Hansjörg DurzCDU/CSU - Ökolog.-sozialer, digitaler Wandel der Industrie
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, wenn die Oppositionsfraktionen nicht nur herummäkeln und meckern, sondern ihrer Aufgabe nachkommen und Alternativvorschläge zum Regierungshandeln einbringen. Die Bundesregierung hat in dieser Legislatur eine ganze Reihe von Strategien vorgestellt. Naturgemäß war das Lob der Oppositionsfraktionen nicht immer besonders stark ausgeprägt. Aber heute beweisen die Grünen: Wirklich besser können sie es auch nicht.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte?)
Im Antrag, der als „Grüne Industriestrategie“ vermarktet wird, wird ein Zukunftspakt gefordert, um insbesondere den industriellen Mittelstand zu unterstützen. Wer mit offenen Augen auch in diesen Zeiten über deutsche Autobahnen fährt, wird schon am Lkw-Verkehr feststellen: Der industrielle Mittelstand ist erstaunlich aktiv und rührig unterwegs. Im Gegensatz zum ersten Lockdown, als Lieferketten unterbrochen waren, kommt das produzierende Gewerbe relativ gut durch den Winter. Im Vergleich zu vielen anderen Branchen, die sehr stark unter der Krise leiden, trägt die Industrie einen erheblichen Teil dazu bei, dass unsere Volkswirtschaft insgesamt relativ robust dasteht.
Dass Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem Antrag die Industrie bei der Digitalisierung unterstützen wollen, ist aller Ehren wert, doch ein großer Treiber der Digitalisierung ist auch bei den Unternehmen die Coronakrise. Umfragen zeigen, dass viele Unternehmen die Digitalisierung in ihren Geschäftsprozessen in den letzten Monaten verstärkt haben. Bei den großen Unternehmen geht man sogar davon aus, dass 90 Prozent ihre Anstrengungen massiv verstärkt haben. Wie anpassungsfähig, wie agil und wie reaktionsschnell die deutsche Industrie ist, das zeigt die aktuelle Zeit, und das gerade ohne staatliche Eingriffe.
Die Wirtschaft wandelt sich schneller, als die Grünen eine Industriestrategie schreiben können. Anderthalb Jahre länger als Peter Altmaier haben Sie gebraucht, um eine Industriestrategie vorzulegen und darin vieles zu sagen, was richtig ist, aber doch altbekannt und in vielerlei Hinsicht von der Bundesregierung schon lange in Umsetzung. Ich hätte mir von Ihnen das gewünscht, was die deutsche Industrie zeigt, nämlich Innovation. Stattdessen ist Ihre sogenannte Industriestrategie ein Aufguss alter Anträge Ihrer Fraktion, die wir in diesem Hause bereits behandelt haben, also alter Wein in neuen Schläuchen. Zukunftsstrategien sehen anders aus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das, was in Ihrem Antrag steht, ist nicht rundweg falsch. Einiges ist sogar richtig, und vieles findet sich auch in der Industriestrategie der Bundesregierung wieder. Doch wir sind in den Debatten schon deutlich weiter und haben die von Ihnen formulierten Ziele längst in konkrete Maßnahmen übersetzt. Ein paar Beispiele:
Sie fordern, den Aufbau des 5-G-Netzes voranzutreiben. Das ist ein Prozess, der längst begonnen hat und im Übrigen viel schneller voranschreitet als vorhergesagt. Im ganzen Land rüsten die Netzbetreiber auf 5 G um. Auch der vierte Netzbetreiber wird gegen Mitte des Jahres sein Netz aufbauen und somit für mehr Wettbewerb sorgen. Deutschland hat als eines der wenigen Länder in der Welt ein Spektrum für Campusnetze für Unternehmen reserviert. Mit Erfolg: Mehr als 100 Campusnetze wurden seitdem genehmigt. Während Sie blumig davon reden, 5-G-Netze vorantreiben zu wollen, entsteht bereits im ganzen Land, vor allem in der Industrie, die Grundlage für die Anwendungen der Zukunft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie fordern Resilienz und Redundanz für unsere Mobilfunknetze. Kaum zu glauben, aber Ihre Strategie kommt dabei ohne die Erwähnung von Open RAN aus. Diese Regierung hat in Zeiten der Krise ein Zukunftspaket geschnürt, das allein für die Entwicklung neuer Netzstandards 2 Milliarden Euro an Mitteln zur Verfügung stellt. Im kommenden Jahrzehnt werden wir mit Open RAN einen Netzstandard haben, der unsere Abhängigkeit von einzelnen Herstellern im Zugangsnetz drastisch reduziert. Es zeigt, dass man der Debatte um den richtigen Netzausrüster innovativ und intelligent begegnen kann. Dabei schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits werden Pfadabhängigkeiten gebrochen, um somit geostrategische Abhängigkeiten aufzulösen. Andererseits ist dies auch erfolgreiche Innovationspolitik, da europäische und deutsche Unternehmen nun die Chance erhalten, neu in den Markt einzusteigen. Das ist Industriepolitik par excellence.
Wie sehen die Ideen der Grünen zum Quantencomputing aus? Im Antrag heißt es, die führende Rolle der EU müsse erhalten und vorangebracht werden. Meine Damen und Herren, das ist ein Satz, den jeder unterschreiben würde, keine brillante Idee, sondern eine Plattitüde. Die Bundesregierung investiert massiv in Quantencomputing. Auch international hat die Summe von 2 Milliarden Euro, die wir in die Rechnerwelt von morgen im Rahmen des Zukunftspaketes investieren, aufhorchen lassen. Dabei haben sich insbesondere die Wirtschaftspolitiker unserer Fraktion dafür eingesetzt, dass das Geld eben nicht nur in Grundlagenforschung fließt, sondern dass die Industrie eng eingebunden wird. So bringt man die Digital-PS auf die Straße.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Man könnte jetzt ewig so weitermachen. Sie fordern, eine europäische Cloud-Infrastruktur nach europäischen Standards zu entwickeln. Die wird längst aufgebaut; Gaia-X ist erfolgreich auf europäischer Ebene gestartet. Sie fordern ein faires Wettbewerbsrecht. Das haben wir in Deutschland als erstes Land der Welt entwickelt; Sie haben der GWB-Novelle sogar zugestimmt.
Interessant ist aber auch, was nicht im Antrag steht. Einer der Kernpunkte Ihrer Industriestrategie ist die digitale Transformation. Der Begriff „Industrie 4.0“ kommt aber nur ein einziges Mal vor, und das nicht im Abschnitt über Digitalisierung, sondern in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft. Die bedeutende Rolle der Verschlüsselungstechnik fehlt im Antrag gänzlich. Sie ist zentral, damit Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, Vertrauen in das digitale Zeitalter bekommen und auch, um sich vor Industriespionage zu schützen. Sie sagen nichts über wettbewerbsfähige Stromkosten, nichts über Rohstoffknappheit und nichts zur Steuerlast deutscher Unternehmen.
„Grün, grün, grün ist alles, was ich hab“ – die Zeile dieses Kinderliedes fällt mir beim Blick auf dieses Stück politische Prosa ein. Förderprogramme für die Kreislaufwirtschaft, ein funktionierender CO
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Eine klimaschonende Wirtschaft ist wichtig, sogar überlebenswichtig. Doch wer der deutschen Industrie auf dem Weg in die Zukunft helfen will, der braucht mehr als das.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als letzter Redner in dieser Debatte ergreift der Kollege Timon Gremmels, SPD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7506676 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 216 |
Tagesordnungspunkt | Ökolog.-sozialer, digitaler Wandel der Industrie |