25.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 212 / Zusatzpunkt 12

Esther DilcherSPD - Schutz der Bargeldnutzung

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute reden wir über eine Grundgesetzänderung, die die Eigentumsgarantie modifizieren soll. Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz lautet bis jetzt:

Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

Die Fraktion der AfD möchte jetzt einen Absatz 4 anfügen:

Jeder hat zur Verwirklichung des in Absatz 1 bezeichneten Eigentumsgrundrechts das Recht zur uneingeschränkten Nutzung von Bargeld. Von der Notenbank herausgegebene Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.

Ich habe mich gefragt: Warum wollen die Antragstellenden diese Grundgesetzänderung? – Dazu findet sich genau eine vage Formulierung in diesem Antrag, die wie folgt lautet:

Von verschiedenen Interessengruppen wird kolportiert, dass der heutige Stand der Digitalisierung des Lebens die Existenzberechtigung des Bargeldes entfallen lässt.

Das ist die Skizzierung des angeblichen Problems, das die Antragstellenden mit einer Grundgesetzänderung lösen wollen.

Da frage ich mich doch: Wer soll das sein? Wo in diesem Antrag werden diese Interessengruppen genannt? Ohne jegliche aus meiner Sicht valide Grundlage soll hier an unserer Verfassung herumgedoktert werden. Münzen und Scheine sollen Verfassungsrang bekommen. Nicht mit uns, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber aus diesem einen Satz, den ich eben zitiert habe, aus dieser für mich nebulösen Behauptung werden weitreichende Schlussfolgerungen gezogen. Mit diesem Satz wird die Erforderlichkeit des Antrags begründet. Ich finde das unfassbar, habe aber auch gedacht: Das ist fast schon eine Kunst; denn über Kunst kann man ja auch trefflich streiten. Hier wird tatsächlich behauptet oder zumindest der Anschein erweckt, dass Bargeld verboten werden soll. Das macht Angst, das schafft Unbehagen, und genau das ist aus dem rechten Lager ja auch gewollt. Anscheinend gibt es da Vorlagen für bestimmte Reden oder Gesetzentwürfe, die abgearbeitet werden, in die man nur noch etwas einfügen muss. Und an einer Stelle steht dann: Wie erzeugen wir Angst?

Weiter heißt es nämlich:

Eine Gesellschaft, in der jede Zahlung nur noch in digitaler Form stattfindet, kommt dem totalen Überwachungsstaat erschreckend nahe [...]

Sie tun so, als würden Sie selbst daran glauben. Die Schuld für das angebliche Bargeldverbot geben Sie der von Ihnen verhassten EU, der Niedrigzinspolitik usw.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und der SPD!)

Die Frechheit ist dann noch: Als Verlierer werden von Ihnen die „kleinen Leute“ genannt,

die aus ihren kaum noch verzinsten Riester-Renten, Lebensversicherungen und Sparbüchern mit negativer Verzinsung nicht in andere, riskantere Anlageklassen fliehen können oder wollen.

(Karsten Hilse [AfD]: Genau!)

Ich empfinde es als bodenlose Unverschämtheit, Menschen als „kleine Leute“ zu bezeichnen.

(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Das stimmt! Aber das macht regelmäßig auch die SPD!)

Es gibt keine kleinen Leute, es sei denn, die AfD macht sie zu solchen.

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Dort steht nämlich in § 14 Absatz 1, Satz 2 Bundesbankgesetz:

Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.

(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])

Dort steht schon genau das, was jetzt nach dem Willen der Antragstellenden in unsere Verfassung geschrieben werden soll. Das wird in Ihrem Antrag mit keiner Silbe erwähnt, aber es wird das Horrorszenario aufgebaut, ein Bargeldverbot stünde unmittelbar bevor.

Aber halt! Das, was in Ihrem Antrag steht, entspricht nicht eins zu eins dem Bundesbankgesetz; denn Sie möchten ja den Euro abschaffen. Also erfolgt natürlich auch kein Bekenntnis zur Euro-Währung, sondern Sie wollen im Grundgesetz formuliert haben, dass Banknoten erhalten bleiben sollen, nicht etwa unsere Euro-Währung, wie es im Bundesbankgesetz vorgesehen ist.

Wir Sozialdemokraten wissen: Bargeld ist das beliebteste Zahlungsmittel, und das wird mit uns auch so bleiben. In Deutschland gibt es keine allgemeine Beschränkung der Barzahlung. Jeder kann seine Geschäfte bar abwickeln, sogar den Kauf einer Immobilie. Aber wer will das schon?

Allerdings – das trägt vielleicht zur Aufklärung bei; das muss man unterscheiden – gibt es eine Obergrenze für anonyme Bargeldzahlungen. Diese liegt in Deutschland bei 9 999 Euro. Das heißt: Wer darüber hinaus bar zahlen möchte, der darf das immer noch tun. Er muss sich aber ausweisen. Hintergrund dafür ist der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, und das ist richtig.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])

Das hat also überhaupt nichts mit einem Bargeldverbot zu tun, wie uns die Antragstellenden glauben machen wollen.

Ich muss jetzt leider noch sagen: Schade, dass die FDP fast in dieselbe Richtung argumentiert

(Christian Dürr [FDP]: Bitte! Frau Dilcher, Sie haben so gut angefangen!)

und ebenfalls eine Grundgesetzänderung beantragt, wenn auch an anderer Stelle.

Diesen Anträgen werden wir Sozialdemokraten daher auf keinen Fall zustimmen und sind gespannt, wie sich die beiden Fraktionen in diesem Punkt einer Grundgesetzänderung möglicherweise weiter annähern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. – Das Wort geht an Tobias Matthias Peterka von der AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Endlich ein Lichtblick in dieser Debatte! – Gegenruf des Abg. Christian Dürr [FDP]: Wir hatten schon auf diesen Zwischenruf gewartet!)

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Electoral Period 19
Session 212
Agenda Item Schutz der Bargeldnutzung
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