Christoph HoffmannFDP - Aktuelle Stunde - Eskalation der Gewalt in Myanmar
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der brutale und inzwischen blutige Militärputsch vom 1. Februar hat die einen Spalt geöffnete Tür zur Demokratie in Myanmar zugeschlagen. 2008 gab es eine zarte Demokratisierung und damit verbunden Hoffnung für wirtschaftlichen Aufschwung – das alles nach einer dunklen Zeit der 50-jährigen Diktatur. Die Meinungsfreiheit blieb aber auch in dieser Zeit sehr begrenzt. So wurde ein Cartoon über das Militär mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft.
Ich konnte das Land zweimal besuchen – der Kollege Grübel war auch dabei –, und wir haben gesehen, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit dort Projekte zur Dezentralisierung, aber auch zur Förderung der Demokratisierung und wirtschaftlichen Entwicklung installiert hat. Der spontane und nicht abgestimmte Abbruch der Entwicklungszusammenarbeit durch Minister Müller war aus heutiger Sicht sicherlich ein Fehler, weil bis dahin genau die Projekte der Zivilgesellschaft gestärkt wurden, die jetzt um ihr Überleben kämpfen.
Die Menschen in Myanmar waren enttäuscht von einem langsamen Agieren der EU beim Engagement für die Demokratisierung. Dass zu wenige Investitionen aus der EU gekommen sind, war vielleicht auch mit ein Grund dafür, warum die Tür zur Demokratie überhaupt wieder zufallen konnte.
Myanmar hatte alles, um aus der Armut herauszukommen und den Beispielen der anderen ASEAN-Staaten zu folgen: vergleichsweise gute Bildung, englische Sprachkenntnisse, fleißige, ehrliche und liebenswerte Menschen. Aber seit dem Militärputsch sind Millionen Menschen an Protesten beteiligt. Ziviler Ungehorsam und Generalstreik legen das öffentliche Leben lahm.
Von Teilen der NLD, also der siegreichen Partei, wurde inzwischen eine eigene Regierung benannt. Hunderte, wenn nicht Tausende Demonstranten und Journalisten sind in Gefängnisse gesteckt worden. Viele unserer Kollegen in Myanmar – gewählte Abgeordnete wie Sie und ich – wurden direkt unter Hausarrest gestellt.
Die Freien Demokraten bedanken sich an dieser Stelle bei unserem Bundestagspräsidenten Schäuble; denn Herr Schäuble, Sie haben mit Ihrem Brief an den Parlamentssprecher Khun Myatt ein wichtiges Signal gesendet: Gewählte Parlamentarier stehen zusammen. – Herzlichen Dank dafür.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Militär schießt mit scharfer Munition in die Menschenmengen; allein gestern gab es 38 Tote. Es sind junge Frauen und Männer, für die der Traum von Freiheit und Selbstbestimmung brutal mit einem Kopfschuss platzt. Es sind dieselben Militärs, die die Rohingyas im Rakhine State vertrieben haben.
Die internationalen Reaktionen auf den Putsch sind eindeutig: Gewalt wird verurteilt, die Freilassung der politischen Gefangenen wird gefordert, und Einzelpersonen werden bereits durch die USA und die EU sanktioniert; deren Vermögen wird eingefroren. Das ist gut so, doch das reicht nicht. Wir müssen mehr machen und dem Militär zeigen: Ihr seid nicht die Zukunft, und ihr seid nicht Myanmar.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ein Generalstreik, Herr Maas, lässt sich nicht ewig durchhalten. Deshalb brauchen wir schnelle neue Sanktionen.
Als ersten Schritt würde ich vorschlagen, den Militärattaché hier in Berlin zusammen mit der Botschafterin einzubestellen, um die Möglichkeiten eines Dialogs zwischen den beiden Parteien auszuloten. Es sollte aber auch Klartext gegenüber den Militärs gesprochen werden, und Sie sollten dringend ein UN-Waffenembargo vorantreiben und die ASEAN-Staaten bei der Vermittlung unterstützen. Das hatten Sie ja angedeutet. – Vielen Dank dafür.
Der zweite Schritt: Wir sollten konsequent sein und der Militärregierung die Anerkennung auf internationaler Bühne verweigern. Lassen Sie uns die demokratisch gewählte Regierung weiterhin als die einzige Vertretung des Volkes anerkennen!
Der dritte Schritt sind Wirtschaftssanktionen, eng abgestimmt mit unseren amerikanischen Freunden; denn viele Firmen im Rohstoffsektor, in der Logistik und mit Finanzdienstleistungen gehören dem Militär und finanzieren es damit. Damit würden wir die Generäle genau dort treffen, wo es ihnen wirklich wehtut, nämlich bei den Finanzen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist auch aus einem anderen Grund Eile geboten, Herr Maas oder Herr Borrell: Es gibt 20 bewaffnete ethnische Minderheiten im Land, und sie werden sich bei weiterer Eskalation den Demonstranten anschließen. Das bedeutet Bürgerkrieg und das völlige Abdriften ins Chaos – ja, vielleicht den Untergang des gesamten Staates.
Heute, meine Damen und Herren, verneigen wir uns vor den Opfern, die im Kampf für Freiheit gefallen sind. Wir trauern mit dem Volk von Myanmar. People of Myanmar, we’ll stand by you!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Abgeordnete Sevim Dağdelen.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 215 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Eskalation der Gewalt in Myanmar |