04.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 215 / Zusatzpunkt 11

Lothar MaierAfD - Aktuelle Stunde - Eskalation der Gewalt in Myanmar

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kann ich mir zum Einstieg nicht verkneifen: Zwei Fraktionen dieses Hauses beantragen für diese Stunde eine Aktuelle Stunde zu der Frage, ob bestimmte politische Entscheidungen in diesem Hause durch Machenschaften beeinflusst worden sind, ob es mutmaßlich Korruption in der zahlenmäßig stärksten Fraktion in diesem Hause gibt oder nicht. Und was macht die Koalition? – Sie verschiebt diese Debatte auf morgen, 18 Uhr, auf Freitagabend, wo garantiert niemand mehr zusieht und wo in diesem Hause nur noch relativ wenige da sein werden, weil sie sonst zu ihren entfernten Wohnorten nicht mehr nach Hause kämen.

(Beifall bei der AfD)

Über Korruption soll hier nicht geredet werden; das ist der eigentliche Skandal, und das ist auch das einzig Aktuelle an dieser Aktuellen Stunde.

(Beifall bei der AfD)

Stattdessen reden wir nun eben über Myanmar; und von dort kommen schlechte Nachrichten.

(Johann Saathoff [SPD]: Über Menschen reden wir auch!)

Nach einem demokratischen Interregnum hat das Militär dort wieder die Macht übernommen. Eine brutal niedergeschlagene Demonstration in der Hauptstadt hat zu 38 Toten geführt – eine furchtbare Zahl. Das muss verurteilt werden; das steht vollkommen außer Frage.

Aber man muss sich auch fragen: Wie ist es dazu gekommen? Dazu braucht man einen Blick in die neuere Geschichte von Myanmar. Es ist ein Vielvölkerstaat, zusammengesetzt aus vielen Völkerschaften. Die Birmanen sehen sich zwar als Staatsvolk, aber sie sind eben nur eines von vielen. Es ist ein schwieriges Erbe der Kolonialzeit, das Myanmar zu tragen hat. Es hat dazu geführt, dass die Briten seinerzeit die Völkerschaften dieses Landes gegeneinander ausgespielt haben. Sie haben die Birmanen unterdrückt, dagegen die Völker des Nordostens, insbesondere die Shan, die Kachin in ihren alten Herrschaften belassen und sie gegen die Birmanen ausgespielt. Nach der Staatsgründung 1958 hat es jahrzehntelange Kämpfe gegen separatistische Bestrebungen gegeben, insbesondere in der Kachin-Region, die ja mehrheitlich christlich strukturiert ist. Daher führte auch die Erklärung des Buddhismus zur Staatsreligion unter der Regierung U Nu schon vor Jahrzehnten zu zusätzlichen Konflikten, nicht nur mit den Kachin, sondern auch mit den muslimischen Rohyngias.

Es hat immer wieder – das ist von den Vorrednern auch schon gesagt worden – Interventionen Chinas in die inneren Verhältnisse von Myanmar und in gewissem Umfang auch in die Angelegenheiten von Thailand gegeben. Die Thailänder haben allerdings in der Vergangenheit ihre eigenen Erfahrungen mit den Burmesen machen müssen, die in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder mit ihren Armeen in Thailand eingefallen sind und sich dort furchtbar aufgeführt haben.

Deswegen sieht sich das Militär in Burma oder in Myanmar – wie immer man es nennen mag – als Garant der nationalen Einheit. Es sieht sich zum Regieren gewissermaßen legitimiert. Diesen Anspruch hat es im Zuge der Verfassungsänderung von 2008 auch durchsetzen können: 25 Prozent der Sitze im Parlament sind für das Militär reserviert, auch bestimmte einflussreiche Ministerposten. Die führenden Militärs haben sich ziemlich ungeniert persönlich bereichert. Gegen das Militär kann dort praktisch niemand regieren.

Das hätte man vielleicht hinnehmen können, wenn das birmanische Militär seine Herrschaft als eine Entwicklungsdiktatur verstanden hätte. Das war es aber nicht. Es war eine Stagnationsdiktatur, und das ist es immer noch. Wenn man den Lebensstandard in Myanmar heute mit dem im benachbarten Thailand vergleicht – es sind zwei sehr ähnlich strukturierte Völker –, dann ist es deprimierend, zu sehen, wie schlecht es den Birmanen, den Völkern von Myanmar, geht.

Myanmar hat seit ungefähr 2012 eine politische und wirtschaftliche Öffnungsstrategie erlebt, aber eine Demokratie im europäischen Sinne ist nicht entstanden. Es entstand eine sogenannte disziplinierte Demokratie – ein Ausdruck, auf den wahrscheinlich nur Militärs kommen können. Aber man muss sich auch fragen: Muss eine parlamentarische Demokratie nach dem Vorbild Europas das eigentliche Ziel unserer Intervention sein? Muss überall alles genau nach dem europäischen Muster strukturiert sein? Ich denke, das sollte man nicht einem europäischen Moralkolonialismus überlassen.

(Beifall bei der AfD)

Sanktionen, wie sie von der EU geplant sind, treiben Myanmar noch mehr in die Abhängigkeit von China. Ich meine, unsere Leitlinie muss sein, die demokratischen Kräfte in diesem Land zu stärken und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Das Erste fordert die Zusammenarbeit mit den Oppositionsparteien in Myanmar, das Zweite fordert aber auch die Zusammenarbeit – im entwicklungspolitischen Sinne – mit der Verwaltung.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Jürgen Hardt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506098
Wahlperiode 19
Sitzung 215
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Eskalation der Gewalt in Myanmar
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