04.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 215 / Tagesordnungspunkt 12

Sarah Ryglewski - Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fall Wirecard hat gezeigt, dass das bisherige System der Bilanzkontrolle börsennotierter Unternehmen und deren Abschlussprüfung in Deutschland verbessert werden muss.

Mit dem Aktionsplan zur Bekämpfung von Bilanzbetrug und zur Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte hat Bundesminister Olaf Scholz schon im Oktober deutlich gemacht, dass wir entschlossen und schnell Konsequenzen aus dem Fall Wirecard ziehen wollen. Der im Dezember vorgelegte Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität, den wir hier heute beraten, ist ein wesentlicher Schritt, damit sich der Fall Wirecard nicht wiederholt.

Worum geht es konkret?

Erstens. Wir brauchen eine Neuaufstellung der Bilanzkontrolle. Die Erfahrung mit Wirecard hat gezeigt: Die Bilanzkontrolle muss insgesamt schneller, transparenter und auch effektiver werden. Wo Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bestehen, müssen wir sofort hoheitlich tätig werden können, und wir müssen auch die Prozesse deutlich beschleunigen. Anlass- und Verdachtsprüfungen sollen daher grundsätzlich in die alleinige Zuständigkeit der BaFin fallen. Wir wollen die Durchgriffsrechte der BaFin insgesamt stärken, sodass sie auch in der Bilanzkontrolle forensisch ermitteln kann.

(Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die machen doch Versteckspiele!)

Zweiter Punkt. Die Abschlussprüferinnen und Abschlussprüfer tragen in dem System der Kontrolle eine hohe Verantwortung. Dieser – das möchte ich ausdrücklich betonen – werden sie in der absoluten Mehrheit auch gerecht. Dass sie dieser hohen Verantwortung gerecht werden, ist in unserem Aufsichtsregime aber auch zwingend notwendig. Alle Marktakteure bis hin zum Kleinanleger müssen sich auf die geprüften Jahres- und Konzernabschlüsse verlassen können. Dieses Vertrauen – das hat der Fall Wirecard gezeigt – hat gelitten. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir dieses Vertrauen wiederherstellen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Mit verschärften Rotationspflichten und einer strikteren Trennung von Prüfung und Beratung wollen wir nicht nur Interessenkonflikte oder auch nur den Anschein von Interessenkonflikten vermeiden, sondern wir wollen auch durch den häufigeren frischen Prüferblick die Qualität der Prüfungen verbessern.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist die Erhöhung der Haftungshöchstgrenzen und die Abschaffung des Haftungsprivilegs bei grober Fahrlässigkeit.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Sehr gut!)

Damit wollen wir ebenfalls verlorengegangenes Vertrauen wiederherstellen, aber auch zusätzliche Anreize für eine qualitativ hochwertige Prüfung geben.

(Beifall bei der SPD)

In den meisten Fällen wird das nicht notwendig sein; das wissen wir. Die meisten Prüfer prüfen gewissenhaft. Aber wir halten es doch für angemessen, dass in den Fällen, wo tatsächlich – und das ist die Definition von „grober Fahrlässigkeit“ – einfache und offenkundig grundlegende Regeln nicht beachtet wurden und Schaden in Kauf genommen wird, eben auch ein wirtschaftlicher Anreiz besteht, genauer hinzuschauen. Das ist insbesondere auch im Sinne all derer, die einen ordentlichen Job machen.

Drittens. Wir wollen neben den Durchgriffsrechten für die BaFin und den Regeln für die Abschlussprüfer auch die internen Kontrollsysteme in den Unternehmen verbessern, zum Beispiel durch einen verpflichtenden Prüfungsausschuss. Wir wollen verhindern, dass sich Einzelne, wie im Fall Wirecard geschehen, mit kriminellem Verhalten ein Unternehmen zur Beute machen.

Natürlich bringen wir noch weitere Reformen auf den Weg. Für einen integren und damit attraktiven Finanzplatz Deutschland brauchen wir auch eine gut aufgestellte, moderne und schlagkräftige Finanzaufsicht. Wir schieben den Handelsaktivitäten der einzelnen Mitarbeiter der BaFin einen Riegel vor. Ich glaube, auch das stärkt Vertrauen. Wir stärken die Rolle des Präsidenten, der damit aber natürlich – auch das muss uns allen klar sein – mehr Verantwortung bekommt, und wir möchten das Säulendenken innerhalb der BaFin durchbrechen durch eine abteilungsübergreifende Taskforce und eine stärkere datengetriebene Aufsicht.

(Beifall bei der SPD)

Auch hierzu werden wir weitere Vorschläge unterbreiten, und ich freue mich auch schon auf die weiteren Diskussionen. Ich bin der Union auch sehr dankbar für das Positionspapier, das sie eingebracht hat. Ich nehme das einmal als Signal dafür, dass wir alle zusammen hier gut und angeregt diskutieren wollen, aber auch als Signal dafür, dass wir nicht nur gründlich beraten wollen, sondern dass uns allen auch bewusst ist, dass wir möglichst zügig beraten sollen. Denn der Finanzplatz Deutschland braucht Vertrauen, und das bekommen wir, wenn wir schnell Klarheit schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Abgeordnete Kay Gottschalk.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506108
Wahlperiode 19
Sitzung 215
Tagesordnungspunkt Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz
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