Achim KesslerDIE LINKE - Impfmanagement
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Wir bleiben dabei: Es muss schnellstmöglich Impfangebote für alle geben, um das Virus und seine neuen Varianten einzudämmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zusammen mit ausreichend Testmöglichkeiten ist das die zentrale Voraussetzung für sichere Öffnungen. Ich fordere die Bundesregierung deshalb auf, endlich alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Produktion von Impfstoffen, aber auch von Schnelltests zu erhöhen.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber zur erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie reicht es nicht aus, alle Menschen in Deutschland zu impfen. Wir müssen auch an die Menschen in den europäischen Nachbarländern denken. Ja, wir müssen weltweit denken und handeln,
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
sonst warten die Menschen in den Ländern des Globalen Südens noch jahrelang auf Impfstoffe, und das Virus kommt in Form von Mutationen zu uns zurück. Schon jetzt gibt es Varianten des Virus, gegen die die vorhandenen Impfstoffe nicht ausreichend schützen. Deshalb müssen jetzt endlich alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Ausweitung von Impfungen voranzutreiben. Dazu gehören auch – ich wiederhole es gerne – die Freigabe der Lizenzen und der entsprechende Technologietransfer.
(Beifall bei der LINKEN)
Bis Mitte Februar wurden weltweit 138 Millionen Impfdosen verabreicht – über drei Viertel davon, nämlich 100 Millionen Impfdosen, in den 10 reichsten Ländern. Dagegen haben 130 Länder mit insgesamt 2,5 Milliarden Menschen keine einzige Dosis erhalten. Meine Damen und Herren, das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Anfang dieser Woche hat die Generalversammlung der Welthandelsorganisation über den Antrag Südafrikas und Indiens beraten, den Patentschutz für Coronaimpfstoffe auszusetzen, solange die Pandemie andauert. Der Antrag wird von über 100 Regierungen und dem Generalsekretär der Weltgesundheitsorganisation unterstützt. Mit Deutschland und den übrigen EU-Ländern wäre die erforderliche Zweidrittelmehrheit möglich. Ich fordere die Bundesregierung auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben – im Interesse der Menschen in den armen Ländern, aber auch in unserem eigenen Interesse.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir hören aus vielen Bundesländern, dass es Probleme mit der Vergabe von Impfterminen und mit der Verteilung der Impfstoffe gibt. Die FDP schlägt in ihrem Antrag eine softwaregestützte Lösung vor, um die Lieferungen mit der Vergabe von Impfterminen zu koordinieren. Es stimmt: Wir brauchen bessere Schnittstellen zwischen den verschiedenen Softwaresystemen, die die Bundesländer und die Bundesregierung beim Impfmanagement nutzen. Es sollte ebenso eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle Impfzentren Softwarelösungen erhalten.
Aber der Antrag der FDP geht wie fast immer am Kern des Problems vorbei; denn die Probleme der Impfzentren bei der Organisation der Impfungen verweisen auf ein viel grundsätzlicheres Problem, nämlich auf den jahrzehntelangen Staatsabbau, den CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP in wechselnden Regierungskoalitionen gemeinsam durchgesetzt haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, durch die Pandemie zeigen sich die verheerenden Folgen dieser Politik. Lernen Sie daraus!
(Beifall bei der LINKEN)
Überall fehlt es an personellen, finanziellen und anderen Ressourcen, auch und gerade im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Dazu zählen natürlich auch vernünftige Softwarelösungen; das bestreite ich gar nicht. Die Koalition rühmt sich, dass keine andere Regierung so viel Geld für den Öffentlichen Gesundheitsdienst ausgegeben hat. Meine Damen und Herren, das stimmt. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass das nur deshalb nötig war, weil Sie vorher den Öffentlichen Gesundheitsdienst mit einer verantwortungslosen Kürzungspolitik ruiniert haben.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Andere Länder wären froh, wenn sie dieses „ruiniert haben“ hätten!)
Am Ende gab es in vielen Gesundheitsämtern überhaupt keine Ärzte mehr. Das sind doch untragbare Zustände. Den Gesundheitsdienst zuerst zu zerstören und sich dann selbst auf die Schulter zu klopfen, weil man in der Krise einen Teil der Kürzungen zurücknimmt und die Ressourcen wieder aufstockt, das ist wirklich ein starkes Stück. Glauben Sie nur nicht, dass die Leute das nicht durchschauen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die FDP hat dazu beigetragen, eine Stimmung zu schaffen, die öffentliche Behörden und Einrichtungen als Ursache allen Übels diffamiert. Durch die Verkleinerung, Zerlegung und Privatisierung wichtiger Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wurde die Fähigkeit des Staates geschwächt, soziale Prozesse demokratisch zu lenken. Damit haben Sie auch die Fähigkeit des Gesundheitssystems geschwächt, auf Krisen wie eine Pandemie zu reagieren. Das zeigt sich jetzt deutlich bei der Impfstoffbestellung und bei der Impfstoffverteilung. Aber diese Probleme lassen sich nicht mit Digitalisierung allein lösen.
(Beifall bei der LINKEN)
Eine gut ausgestattete öffentliche Daseinsvorsorge, ein gut ausgestatteter Öffentlicher Gesundheitsdienst sind kein unnützer Ballast; vielmehr ist das der Sinn eines funktionierenden Sozialstaats.
(Beifall bei der LINKEN)
So zeitgemäß der Antrag der FDP auf den ersten Blick auch erscheinen mag, er kaschiert doch nur die tatsächlichen Probleme. Der Ruf nach Digitalisierung ist eine Pseudolösung, solange nicht zugleich in mehr Personal investiert wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Die notwendigen Daten müssen eingegeben werden, sie müssen ausgewertet werden. Vor allem sind es aber Menschen, die anschließend handeln und die notwendigen Schritte gehen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Leider war Digitalisierung bisher oft eine Kürzungspolitik durch die Hintertür. Wir können uns jedoch keine weiteren Kürzungen der öffentlichen Daseinsvorsorge leisten, nicht jetzt, mitten in einer Pandemie, und auch nicht in Zukunft.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7506454 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 216 |
Tagesordnungspunkt | Impfmanagement |