Jens MaierAfD - Vormundschafts- und Betreuungsrecht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute ein umfassendes Regelwerk mit einem Umfang von etwa 500 Seiten. Im Rechtsausschuss hat jemand von einem Jahrhundertwerk gesprochen. So weit würde ich jetzt nicht gehen; es ist da aber schon Großes zustande gekommen, das muss man anerkennen. Bei einer Redezeit von vier Minuten kann man da leider nicht in der gebotenen Tiefe Stellung nehmen.
(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Da reichen auch zehn Minuten nicht!)
Es ist schade – Frau Rawert, ich habe es auch im Rechtsausschuss schon gesagt –, dass wir dieses für die Praxis wichtige Werk irgendwann am Freitag im Plenum hintenan behandeln. Das ist eigentlich nicht gut, weil dieses Gesetz für die Praxis wirklich von erheblicher Bedeutung ist.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Und Covid!)
Nur so viel am Anfang: Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Bei einer Gesamtabwägung kommen wir zu dem Schluss, dass viele Teile des Entwurfs zu zutreffenden Lösungen kommen. Daneben sind aber auch Teile vorhanden, denen wir so nicht zustimmen können.
Es ist richtig, dass die Privatautonomie des Mündels im Vormundschaftsrecht gestärkt wird. Es ist auch zu begrüßen, dass die charakterlichen und fachlichen Mindestanforderungen an Vormünder präzisiert werden und jetzt konkret auf ihre Kenntnisse, Erfahrungen und ihre persönlichen Eigenschaften abgestellt wird. Zur Erziehung von Minderjährigen gehört auch das stufenweise Übertragen von Verantwortung. Die ausdrückliche Pflicht des Vormundes, die wachsenden Fähigkeiten des Mündels zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen und zu fördern, findet daher ebenfalls unsere Zustimmung.
Wer aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, seine Angelegenheiten selbstständig zu erledigen, hat das Recht auf einen Betreuer. Das heißt jedoch nicht, dass der Betreute bei der Regelung sämtlicher Angelegenheiten keine Entscheidungsgewalt mehr haben soll. Es ist gut, dass das Betreuungsgericht künftig jeden Aufgabenbereich des Betreuers im Einzelnen anordnen muss. Ein gesetzlich vorgesehenes Vertretungsrecht des Betreuers nur unter der Bedingung, dass das im Einzelfall für den Betreuten auch tatsächlich erforderlich ist, ist eine geeignete Möglichkeit, um zu verhindern, dass Betreuten ihre Eigenverantwortung abtrainiert wird.
Die Möglichkeit für ehrenamtliche Betreuer, sich bei einem anerkannten Betreuungsverein zu spezifischen Themen weiterzubilden, und die finanzielle Ausstattung dieser Vereine mit öffentlichen Mitteln sind richtig und wichtig. Ehrenamtliche Betreuung erhält hierdurch mehr Qualität; Vereinsbetreuer erhalten mehr Geld; Sachkundenachweise können die fachliche Kompetenz von registrierten Berufsbetreuern planungssicher gewährleisten.
Es ist aber nicht alles gut. Gemäß Entwurf soll ein Ehegatte für den anderen ein gesetzliches Notvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten bekommen. Hierzu soll es keines Gerichtsbeschlusses mehr bedürfen. Voraussetzung soll sein, dass der vertretene Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit selbst handlungsunfähig ist. Das Vertretungsrecht der Ehegatten soll sogar so weit gehen, dass ein Ehepartner im Namen des Vertretenen in ärztliche Eingriffe, also auch in lebensgefährliche Operationen, einwilligen darf.
Wurde in der öffentlichen Anhörung hierzu im Rechtsausschuss die Missbrauchsgefahr in den Vordergrund gestellt – denn nicht jeder Ehepartner will das Beste für den anderen –, ist für mich vor allem das Thema Überforderung von noch größerer Bedeutung. Der 80-jährige Ehemann gerät in eine hilflose Lage, und die 78-jährige Ehefrau soll, möglichst noch nach einer Ehezeit von über 50 Jahren, im Rahmen der ihr zugewiesenen Notvertretung die schwierigsten Entscheidungen treffen. Da meinen wir: Das ist so nicht sachgerecht.
(Beifall bei der AfD)
Die gesetzlich vorgesehenen Korrektive können diese Gefahr unserer Meinung nach nicht effektiv verhindern; im Rechtsausschuss hatten wir eine lebhafte Diskussion dazu. Das Notvertretungsrecht des Ehegatten lehnen wir so, wie es geregelt ist, ab.
Insgesamt werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sachlich, konstruktiv, da kann man klatschen!)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Paul Lehrieder das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7506706 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 216 |
Tagesordnungspunkt | Vormundschafts- und Betreuungsrecht |