05.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 216 / Zusatzpunkt 10

Friedrich StraetmannsDIE LINKE - Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor neun Monaten war die Öffentlichkeit in heller Aufruhr, weil CDU-Jungstar Amthor in dreister Art und Weise für ein Unternehmen warb und dafür Gegenleistungen in Form von Aktienoptionen erhielt. Die Koalition zeigte ihren typischen Aktionismus, wollte ein verbindliches Lobbyregister einführen. Nachdem die zweite Coronawelle das Thema dann in der Nachrichtenagenda nach hinten gedrängt hatte, wollte die Union plötzlich von zwischenzeitlichen Zusicherungen nichts mehr wissen, und das ganze Gesetz drohte zu platzen. Nun bringen die Fälle Spahn, Nüßlein und aktuell Löbel das Thema erneut auf den Tisch. Und was passiert? Sie präsentieren wieder eine Einigung beim Lobbyregister. Aber so einfach lassen wir Sie nicht davonkommen.

Vor ein paar Wochen warb Herr Spahn in der Bevölkerung um Vertrauen. Wissen Sie, wie man Vertrauen nachhaltig verspielt? Indem man sich als Politiker mit Menschen zum Abendessen trifft und von den Gästen dafür eine Spende von 9 999 Euro verlangt – genau ein Euro unterhalb dessen,

(Otto Fricke [FDP]: Nein, zwei!)

was eine Offenlegung der Spender fordern würde. Sie reizen das Maximum dessen aus, was sein darf, und können dennoch die Anonymität der Gäste wahren.

Es ist also allen Seiten mit Ihrem Vorgehen gedient – zumindest wenn man vergisst, dass die eine Seite, der Sie sich als Minister durchaus auch verpflichtet fühlen könnten, die Bevölkerung ist. Die sitzt bei einem solchen Hinterzimmeressen nicht mit am Tisch und verliert zunehmend Vertrauen in die Politik. Da hilft es auch nicht, wenn Sie das Treffen als privat bezeichnen.

Mir ist klar: In Ihren Kreisen ist die Ansicht, dass auch das Private politisch ist, nicht sehr verbreitet. Aber bei einem Treffen mit Geschäftsleuten, die dafür auch noch Tausende von Euro für Ihren Wahlkampf zahlen, sollten Sie ins Grübeln kommen.

Im vergangenen Jahr kauften Bundesgesundheitsministerium und Innenministerium zu völlig überzogenen Preisen, für vermutete 350 Millionen Euro, Masken bei einer kleinen Schweizer Firma. Angeblich – Herr Spahn lässt ja offenbar die Anfragen der Journalistinnen und Journalisten unbeantwortet – hat sich der Minister persönlich im Sinne des Unternehmens zweier rechtspopulistischer Nachwuchspolitiker eingemischt, nachdem eine gewisse Andrea Tandler bei ihm für das Unternehmen geworben hatte.

Ja, den Namen Tandler kennen Sie. Gerold Tandler ist ihr Vater und einstiger Amigo von Franz Josef Strauß. Er musste damals im Zuge der Zwick-Affäre zurücktreten. Und auf Vermittlung von Frau Tandler hin lässt Herr Spahn der Berichterstattung nach für Hunderte Millionen Euro zu außergewöhnlichen Stückpreisen einkaufen. – Ihr Schweigen dazu spricht Bände, Herr Spahn!

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen wir kurz mal das Beispiel der Maskenbeschaffung, um ein zentrales neoliberales Credo zu überprüfen. Statt 45 Cent zahlten Bund und Länder plötzlich 3 bis 5 Euro, teilweise sogar 10 Euro pro FFP2-Maske. Die Abnahmegarantien von Bund und Ländern treiben nebenbei auch die Beschaffungskosten für den gesamten Gesundheitssektor in die Höhe, als ob die Käufe von Bund und Ländern zu Höchstpreisen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht schon genug belasteten.

Besser kann man nicht verdeutlichen, wie es aussieht, wenn der Markt regelt: Einige wenige Unternehmen machen dicke Kohle, und die Allgemeinheit zahlt. Dem gilt es endlich etwas entgegenzusetzen!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD] und Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber Sie von der Union tun genau das Gegenteil. Manche von Ihnen nutzen die Krise schamlos aus.

Bitte, liebe Unionsabgeordnete, treten Sie doch einmal ein Stück zurück, und betrachten Sie den aktuellen Fall auf einer abstrakten Ebene. Ein Abgeordneter, der Sprecher für den entsprechenden Fachbereich ist, wird von einem Unternehmen um Einflussnahme bei den Ministerien gebeten. Der Abgeordnete lobbyiert, entsprechende Deals in Hundertmillionenhöhe kommen zustande, und der Abgeordnete stellt eine Rechnung von mehreren Hunderttausend Euro. Meine Damen und Herren, das Publikum nennt das Korruption. Und wenn ein solches Vorgehen durch gesetzliche Schlupflöcher als solches nicht justiziabel ist, dann haben wir ein Problem in Deutschland: Es fehlen uns die Mittel dagegen. Und dazu will ich noch etwas ganz Aktuelles sagen.

Erster Punkt. Gestern im Geschäftsordnungsausschuss hatte unser Parlamentarischer Geschäftsführer Jan Korte unseren Gesetzentwurf gegen ein solches Verhalten und gegen die Tätigkeit von Abgeordneten als bezahlte Interessenvertreter auf die Tagesordnung gesetzt. Er wollte ihn vertreten. Was ist passiert?

(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Ausschussmehrheit hat diesen Antrag von der Tagesordnung gestimmt, und ich sage Ihnen auch, warum: Sie haben nämlich Beratungsbedarf geltend gemacht. Aber wir haben keinen Beratungsbedarf, wir haben einen Handlungsbedarf. Und das sollte Ihnen mal klar werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt. Die Staatengruppe gegen Korruption, GRECO, fordert Deutschland seit Langem auf, mehr gegen Korruption zu tun. Was tun Sie? Nichts.

Letzter Punkt. Ich gebe Ihnen einen praktischen Tipp: Stellen Sie einen Raum von Ihren Unionsfraktionsräumen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung; dann haben die es nicht so weit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Der war gut!)

Vielen Dank. – Das Wort geht an Professor Dr. Patrick Sensburg von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506746
Wahlperiode 19
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen
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