05.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 216 / Tagesordnungspunkt 25

Sabine DittmarSPD - Impfmanagement

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Corona geht uns allen gehörig auf die Nerven. Es ist anstrengend und kräftezehrend.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Zuruf des Abg. Dr. Dirk Spaniel [AfD])

Es ist daher nicht nur ein wirklicher Segen, sondern ein gigantischer Erfolg unserer Wissenschaft und Forschung, dass wir mittlerweile drei hochwirksame Impfstoffe gegen das Coronavirus zur Verfügung haben und diese nach aktuellen Erkenntnissen auch gegen seine Mutanten wirken.

Impfungen sind eine der größten Errungenschaften der modernen Medizin und ein wirkungsvolles Mittel, um schwere und tödliche Erkrankungen zu verhindern. Daher erfüllt es mich mit großer Dankbarkeit, dass sich laut einer neuen Forsa-Umfrage 73 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sicher und 12 Prozent höchstwahrscheinlich gegen Corona impfen lassen wollen. Von Impfmüdigkeit kann also keine Rede sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass sich bis zum Sommer jede und jeder impfen lassen kann, der das will. Aber, meine Damen und Herren der FDP, was wir jetzt wirklich brauchen, sind mehr Schnelligkeit und mehr Flexibilität. Wir brauchen pragmatische Entscheidungen vor Ort und den Mut, diese auch zu verantworten und umzusetzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was wir sicherlich nicht brauchen, sind Entwicklungsaufträge und Ausschreibungen für Onlineportale, Softwarelösungen, Schnittstellen und eine Zentralverwaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, dass wir zu Anfang bei knappen Impfstoffmengen priorisieren und die Menschen mit einer Impfung schützen, die von einem schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf bedroht sind.

Zwischenzeitlich befinden sich die meisten Bundesländer auch in einem fließenden Übergang zur zweiten Priorisierungsgruppe. Von Bundesland zu Bundesland ist es allerdings unterschiedlich in der Registrierung – das ist schon festgestellt worden; es ist ein Ärgernis, dass der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz nicht umgesetzt worden ist –: telefonisch, online, per Einladungsschreiben oder auch, wie bei mir, direkt in der Kommune. Das führt zu Verunsicherung und Ärger; das kann ich nachvollziehen. Aber jetzt eine Änderung vorzunehmen, das ist einfach zu spät. Man hätte sich im November an seine eigenen Beschlüsse halten müssen.

Stand heute, Kolleginnen und Kollegen, dürften knapp 11,5 Millionen Impfstoffdosen an die Bundesländer ausgeliefert und bis heute Abend dann davon auch über 7 Millionen verimpft sein. Das heißt aber auch, dass noch 4 Millionen Impfstoffdosen in Kühlschränken und Logistikcentern liegen. Und auch wenn die Hälfte davon für die Zweitimpfung reserviert ist, stellt sich mir nach wie vor die Frage: Warum sind nicht schon 1 Million Menschen mehr in Deutschland geimpft?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und eines ist für mich auch klar: Das von der FDP vorgeschlagene Impfportal wird dieses Dilemma nur bürokratisch verwalten, aber nicht lösen; denn das, was wir jetzt brauchen, ist mehr Drive beim Impfen, ist das Einlegen des Turbos, und in meinen Augen sind da folgende Aspekte zu berücksichtigen:

(Christian Dürr [FDP]: Frau Kollegin, letzte Erinnerung: Sie sind in der Bundesregierung! Haben Sie mit der Bundesregierung nichts zu tun?)

Erstens. Wenn ein bestimmter Impfstoff abgelehnt wird, was mir unerklärlich ist, wird er selbstverständlich und sofort den Impfberechtigten der nächsten Priorität angeboten. Menschen mit chronischer Erkrankung, pflegende Angehörige oder auch Beschäftigte in Behinderteneinrichtungen warten sehnlichst darauf, und wir wissen, dass der Impfstoff von AstraZeneca beim Verhindern von schweren Krankheitsverläufen in der gleichen Liga spielt wie die Messenger-RNA-Impfstoffe von BioNTech und Moderna. Erfreulicherweise hat ja auch die STIKO gestern ihre Empfehlungen angepasst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Wir müssen die Impfintervalle zwischen erster und zweiter Impfung auf das zugelassene Maximum ausdehnen, und wir müssen das Zurückhalten von Impfstoffdosen für die zweite Impfung auf eine geringe Sicherheitsreserve einschmelzen. So können wir in kurzer Zeit sehr, sehr viel mehr Menschen impfen. – Das alles sind Empfehlungen, die schon seit einigen Wochen existieren und nun auch endlich in den Ländern umgesetzt werden müssen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Wir erwarten im zweiten Quartal – Stand heute, und das ist noch ohne die zu erwartenden Zulassungen von Johnson & Johnson und CureVac – über 60 Millionen Impfstoffdosen. Klar ist doch, dass die Länder ihre Impfzentren, ihre Kapazitäten massiv ausbauen müssen. Die angekündigten Kapazitätssteigerungen auf 300 000 bis 500 000 Impfungen am Tag müssen jetzt auch zügig erfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Drittens – das ist für mich ein ganz zentraler Punkt für den Erfolg der Kampagne – sind jetzt die Haus- und Facharztpraxen und auch die Betriebsärzte zügig mit einzubeziehen. Dass unsere niedergelassene Ärzteschaft das kann, stellt sie Jahr für Jahr unter Beweis, wenn innerhalb von wenigen Wochen mehr als 20 Millionen Menschen gegen die Grippe geimpft werden. Ich bin fest davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass die Einbeziehung der Haus- und Fachärzte den entscheidenden Unterschied im Kampf gegen Corona ausmachen wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] und Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Eine Registrierung ist dann auch nicht mehr notwendig, da die Terminvergabe am sinnvollsten direkt und wie gewohnt in der Arztpraxis erfolgt. Der Arzt kennt seine Patienten und kann auch vor Ort eine qualifizierte Entscheidung zur Priorisierung treffen.

In Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg werden schon jetzt Schwerpunktpraxen in die Impfkampagne integriert. In Rheinland-Pfalz, das übrigens mit seiner Impfquote mit an der Spitze liegt, läuft seit einigen Tagen ein Modellprojekt mit Hausärzten, die bettlägerige Patientinnen und Patienten impfen. Und auch in Brandenburg impfen Hausärzte im Modellprojekt.

Eine flächendeckende, regelhafte und nicht nur modellhafte Einbeziehung unserer ambulant tätigen Ärzte erfordert aber auch entsprechende Regelungen in der Impfverordnung. Da brauchen wir jetzt, lieber Herr Minister Spahn, wirklich zügig die angepasste Verordnung aus Ihrem Hause. Die Fragen zur Logistik, zur Verteilung und natürlich auch zur Vergütung, aber vor allem die Fragen der eigenständigen Datenmeldung an das Robert-Koch-Institut für den ambulanten Bereich müssen geklärt werden.

Die Haus- und Fachärzte stehen in den Startlöchern und warten darauf, mit dem Impfen zu beginnen. Das alles wird uns schneller und sicherer ans Ziel bringen als die Etablierung eines weiteren bürokratischen Monsters.

Ich danke für die Aufmerksamkeit. Und bleiben Sie gesund!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Sabine Dittmar. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Andrew Ullmann.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506462
Wahlperiode 19
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Impfmanagement
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