Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 22 Kältetote allein in diesem Jahr! Seit zehn Jahren sind nicht mehr so viele Menschen auf Deutschlands Straßen erfroren wie in diesem Winter. Das ist doch wirklich skandalös. Das ist eine Schande für ein so reiches Land.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Fast 50 000 Menschen sind obdachlos und leben auf der Straße, knapp 700 000 haben keine eigene Wohnung; die Tendenz ist steigend. Da dürfen wir nicht länger zuschauen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Einzige, was diese Regierung in den letzten Jahren hingekriegt hat, ist die Wohnungslosenstatistik. Dass es sie gibt, ist ja auch gut. Herr Witt, wir fordern die hier als Linke übrigens schon über zehn Jahre, und wir fordern auch seit über zehn Jahren ein Konzept gegen Wohnungslosigkeit; das haben Sie nur nicht mitbekommen. Es ist auch gut, dass diese Statistik kommt. Aber dabei können wir doch nicht stehen bleiben; denn vor Kälte und vor Schnee schützt sie eben nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen haben wir als Linke diese Debatte heute beantragt und eigene Vorschläge gemacht, und ich wundere mich schon, von welch hohem Ross die Union hier heute redet; denn von Ihnen ist in dieser Frage wirklich noch überhaupt nichts bekommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie kann es sein, dass in Wohnungslosigkeit immer noch geräumt wird? Wie kann es sein, dass selbst während der Pandemie Zwangsräumungen stattfinden? Ich habe bei der Regierung mal nachgefragt. Im Jahr 2019 wurden die Wohnungen von 50 000 Menschen zwangsgeräumt, und wir predigen hier „Stay at home“, also „Bleibt zu Hause“. Allein in Hamburg wurden im letzten Jahr 600 Menschen aus ihren Wohnungen geräumt. Das kann doch nicht sein! Das ist doch einfach unverantwortlich!
(Beifall bei der LINKEN)
Genau deswegen fordern wir als Linke, Zwangsräumungen während der Pandemie auszusetzen, und wir wollen grundsätzlich nicht, dass Menschen in die Wohnungslosigkeit geräumt werden. So geht es nicht!
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und: Ja, während der Pandemie stehen die meisten Hotels leer. Lassen Sie uns doch wenigstens in der Pandemie Hotels für Wohnungslose öffnen! Die linke Sozialsenatorin in Berlin hat übrigens damit angefangen, und sie bezahlt die Hotels dafür. Damit das auch andere tun, sollte man denjenigen, die sich weigern, tatsächlich sagen: Wenn Coronahilfen in Anspruch genommen werden, dann muss das auch an die Aufnahme von Bedürftigen geknüpft werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Leider stoßen die Kommunen, die das machen wollen – wenn sie beispielsweise Leerstand für Obdachlose öffnen wollen –, immer wieder an rechtliche Grenzen. Deswegen muss der Bund die Beschlagnahmung von Leerstand im Interesse der Bedürftigen erleichtern.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit dieser Forderung stehen wir als Linke nun wahrlich nicht alleine da. Das fordern 13 Straßenzeitungen, 118 000 Menschen haben unterschrieben, und Margot Käßmann hat die Unterschriften übergeben. Und was sagt sie? Es ist eine Frage – Zitat – „der Christenpflicht und Nächstenliebe, Menschen in Einzelunterkünften unterzubringen“. Ihre Worte möchte ich heute insbesondere den christlichen Parteien ans Herz legen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen endlich auch einen besseren Kündigungsschutz. Es kann doch nicht sein, dass jemandem, der seinen Rückstand ausgeglichen hat, ordentlich gekündigt wird. Wir hatten kürzlich eine Anhörung im Rechtsausschuss dazu. Da waren sich wirklich alle ernstzunehmenden Expertinnen und Experten einig. Passiert ist seither nichts.
Einen Kündigungsschutz im Lockdown gab es nur im ersten Lockdown, bis zum Sommer. Eine Verlängerung hat die Koalition nicht hinbekommen.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Weil sie nicht nötig war!)
Das ist peinlich und für die Betroffenen einfach nur noch tragisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu guter Letzt: Natürlich brauchen wir einen Neustart beim sozialen Wohnungsbau. Die Anzahl der Sozialwohnungen ist doch auf einem historischen Tiefststand, und Bauminister Seehofer sagte vorgestern bei der Konferenz, wir hätten beim sozialen Wohnungsbau schöne Ergebnisse. Das ist einfach nur noch zynisch.
(Christian Dürr [FDP]: Die größte Katastrophe hat man halt in Berlin, wo Sie regieren! Die größte Katastrophe findet doch hier in der Hauptstadt statt, Frau Kollegin! Da regieren Sie, Ihre Partei!)
Die Wohnungs- und die Obdachlosenhilfe sind systemrelevant, und sie müssen endlich mehr unterstützt werden.
(Beifall bei der LINKEN – Christian Dürr [FDP]: Die größte Katastrophe hat die Linkspartei selbst angerichtet, hier in Berlin!)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Bayram das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7504637 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Wohnungs- und Obdachlosigkeit im Corona-Winter |