05.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 216 / Zusatzpunkt 10

Matthias BartkeSPD - Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, Frau Cotar, ich glaube, wir kriegen Sie nicht klein. Das machen Sie schon selber; das hat Ihre Rede, aber vor allen Dingen die Rede von Herrn Protschka ja sehr deutlich gezeigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Fundament dieses Hauses ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, Vertrauen, das uns als Mandatsträger auf Zeit geschenkt wird. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben aber dazu geführt, dass dieses Vertrauen schwindet. Und ich muss gestehen, dass mich der heutige „Spiegel“-Artikel über das Gebaren einiger Unionsabgeordneter in der Maskenaffäre geradezu sprachlos gemacht hat. Denn selbst der Verdacht, Herr Schnieder, Abgeordnete des Deutschen Bundestages wären käuflich, ist für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger geradezu verheerend. Es gibt aber offenbar einige Abgeordnete, die das eher locker sehen. Für das Ansehen unserer Parteiendemokratie ist das tödlich, und zwar für alle Parteien. In meinen Augen ist Abgeordnetenbestechung kein Vergehen. Ich finde, es ist ein Verbrechen, und ich werde mich dafür einsetzen, dass sich das künftig auch in § 108 e Strafgesetzbuch niederschlägt – auf Deutsch: Mindeststrafe ein Jahr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist außerordentlich schwer, einmal verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Deswegen müssen wir jetzt handeln. Zweierlei brauchen wir jetzt dringend: erstens ein effektives Lobbyregister und zweitens die längst überfällige Reform der Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete. Seit zehn Jahren fordert die SPD die Einführung eines Lobbyregisters für Bundestag und Bundesregierung. Diese Einführung soll uns jetzt auch gelingen.

Wie Sie wissen, steht das Lobbyregister gar nicht im Koalitionsvertrag. Obwohl es schon drinstand, ist es kurz vor Abschluss wieder rausgeflogen. Trotzdem setzen wir es jetzt um. Das ist ein Riesenerfolg, ein Meilenstein in der deutschen Parlamentsgeschichte.

(Beifall bei der SPD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie tun so, als wäre es schon durch!)

Und natürlich war die SPD der Motor dafür.

Genauso waren wir auch in Baden-Württemberg der Motor.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Als 12-Prozent-Partei!)

Da hatte die schwarz-grüne Koalition am Ende der Wahlperiode noch immer keinen Entwurf für ein Lobbyregistergesetz vorgelegt, obwohl das im dortigen Koalitionsvertrag vereinbart war.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Kommt auch in die „heute-show“!)

Daraufhin legte die SPD einen Gesetzentwurf vor.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Es ist nichts relevanter als die SPD in Baden-Württemberg! Mehr geht gar nicht!)

Dann kam plötzlich Bewegung in die Sache. Am Ende kam ein baden-württembergisches Lobbyregistergesetz zustande, das von allen Parteien des Landtags getragen wurde, das – Entschuldigung! – von allen demokratischen Parteien des Landtages getragen wurde.

(Jörg Schneider [AfD]: Haben Sie sich enthalten? – Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Linke, lieber Friedrich Straetmanns, Sie beschweren sich ja immer, dass bei uns alles nicht schnell und nicht weit genug geht. Gucken Sie sich mal das Land Thüringen an! Da regiert Ihr linker Ministerpräsident Ramelow. Dort gibt es ein Beteiligtentransparenzdokumentationsgesetz. Wenn wir hier so etwas vorlegen würden, würden Sie uns in der Luft zerreißen, und zwar zu Recht. Lieber Kollege Straetmanns, eine Bitte: Nehmen Sie den Mund nicht ganz so voll!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in Kürze einen Entwurf zum Lobbyregistergesetz, auf das wir uns geeinigt haben, vorlegen; das wird ein gutes Gesetz sein. Aber – das sage ich ganz offen; es ist kein Geheimnis – die SPD wollte darin auch den exekutiven Fußabdruck haben. „ Exekutiver Fußabdruck“ heißt, dass Ministeriumskontakte von Lobbyisten bei jedem Gesetz veröffentlicht werden müssen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wann kommt der Text?)

„Exekutiver Fußabdruck“ heißt auch,

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wir wollen den Text sehen!)

dass sämtliche Stellungnahmen der Lobbyisten zu den Gesetzen beigefügt werden müssen. Justizministerin Lambrecht hatte einen Vorschlag dazu gemacht, der weiter gehend war als alle Erwartungen von lobbykritischen Verbänden. Aber so ist es eben in einer Koalition: Man kann nicht immer alles durchsetzen, was richtig ist.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Außer einer Pressemitteilung kennen wir noch nichts!)

Das Bittere ist nur, dass ich glaube, dass der exekutive Fußabdruck gar nicht an der Unionsfraktion gescheitert ist. Das Veto kam aus dem Kanzleramt. Die Kanzlerin hatte schon in ihrer Pressekonferenz im vergangenen Sommer sehr deutlich gemacht, was sie von Transparenz bei der Regierungsarbeit hält, nämlich gar nichts.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Deshalb gehören die Dinge ins Parlament! Raus aus der MPK ins Parlament! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wer ist denn die Legislative? Gesetze macht das Parlament!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten, bis die Einwohnerschaft im Kanzleramt wechselt. Der exekutive Fußabdruck wird eine der ersten Maßnahmen der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz sein.

(Beifall bei der SPD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie wollen es schon wieder auf die lange Bank schieben! In welcher Legislaturperiode soll das kommen?)

Auch beim Thema „Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete“ sehen wir dringenden Reformbedarf.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das ist eine ernste Angelegenheit und kein Kabarett hier! – Gegenruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Jetzt weißt du auch, warum das so lange dauert!)

Es geht hier nicht um Symbolpolitik. Wir brauchen Verschärfungen, weil die bestehenden Regeln ganz offensichtlich nicht ausreichen. Seit Beginn der Wahlperiode beschäftigen wir uns mit diesem Thema.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Selbstloser Koalitionspartner!)

Die gute Nachricht ist: In der nächsten Sitzungswoche ist es so weit. Dann wird die Koalition einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem wir mehr Klarheit schaffen. Aktienoptionen werden wir anzeigepflichtig machen. Beteiligungen an Aktiengesellschaften werden wir transparenter machen. Unser verstorbener Vizepräsident Thomas Oppermann hat sich in seiner letzten Rede mit Nachdruck für eine grundlegende Überarbeitung der Transparenzregeln eingesetzt. Ich finde, wir sind es ihm schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506749
Wahlperiode 19
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen
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