05.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 216 / Tagesordnungspunkt 25

Martina Stamm-FibichSPD - Impfmanagement

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Manchmal fällt es schwer, den Einstieg zu finden. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in diesem Haus bereits mehrfach über die Impfkampagne gegen Covid-19 gesprochen. Seit dem letzten Mal hat sich allerdings etwas verändert, sodass wir das Thema heute unter umgedrehten Vorzeichen diskutieren müssen.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Ja, so mancher reibt sich verwundert die Augen: Aus einer Knappheit an Impfstoff ist innerhalb von zwei Wochen ein Überfluss an Impfstoff geworden. Stand gestern sind an die Länder knapp 9 Millionen Impfstoffdosen ausgeliefert worden. Das bedeutet, dass nach Abzug der zurückgehaltenen Impfdosen noch immer 1 Million Impfdosen in den Kühlschränken der Länder lagern. Aktuell werden rund 200 000 Menschen pro Tag geimpft, und wir erwarten in den nächsten Wochen Lieferungen von jeweils 2 Millionen Impfdosen pro Woche.

Wenn man die Zahlen zusammennimmt, dann kann man sich schon mal die berechtigte Frage stellen, wieso das Ministerium davon ausgeht, dass die Zahl der Impfdosen erst im April die Impfkapazität der Zentren übersteigt.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das meine ich auch!)

Mir scheint, dass das bereits jetzt der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hätten Sie doch die Länder gefragt!)

Ansonsten fällt es mir schwer, eine Erklärung dafür zu finden, weshalb aktuell – und ich sage es noch einmal – über 1 Million Impfdosen in den Kühlschränken der Länder liegen. Ich kann dann auch die vielen Bürgerinnen und Bürger verstehen, die aktuell Kontakt zu meinem Büro aufnehmen und sich über die Zustände wundern. Und viele von ihnen würden gerne, obwohl sie nicht priorisiert sind, den Impfstoff nehmen, der übrig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ganz ehrlich: Ich wundere mich. Wenn die zeitnahe Impfung jetzt schon nicht hinhaut, wie soll die Situation dann aussehen, wenn der Impfstoff von Johnson & Johnson noch dazukommt?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das müssen Sie die Länder fragen!)

Jetzt haben sich aus der Verwunderung heraus noch keine Probleme von selbst gelöst. Was muss jetzt also folgen, damit sich die Situation zeitnah entscheidend verbessert?

Erstens müssen die Länder dafür sorgen, dass alle Kapazitäten wirklich voll ausgeschöpft werden.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Richtig!)

Es darf nicht sein, dass beispielsweise ältere Menschen aus Mobilitätsgründen nicht geimpft werden. Wer selbst nicht zum Impfzentrum kommt, der muss eben abgeholt werden.

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Wenn Termine abgesagt werden, dann muss es ein flexibles Terminmanagement geben, das die Neuvergabe der Termine verlässlich regelt. Das kann eine Software sein, wie es etwa in Duisburg der Fall ist. An Softwarelösungen mangelt es in diesem Land nicht. Zur Not kann ich mir aber auch Lösungen vorstellen, die analog zur Personalaufstockung bei der Kontaktverfolgung in den Gesundheitsämtern funktionieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann müssen wir eben wieder Bundeswehrsoldaten oder Studierende bitten, Telefonlisten abzuarbeiten. In unserer derzeitigen Situation muss uns alles recht sein, um die Zahl der Impfungen zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Jede Region ist anders, deshalb brauchen wir flexible Lösungen; das wissen wir alle. Es gibt kein Schema F. Wir haben den Ländern genug Freiraum gegeben, um vor Ort nach individuellen Lösungen zu suchen. In vielen Regionen klappt das auch gut. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass mancherorts eher eine Verwaltungsmentalität zu herrschen scheint, die ein dynamisches Reagieren auf die aktuellen Herausforderungen eher behindert. Damit muss Schluss sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn bereits jetzt abzusehen ist, dass die Kapazitäten trotz alledem weiterhin nicht ausreichen – wovon ich ausgehe und viele andere auch –, dann darf die Lösung auch eine Nummer größer sein. Da reicht ein Blick in unsere Nachbarländer. Dort kann man sich 24 Stunden, 7 Tage die Woche impfen lassen, und da impft man auch schon mal in einem Stadion. Wenn es politisch gewollt ist, geht viel in diesem Land. Man muss es nur wollen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Jawohl!)

Zweitens muss jetzt endlich die Ausweitung der Impfkampagne auf die niedergelassenen Ärzte erfolgen. Wir haben in Deutschland über 50 000 niedergelassene Hausärzte, die schnellstmöglich in die Impfstrategie mit eingebunden werden müssen. Ich befürworte daher ausdrücklich, dass die Hausärzte ab Mitte März durch die Länder beauftragt werden können, und mahne gleichzeitig an, dass das auch wirklich geschieht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn bürokratische Kleinkariertheit und Diskussionen über Vergütungen, digitale Impferfassung, seitenlange Dokumentationen oder Sonstiges zu weiteren Verzögerungen führen, dann wäre das für alle Beteiligten peinlich.

Zum Abschluss noch zwei Punkte zum Antrag der FDP. Wann und in welcher Größe die Lieferung der Impfstoffe in die Logistikzentren der Länder erfolgt, ist den Landesbehörden bekannt. Die Verteilung aus den Logistikzentren in den Ländern erfolgt dann nach strategischen Gesichtspunkten, welche die Länder selbst festlegen, und das ist auch gut so. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine bundeseinheitliche Meldeplattform dazu beitragen soll, hier bessere Abläufe zu schaffen. Es liegt letztendlich in der Hand der Länder, mit den einzelnen Städten und Landkreisen klar zu kommunizieren.

Ebenfalls schleierhaft ist mir, wie ein nationales Impfportal bei der regionalen Vergabe von Impfterminen behilflich sein soll. Ich bin ja froh, dass die Terminvergabe sich jetzt so langsam eingependelt hat. Jetzt noch ein System einzuführen und alle anderen ersetzen zu wollen bzw. dafür zu sorgen, dass das System migrationsfähig ist, halte ich auch vor dem Hintergrund, dass die Zeit knapp ist, für absolut utopisch.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Bayern macht es aber! – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Also aufgeben?)

Wenn wir eines zum jetzigen Zeitpunkt nicht gebrauchen können, dann ist es noch mehr Verwirrung, noch mehr Bürokratie und noch mal eins drauf, um das, was gerade anfängt, zu funktionieren, zu zerstören. Wir lehnen den Antrag ab.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir auch!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Jetzt erhält das Wort der Kollege Dr. Achim Kessler, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506453
Wahlperiode 19
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Impfmanagement
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