25.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 212 / Zusatzpunkt 15

Wiebke EsdarSPD - Hilfe im Corona-Schuljahr durch Studierende

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion gibt uns heute Tipps zur Schulpolitik. Sie schlagen vor, es solle ein Lern-Buddy-Programm aufgesetzt werden. Ich glaube, dass Ihr Antrag damit ganz gut in die Linie der FDP-Bundestagsfraktion passt, weil er so einen fancy englischen Begriff im Titel hat. Das passt sehr gut zu den Sachen, die Sie bisher vorgeschlagen haben; ich erinnere an die „Digital European University“ oder an Ihre Vorschläge zu „Smart Germany“.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Er passt aber auch, ehrlich gesagt, aufgrund der Tatsache, dass nach dem Titel ziemlich wenig durchdachte Substanz den Antrag prägt, gut in die Linie der FDP-Bundestagsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Als Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen möchte ich sagen, dass ich es mutig finde, dass Sie den Antrag hier einbringen; denn wenn ich mit Lehrerinnen und Lehrern in Nordrhein-Westfalen spreche – beispielsweise in meinem Wahlkreis in Bielefeld und Werther –, dann melden die mir zurück, dass sie nicht in erster Linie Leute brauchen, die zusätzlich von außen in die Schulen kommen, sondern dass sie sich eine Schulpolitik wünschen, die sie in der Pandemie unterstützt und nicht behindert.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP)

Lassen Sie uns darum nach Nordrhein-Westfalen schauen – dem Land, in dem eine FDP-Politikerin Schulministerin ist –, auch im Vergleich zu anderen Ländern wie Niedersachsen, Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz. Ich glaube, da läuft einiges besser. Mein Vorschlag wäre darum, Frau Gebauer, Ihrer FDP-Schulministerin, einen Buddy an die Seite zu stellen,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

der ihr beim Formulieren und Abschicken der Schulmails hilft. Diese Mails haben einen Erlasscharakter, sind also rechtlich bindend für die Schulen. Da ist es immer wieder vorgekommen, dass diese Mails ganz spät, erst nach Dienstschluss am Freitagnachmittag, verschickt wurden und dann am Montagmorgen schon in Kraft getreten sind.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Was ist denn Ihr Vorschlag?)

Ein weiterer Vorschlag wäre, dass wir einen Buddy einsetzen, der der Schulministerin bei der Kommunikation mit dem Ministerpräsidenten hilft.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Was schwebt denn der SPD vor?)

Es irritiert die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die Lehrer nämlich, wenn die Schulministerin eine E-Mail verschickt, in der steht: „Die Schulen werden alle wieder aufgemacht“, und zwei Stunden später der Ministerpräsident eine Pressekonferenz gibt, in der er das Ganze wieder korrigiert und eine andere Aussage macht.

(Zuruf von der SPD: Das ist Chaos pur!)

Ein weiteres Team von Buddys könnte Ihre Schulministerin davon überzeugen – –

Kollegin Esdar, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der FDP-Fraktion?

Gerne.

Bitte.

Frau Präsidentin, Frau Kollegin, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie machen sich ein bisschen lustig über eine ernste Situation. Die Kinder gehen nicht mehr in die Schule. Ich habe selbst einen Jungen zu Hause, der fast ein Jahr lang keinen Unterricht mehr gehabt hat.

Wir versuchen jetzt, mit erheblichen Mitteln Unterricht möglich zu machen, indem wir die Lehrerschaft unterstützen, und Sie ziehen das hier ins Lächerliche. Ich glaube, das ist dieser Diskussion nicht würdig. Ich frage Sie, ob das wirklich Ihr Ernst ist, diesen Antrag nicht konstruktiv zu bearbeiten, sondern nur lächerlich machen zu wollen.

(Beifall bei der FDP – René Röspel [SPD]: Die FDP verhindert konstruktive Modelle in NRW!)

Herr Kollege, wenn Sie mir genau zuhören, können Sie durchaus erkennen, dass ich, wie ich einleitend auch gesagt habe, der Auffassung bin, dass es sinnvoll ist, solche Vorschläge zu machen, die für die Schülerinnen und Schüler vor Ort – ich spreche momentan über NRW; wenn ich zum Ende der Rede komme, werde ich es auch auf die Bundespolitik ausweiten – nach meinen Erfahrungen aus den Gesprächen, die ich mit Lehrern und Lehrerinnen führe, wesentlich relevanter sind als die Frage, ob ein Programm in Höhe von 1 Milliarde Euro aufgesetzt werden soll, wie Sie es vorschlagen.

Sie machen nach dem Vorstoß der A-Länder, die nämlich ein solches Unterstützungsprogramm schon in die KMK eingebracht haben, Vorschläge, die von der Seite der B-Länder verhindert werden. Darum muss ich feststellen, dass die FDP-Politik an dieser Stelle eher darin besteht, ein doppeltes Spiel zu spielen.

Da Sie die Frage der Lächerlichkeit aufwerfen, lautet die Frage doch eher, ob nicht die Schulpolitik dann lächerlich gemacht wird, wenn Sie in dem Land, wo Sie Verantwortung tragen, nichts davon, was in die KMK eingebracht wurde, umsetzen, in der KMK eher die Bremser sind, hier aber als Opposition so tun, als wenn Sie die Einzigen wären, die mit innovativen Vorschlägen um die Ecke kommen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Nicole Höchst [AfD])

Darum würde ich ein weiteres Team an Buddys im Schulministerium vorschlagen, das dafür sorgt: Da, wo vor Ort kluge Vorschläge zum Wechselmodell und zum digitalen Unterricht gemacht werden, so wie das in Solingen der Fall war, sollten diese nicht verboten werden, wie es die Schulministerin in NRW getan hat, sondern sie sollten umgesetzt werden können.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP])

Noch ein weiteres Team an Buddys könnte die Schulministerin darin unterstützen, verbindliche Aussagen zu einigen Fragen zu machen: Sind Kinder und Jugendliche verpflichtet, beim Videounterricht die Videoschalte anzuschalten? Was passiert mit Videoaufzeichnungen des Unterrichts, und dürfen die überhaupt gemacht werden? Wie wird mit illegaler Verwendung von Bild- und Videomaterial umgegangen? Wie wird bewertet, wenn es Netzprobleme gibt? Alles das sind extrem relevante Punkte für die Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen und wesentlich wichtiger als die Frage, ob Studierende jetzt als Erstes an die Schule kommen.

(Beifall bei der SPD)

Darum finde ich Ihren Antrag – ich habe es schon gesagt – ziemlich mutig.

Ich möchte noch etwas konkret zum Antrag sagen: Dass sogenannte Lern-Buddys an die Schulen gehen können, wie Sie es vorschlagen, um Lernmaterial zu beschaffen oder sich im Unterricht einzusetzen, das hat eine Schulleiterin, mit der wir gesprochen haben, wie folgt kommentiert: Einfach irgendwelchen Studenten die digitale Weiterbildung der Schüler aufzuerlegen, ist praxisfern. Wo das sinnvoll geht, da wird es längst gemacht. Wir haben bereits Studierende bzw. FSJler, die genau das machen.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Dann geht es ja doch!)

Ich zitiere sie weiter: Ich sehe darin aber auch nichts Neues. Schulen in Niedersachsen können auch jetzt schon Verträge mit Studierenden machen. Es gibt also diese Form der Unterstützung bereits da, wo es in den Ländern nicht verhindert wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich hatte es gerade schon erwähnt: In der KMK haben die A-Länder genau dieses Programm vorgeschlagen. Sie wissen, was dabei rausgekommen ist. Da wäre noch mehr möglich gewesen, wenn die B-Länderseite, der sich die FDP zugehörig fühlt, nicht gebremst hätte.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch einen weiteren Punkt erwähnen, weil Sie die Studierenden angesprochen haben. Als Wissenschaftspolitikerin hat es mich überrascht, dass in dem Antrag die FDP auf Bundesebene vorschlägt, den Hochschulen vorzuschreiben, für welche außerschulischen Leistungen sie bei den Aktivitäten Leistungspunkte vergeben sollen.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Das steht nicht im Antrag drin! Bitte genau lesen!)

Meines Wissens gibt es derzeit keinen Wissenschaftsminister der FDP, aber die Wissenschaftspolitik, die ich zum Beispiel unter Minister Pinkwart in NRW wahrgenommen hatte, hinterließ bei mir eher den Eindruck, dass er sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hätte, dass Social Credit Points auf Bundesebene festlegt werden.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Das steht nicht im Antrag!)

Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen in den Hochschulen schon mal die Diskussion um Credit Points geführt hat. Das ist ein nicht ganz unterkomplexes Thema; da muss man auch darüber sprechen, wie dabei Qualität gesichert werden kann und wie Missbrauch verhindert wird.

Was Ihr Antrag aber sehr deutlich macht: Sie schlagen vor, dass diejenigen, die es sich leisten können, auf diese Weise tätig zu werden, dafür Leistungspunkte erhalten. Diejenigen aber, die Geld verdienen müssen, verrichten zwar die gleiche Tätigkeit, erhalten aber keine Leistungspunkte dafür, sondern sollen bezahlt werden. Das, meine Damen und Herren, ist Politik, die die soziale Spaltung par excellence fort- und vorführt.

(Beifall bei der SPD)

Darum, meine Damen und Herren, ist uns sehr bewusst, dass die Coronapandemie Familien und Lehrkräfte im ganzen Land vor unbekannte enorme Herausforderungen stellt.

(Zuruf von der FDP: Was machen Sie denn dagegen?)

Sie brauchen in den Schulen klar kommunizierte Perspektiven und Unterstützung, damit der Schulbetrieb wieder ordentlich anlaufen kann. Wir brauchen individualisierte Unterstützung durch Fachkräfte, die am besten im Zusammenspiel zwischen Schule, Ganztag und Jugendhilfe funktioniert.

Dazu hat die SPD-Fraktion im Landtag NRW gerade einen Antrag eingereicht. Ich bin gespannt, wie viel davon in Nordrhein-Westfalen unter der Schulministerin Gebauer überhaupt umgesetzt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Kein Vorschlag der SPD! Da war Kollege Rossmann deutlich weiter!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7504841
Wahlperiode 19
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Hilfe im Corona-Schuljahr durch Studierende
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