04.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 215 / Zusatzpunkt 3

Sabine DittmarSPD - Epidemische Lage von nationaler Tragweite

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast genau vor einem Jahr musste das Parlament erstmals eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellen. Wir haben damals in Verbindung mit dem Ersten Bevölkerungsschutzgesetz wichtige gesetzliche Regelungen getroffen, um flexibel und schnell auf die Entwicklungen der SARS-CoV-2-Epidemie reagieren zu können.

Wir haben die pandemiebedingten Regelungen im lnfektionsschutzgesetz damals für ein Jahr befristet. Dies geschah in der Annahme, dass Corona heute schon längst der Vergangenheit angehören würde.

(Enrico Komning [AfD]: Hat ja richtig gut geklappt!)

Leider ist das nicht der Fall. SARS-CoV-2 hält weiterhin die Welt in Atem, mit fast 150 Millionen Erkrankten und 2,5 Millionen Todesfällen.

(Stephan Brandner [AfD]: Gutes Wortspiel: „Corona hält die Welt in Atem“!)

Auch in Deutschland gibt es keine Entwarnung. Nach einem erfreulichen Rückgang der Zahl der Neuinfektionen befinden wir uns seit Mitte Februar in einer Seitwärtsbewegung auf einem sehr hohen Niveau mit steigender Tendenz. Das Virus und mittlerweile maßgeblich die wesentlich infektiöseren Virusmutanten, die in Kürze auch das lnfektionsgeschehen bestimmen werden, erfordern deshalb weiterhin ein konsequentes Handeln von uns allen. Deshalb werden wir heute feststellen, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite weiter besteht.

(Stephan Brandner [AfD]: Das wissen Sie aber nicht!)

Wir werden weiter regeln, dass, wenn nach drei Monaten keine erneute Feststellung erfolgt, diese automatisch als aufgehoben gilt und damit auch alle verbundenen Rechtsverordnungen und Anordnungen ihre Gültigkeit verlieren.

Ich möchte an dieser Stelle eines mal ganz deutlich machen, weil ich in vielen Gesprächen den Eindruck gewinne, dass es immer wieder vermischt wird: Wenn der Bundestag heute das Fortbestehen der epidemischen Lage feststellt, heißt das nicht, dass die zur Bekämpfung von Corona getroffenen Maßnahmen auch auf Dauer fortbestehen.

(Enrico Komning [AfD]: Ha, ha, ha!)

Schritt für Schritt wird zwischen Bund und Ländern über Lockerungsmöglichkeiten und über notwendige und angemessene Einschränkungen beraten werden, und die Länder müssen bei der Umsetzung begründen, dass die Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind. Und hierzu genügt es eben nicht, sich ausschließlich an den Inzidenzwerten zu orientieren. Hier müssen beispielsweise auch der R-Wert, die Belastung des Gesundheitssystems, die Impfquote oder neue Testmöglichkeiten berücksichtigt werden. Das haben wir in dem vorliegenden Gesetzentwurf auch noch einmal ganz deutlich festgestellt.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, ich kann den Wunsch nach Lockerungen gut verstehen; es geht uns ja allen so. Bürgerinnen und Bürger, Gewerbetreibende, Touristiker, Kulturschaffende, wir alle brauchen eine klare Perspektive. Und genau das ist auch die Herausforderung. Denn das Abwägen zwischen Infektionsgeschehen und weiteren Lockerungen, das Für und Wider zwischen Öffnen und Aufrufen zum Durchhalten – es ist und bleibt eine Gratwanderung.

Allerdings kann dieser schmale Grat mittlerweile mit etwas mehr Zuversicht beschritten werden. Denn mit den Impfungen, den Tests und dank der digitalen Kontaktdatenerfassung haben wir neue und bessere Möglichkeiten zur Verfügung. Deshalb bin ich froh, dass die Bund-Länder-Konferenz gestern nicht nur über Öffnungsstrategien, sondern vor allem auch über Impf- und Teststrategien gesprochen hat. Bei der Teststrategie bleiben für mich als Medizinerin allerdings noch einige Fragen offen. Ein Test pro Woche in Schule und Kita kann nur ein Anfang sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße, dass wir nun endlich bei der Impfstrategie weiterkommen. Die große Menge an Impfstoffdosen auf Halde ist für mich völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ein Ausdehnen des Intervalls zwischen erster und zweiter Impfung, ein Abschmelzen der Reserve für die Zweitimpfung und die hoffentlich zügige Anpassung der STIKO-Empfehlung bezüglich des Einsatzes von AstraZeneca sind gute Signale.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage mit allem Nachdruck: Neben einer deutlichen Kapazitätssteigerung in den Impfzentren müssen jetzt sehr zeitnah die Haus- und Facharztpraxen und auch die Betriebsärzte mit in die Impfstrategie integriert werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Ende meiner Rede möchte ich noch auf ein paar wichtige Veränderungen hinweisen, die wir im parlamentarischen Verfahren erreicht haben; auf die rechtlichen Feinheiten wird mein Kollege Fechner eingehen. Für uns als Gesundheitspolitiker war es wichtig, den Pflegeschutzschirm unverändert fortzuführen. Die angedachten Regelungen hätten zu großer Unsicherheit bei den Einrichtungsträgern geführt. Ich hoffe, diese Sorgen haben wir nehmen können. Wir passen auch die Entschädigungsregel im Infektionsschutzgesetz für Eltern, die pandemiebedingt Kinderbetreuung leisten, an die bereits erweiterten Regelungen zum Kinderkrankengeld im Sozialgesetzbuch an. Und wir haben die Prämienzahlung für besonders belastete Pflegekräfte und andere Krankenhausbeschäftigte erheblich ausgeweitet. Hierzu werden 450 Millionen Euro bereitgestellt. Ich denke, die Beschäftigten haben diese Prämie mehr als verdient.

Meine Damen und Herren, insgesamt legen wir Ihnen ein gelungenes Gesetz vor, das im parlamentarischen Verfahren wirklich entscheidende Veränderungen erfahren hat. Ich denke, mit ein bisschen mehr Tempo beim Impfen, einer gut durchdachten Teststrategie

(Stephan Brandner [AfD]: Was macht die Bundesregierung?)

und wenn wir alle weiterhin achtsam und sorgfältig miteinander umgehen, werden wir peu à peu ein Stück Normalität zurückgewinnen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Peu à peu? Ein Jahr lang!)

Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zum Gesetz. Bleiben Sie gesund!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus, FDP.

(Beifall bei der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506001
Wahlperiode 19
Sitzung 215
Tagesordnungspunkt Epidemische Lage von nationaler Tragweite
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