Lars CastellucciSPD - Direkte Demokratie auf Bundesebene
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Demokratie ist unsere Staatsform. Sie ist auch unsere Lebensform, und sie beruht darauf, dass wir uns als Menschen, als gleichwürdige Menschen, begegnen. Und Fraktionen, die hier regelmäßig mit Hassreden und mit Abwertung von Menschen und Gruppen auffallen, sollten sich Anträge zum Thema Demokratie einfach sparen.
(Beifall bei der SPD)
Es ist gesagt worden, dass außer der Union jede Fraktion hier in diesem Hohen Haus bereits Anträge zum Thema „direkte Demokratie“ eingebracht hat. Aber die Stimmen sind kritischer geworden.
Frau Christmann, das muss ich Ihnen jetzt schon sagen – ich habe das gerade noch mal nachgelesen –: Der Begriff der Volksbegehre, der Volksentscheide ist aus dem grünen Grundsatzprogramm rausgeflogen.
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch, Herr Kollege!)
Sie haben das mit Mehrheit abgelehnt und stattdessen eine weiche Formulierung gefunden, dass Sie allgemein für Beteiligungsmöglichkeiten sind. Das ist sehr wohl ein Unterschied.
(Beifall bei der SPD)
Aber ich will Ihnen auch sagen, dass die Stimmen natürlich auch über die Fraktion der Grünen hinaus kritischer werden. Das hängt damit zusammen, dass wir alle den Brexit irgendwie in den Knochen haben und dass es Sorgen um ein Anwachsen des Populismus gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen nicht zulassen, dass die Vertrauensbeziehung zu den Bürgerinnen und Bürgern durch Populisten und durch Rechtsextremisten gestört wird.
(Beifall bei der SPD)
Kollege Castellucci, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Christmann zu?
Ja, selbstverständlich.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass sie meine Zwischenfrage zulassen. – Sie haben mich direkt angesprochen. Es geht um das Grundsatzprogramm der Grünen, in dem der von mir vorhin schon zitierte Satz steht, dass direkte Beteiligungsmöglichkeiten die repräsentative Demokratie bereichern. Wir bekennen uns dort auch sehr umfassend mit einer sehr ausführlichen Darstellung verschiedener Möglichkeiten dazu, dass wir verschiedenste Instrumente dafür für notwendig halten.
Ich finde, das ist immer ein bisschen die Schwäche der Debatte, wenn wir nur sagen: Volksentscheide sind ein wichtiges Mittel. Dazu stehen wir, aber es gibt natürlich noch viel mehr Mittel. Bürger/-innenräte habe ich schon genannt. Mehr Transparenz – wir alle warten seit Ewigkeiten auf ein Lobbyregister. All das sind wichtige Elemente für eine lebendige Demokratie, für die in dieser Legislatur nichts passiert ist.
Ich möchte Sie zum Abschluss fragen, ob Ihnen denn bekannt ist, was ich vorhin erwähnt habe, nämlich dass im Koalitionsvertrag die Einsetzung einer Expertenkommission für mehr Beteiligung vorgesehen war, dass diese Expertenkommission in dieser Legislatur aber nicht eingesetzt worden ist. Deswegen frage ich mich, wie Sie dazu kommen, uns da zu kritisieren, wenn es doch die GroKo war, die in dieser Legislatur nichts für eine lebendige Demokratie getan hat. Oder irre ich mich da? Habe ich etwas verpasst?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Christmann. – Da irren Sie sich. Sie sind ja eine Partei, die sehr stolz ist auf die zivilgesellschaftlichen Grundlagen, die Ihre Partei hervorgebracht haben. Ich rate Ihnen: Lesen Sie mal die Stellungnahmen des Vereins Mehr Demokratie! Ich sage nur: bittere Enttäuschung über die wachsweiche Formulierung, die Sie in Ihrem Grundsatzprogramm gefunden haben.
(Beifall bei der SPD)
Sie haben insbesondere in dem Kapitel, in dem es um die bundesweiten Beteiligungsmöglichkeiten geht, eben keine Hinweise mehr auf bundesweite Volksentscheide. Jeder kann öffentlich im Internet nachvollziehen, wie die Debatten waren. Es waren harte Debatten. Sie sollten jetzt hier dazu stehen, zu welchen Entscheidungen Sie auf ihrem Bundesparteitag gekommen sind. Ich glaube, das wäre ein Beitrag zu Transparenz und Ehrlichkeit. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Sie haben auch die weiteren Beteiligungsmöglichkeiten angesprochen. Da muss ich Ihnen sagen: Wir sind sehr dafür, insbesondere für die Bürger/-innenräte, von denen Sie gesprochen haben. Aber klar ist auch: Beteiligungsformen informeller Art sind erstens kein Ersatz für diese Parlamente, und sie sind zweitens auch kein Ersatz für direktdemokratische Verfahren. Wir müssen auch dafür sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Energie, die sie da einbringen, sinnvoll und effektiv einbringen können. Es hat zuletzt einen Bürger/-innenrat zum Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“ gegeben. Dieser Bürger/-innenrat war ein Experiment; das wird evaluiert. Ich schätze das wert, aber er war in keiner Weise vernetzt oder verknüpft mit irgendeinem weiteren Vorgang oder Prozess, den wir hier politisch haben.
Ich sage Ihnen mal, was eine gute Idee gewesen wäre: die Pandemiepolitik durch einen Bürger/-innenrat begleiten zu lassen. Das hätte zu einer Bildung von Vertrauen in unsere Politik beigetragen. Stattdessen lässt man irgendwelche abseitigen Diskussionen führen, bei denen nichts herauskommt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem Gesetzentwurf wird im Begründungsteil Willy Brandt erwähnt. Willy Brandt prangte schon auf Plakaten der AfD in Brandenburg. Sie haben versucht, mit ihm Wahlkampf zu machen. Ich finde das infam, und ich weise diese Vereinnahmung auf das Schärfste zurück.
(Beifall bei der SPD)
Willy Brandt ging es 1969 in seiner Regierungserklärung um „mehr Demokratie wagen“, um die Menschen zur Mitverantwortung zu gewinnen. Es ging um ein Miteinander. Sie hingegen wollen diese Instrumente zur Aufhetzung. Das lehnen wir mit allem Nachdruck ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7505069 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 213 |
Tagesordnungspunkt | Direkte Demokratie auf Bundesebene |