Konstantin KuhleFDP - Eigenmittelbeschluss- Ratifizierungsgesetz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines ist, glaube ich, in der bisherigen Debatte noch gar nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen: Wenn die Bundesregierung alleine einen Eigenmittelbeschluss vorgelegt hätte, dann sähe der ganz anders aus als dieser Eigenmittelbeschluss, den wir heute hier diskutieren, der unter maßgeblichem Regierungseinfluss der Niederländer, der Österreicher, der Schweden, der Dänen und der Finnen steht.
(Zuruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und, lieber Kollege Rohde, der französische Finanzminister Le Maire ist kein besserer oder schlechterer Europäer als Mark Rutte, der sich in ganz wesentlicher Weise dafür eingesetzt hat, dass es zur Konditionalität bei der Auszahlung einzelner Tranchen kommt.
(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Dennis Rohde [SPD])
Ich will hier auch ganz deutlich sagen: Lieber Bundesfinanzminister Scholz, Sie haben es leider versäumt, der sozialdemokratisch geführten Regierung in Dänemark dafür zu danken, dass sie in dieser Situation auch auf haushalterische Solidität geachtet hat. Das wäre hier die richtige Ansage für einen Bundesfinanzminister gewesen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])
Lieber Kollege Kindler, ich fühle mich natürlich angesprochen, weil ich mich sehr darüber gefreut habe, dass es eine Einigung für einen Notfallmechanismus und für einen Aufhörmechanismus angesichts dieser schlimmen Pandemie in der Europäischen Union gibt. Nur, eines unterscheidet die Freien Demokraten mit Blick auf das Verständnis von Opposition fundamental von den Grünen: Die Grünen sind mittlerweile so heiß aufs Regieren,
(Zuruf der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
dass Ihnen die Union, wenn Sie morgens ins Parlament kommen, sonst was vorlegen kann und Sie am Abend dafür stimmen werden. Es geht einfach nicht, meine Damen und Herren von den Grünen,
(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])
dass Sie die Oppositionsrolle an dieser Stelle hier in dieser Weise nicht wahrnehmen.
Ich will noch etwas Zweites sagen. Wer es in Deutschland mit der Großen Koalition aufnimmt, wer sich mit CDU/CSU und SPD anlegt, der bekommt es mittlerweile mit den Grünen zu tun. Und das hat doch mit Opposition nichts mehr zu tun, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der AfD – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da hat er recht!)
Herr Kollege Kuhle, die Kollegin Brantner würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Sehr gerne.
Sehr geehrter Herr Kollege Kuhle, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Regieren ist immer noch nicht strafbar, und es zeichnet Akteure aus, wenn sie bereit sind, zu regieren. Das war die FDP nicht.
(Zurufe von der FDP)
Aber zu Ihrem Vorwurf, dass wir Grüne nur darauf achten würden, was CDU und SPD verabschieden, und dann zustimmten: Es geht hier um einen europäischen Kompromiss, der auf europäischer Ebene zwischen dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament ausgehandelt wurde, und zu dem verhalten wir uns als Grüne, nicht zu den Regierungsfraktionen.
Und ich habe heute von Ihnen von der FDP noch kein einziges Wort gehört, ob Sie die gemeinsame Schuldenaufnahme nun richtig finden oder nicht, ob Sie es richtig finden, dass 37 Prozent in den Klimaschutz gehen oder nicht, ob Sie das Konstrukt richtig finden oder nicht. Hören Sie auf, uns hier anzugreifen, weil Sie keine eigene Position haben! Das ist einfach nur billig und ein vorgeschobenes Argument.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der FDP: Frage!)
Sagen Sie mal, wo Sie inhaltlich stehen. Kein Wort habe ich dazu gehört.
Es geht hier um eine fundamentale Entscheidung der Europäischen Union. Nehmen wir gemeinsam Schulden auf, um solidarisch aus einer Krise zu kommen?
(Zuruf von der AfD: Gegen die Verfassung, ja!)
Das ist die Frage. Zu der haben wir als Grüne uns positioniert, Sie noch nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kollegin Brantner, der Kompromiss der europäischen Staats- und Regierungschefs und auch des Ministerrates sieht eine Schuldenaufnahme vor, bei der es den Regierungen der Mitgliedstaaten Österreich, Dänemark, Finnland, Schweden und den Niederlanden gelungen ist, eine klare Begrenzung mit Blick auf die Höhe, mit Blick auf die Dauer und mit Blick auf den Zweck einzuziehen. Das ist für uns das Wesentliche. Und wir werden es uns nicht leicht machen, wir werden das intern sehr ausgiebig diskutieren.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah! – Na klar!)
Aber wir werden eines nicht machen: Wir werden nicht agieren, wie die Grünen es jetzt beispielsweise in Österreich tun, und uns bis zur Unkenntlichkeit an die Große Koalition anbiedern, indem man schon zu Tagesbeginn verlauten lässt, dass man am Ende zustimmt. Das gibt es mit den Freien Demokraten nicht, liebe Kollegin Brantner.
(Beifall bei der FDP)
Und eines will ich auch sagen: In der ganzen Debatte hier sind doch die Freien Demokraten die einzige Fraktion, die überhaupt einen begleitenden Antrag vorgelegt hat.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hier liegt auf dem Tisch ein Antrag der Bundesregierung, und ansonsten liegt auf dem Tisch ein Antrag der Freien Demokraten zur Stärkung der Parlamentsrechte. Kein einziger Vorschlag der Grünen zur Stärkung der Parlamentsrechte in dieser Debatte! Und Sie greifen uns an, dass wir die Rolle nicht ernst nehmen? Ich glaube, das hier ist eine Angelegenheit mit vertauschten Rollen,
(Beifall bei der FDP)
und wir sollten zurückkehren zu einer Debatte über die Frage, wie wir eine Zustimmung dieses Hauses hier erreichen können; denn das muss doch denjenigen, denen Europa am Herzen liegt, das wichtigste Anliegen sein, meine Damen und Herren.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen ist diese ganze Debatte über die Frage des Eigenmittelbeschlusses für uns auch ein Anlass, darüber zu sprechen, wie wir die Stärkung des Bundestages insgesamt voranbringen können. Sie kennen das ja aus der Pandemie, wo sich die Grünen ähnlich verhalten, alles mitmachen, was die Große Koalition vorschlägt.
(Zuruf der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch hier drängen wir darauf, dass Qualität, dass Transparenz, dass Akzeptanz, dass Legitimation staatlichen Handelns steigen durch mehr Parlamentsbeteiligung. Deswegen müssen die Konditionalitäten durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages überprüft werden können. Er braucht hierzu ein Stellungnahmerecht. Er muss auch die Möglichkeit haben, den Notfallmechanismus, den die Niederländer und andere dort reingeschrieben haben, auszulösen.
(Peter Boehringer [AfD]: Das wäre mal was!)
Wir sollten, finde ich, auch mal allgemein darüber sprechen, wie wir die Situation beenden können, dass die Nutzung der Instrumente aus dem EUZBBG in keinem Verhältnis zu ihrer Relevanz steht. Das ist super relevant, was in der Europäischen Union passiert, und wir nutzen diese Instrumente aus dem EUZBBG so gut wie nie hier in der Mitte des Deutschen Bundestages. Dazu liefern wir mit unserem Antrag einen Beitrag.
Sie machen einfach mit, was die Große Koalition sagt. Wir machen vernünftige Oppositionsarbeit. Sie sind schon auf dem Weg in die Regierung, und das ist ein interessanter Befund für die nächsten Monate im Wahlkampf.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Karneval ist nicht weit! Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Berghegger, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7504341 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Eigenmittelbeschluss- Ratifizierungsgesetz |