26.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 25

Marc JongenAfD - Aufarbeitung der deutschen Kolonialherrschaft

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die deutsche Kolonialzeit, eine einzige bisher verdrängte Verbrechensgeschichte.

(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Dieses Fazit drängt sich auf, wenn man die vorliegenden Anträge der Altparteien liest. Es herrscht unter Ihnen ein regelrechter Überbietungswettbewerb in nationaler Selbstbezichtigung und im Ruf nach umfassender Aufarbeitung. Gefordert werden unter anderem eine Gedenkstätte für die Opfer der deutschen Kolonialverbrechen, eine Stiftung, die sich diesen Verbrechen widmet, die Überprüfung aller Bundesministerien auf Nachwirkungen kolonialrassistischer Denkmuster, ein nachdrücklicher Mentalitätswandel in deutschen Museen in Bezug auf die kolonialen Sammlungen, und das heißt wohl, wie wir es eben gehört haben, umfassende Restitution, usw. usf.

Um den sachgemäßen Umgang mit den Museumsbeständen geht es dabei am allerwenigsten. Diese sind nur der Anlass für ein großes Umerziehungsprojekt der deutschen und europäischen Gesellschaft,

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine Geschichtsklitterung!)

die, wie es der Linken-Antrag ausdrückt, „rassistisch sozialisiert“ sei.

Gemäß der Ideologie des Postkolonialismus sind die „Gesellschaftsstrukturen, Lebensrealitäten, Kunst und Kultur“, alles bis in die Sprache hinein geradezu durchseucht von kolonialen Kontinuitäten und müssen davon mit deutscher Gründlichkeit gereinigt werden. Wie das aussehen könnte, konnte man jüngst an einer Mitarbeiterschulung des Coca-Cola-Konzerns in den USA beobachten mit dem Titel: Be less white – sei weniger weiß. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, weniger arrogant und selbstsicher zu sein. Sie sollten bescheidener sein und zuhören und mit weißer Solidarität brechen.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Was ist falsch daran? – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie mal die Coca-Cola-Schulung!)

Es fehlte nur noch die Anordnung, den Arbeitstag mit zehn Minuten Selbstgeißelung zu beginnen als Sühne für die Kolonialverbrechen der Vorfahren. Das ist nichts anderes als antiweißer Rassismus, dem auch Ihre Anträge implizit frönen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: So eine Coca-Cola-Schulung würde Ihnen nützen, Herr Jongen!)

Das Ganze ist natürlich höchst interessant als psychopolitisches Phänomen. Wie kommt so viel kultureller Selbsthass zustande? Wie entstehen und wem nützen derartige Selbstbezichtigungsmechanismen? Ihre Anträge, werte Altparteien, führen mustergültig vor, was die Migrationsforscherin Sandra Kostner identitätslinke Läuterungspropaganda genannt hat. Diese legt fest, „wer Ansprüche an die Gesellschaft stellen darf“ und – vor allem – „wer diese zu erfüllen hat“. Die gebildete weiße Mittelschicht muss sich jetzt als privilegiertes Täterkollektiv bezeichnen lassen und verliert an moralischem Prestige gegenüber den angeblich unterdrückten Minderheiten, sprich: den Opfern. Sie kann aber – und das ist das Entscheidende – diesen Prestigeverlust überkompensieren, indem sie sich in Bußritualen übt und sich scheinbar selbstlos für die ehemaligen Opfergruppen einsetzt. So entstehen „Opferentrepreneure“, um noch mal Sandra Kostner zu zitieren, die von den nur scheinbar unterwürfigen Schuldbewirtschaftern als solche erst kollektiv definiert werden. Beide gemeinsam partizipieren an einer politischen Macht, die sich vom hypermoralischen Ross herab auf Kosten der Mehrheitsgesellschaft entfaltet. Ich sage das vor allem in Richtung der CDU, weil ich mir nicht ganz sicher bin, ob Sie dieses Spiel verstanden haben.

Und in Richtung der linken Hälfte dieses Hauses sage ich: Sie können uns weiter hier mit Ihren Krokodilstränen und Ihrer Betroffenheitsrhetorik traktieren. Seien Sie versichert, dass wir Ihr Spiel durchschaut haben und die Machtinteressen hinter Ihrem Versuch der moralischen Nötigung erkennen.

(Beifall bei der AfD – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Ihr seid so schlau!“)

Unser vorliegender Antrag – ich komme zum Schluss – fordert einen Stopp der Rückgabe von kolonialem Sammlungsgut bis auf wenige wohlbegründete Ausnahmefälle. Menschliche Überreste – Frau Grütters, keine Frage –, auch symbolisch wichtige Objekte für das jeweilige Land, hierüber kann man sprechen. Aber generell fordern wir einen Stopp, und zwar nicht weil es in der Kolonialzeit keine Verbrechen gegeben hätte – die hat es sehr wohl gegeben –, sondern weil unsere Museen heute Rechtssicherheit brauchen

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Aha!)

und weil es diese musealen Objekte nicht verdient haben, als Faustpfand identitätslinker Machtpolitik missbraucht zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Gabriele Katzmarek [SPD]: Da muss sogar Herr Baumann lachen!)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Helge Lindh.

(Beifall bei der SPD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7505143
Wahlperiode 19
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Aufarbeitung der deutschen Kolonialherrschaft
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