsam erzielen werden.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Das Wort geht an Nicole Bauer von der FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7504096 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 211 |
Tagesordnungspunkt | Geschlechtergerechte Politik |