05.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 216 / Zusatzpunkt 10

Frank SchwabeSPD - Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es präzise zu sagen: Das, worüber wir heute reden, ist nicht die größte Katastrophe für Deutschland – das zum Glück nicht –, aber doch die größte anzunehmende Katastrophe für dieses Hohe Haus. Man muss sich mal vorstellen, was da passiert und wie sehr das Vertrauen in das, was wir hier tun, gerade untergraben wird.

Wir können über ganz viele Fälle reden, aber ich komme nicht umhin – es tut mir leid, das ist jetzt so –, festzustellen: Das, was wir gerade erleben, passiert in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie – Herr Frei nicht, aber die anderen schon – gucken ein bisschen beschämt zu Boden, aber die, die in Ihrer Fraktion eigentlich verantwortlich sind – der erste Parlamentarische Geschäftsführer und der Fraktionsvorsitzende –, sind nicht da; sie ducken sich in der Debatte weg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schreibe jetzt seit vier Jahren mit Herrn Grosse-Brömer auf Twitter; Sie wissen das. Vor vier Jahren ging es los mit dem Fall von Frau Strenz, und seit vier Jahren fordere ich, Frau Strenz aus der Fraktion auszuschließen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sitzt aber immer noch bei Ihnen. Sie sitzt im Deutschen Bundestag, sie bezieht ihre Diäten, und sie hat Wahlkreisbüros, die sie aber gar nicht mehr betreibt; sie sammelt sozusagen das Geld ein. Sie versteckt sich, redet nicht mit der Öffentlichkeit, und Sie sagen: Na ja, da gilt aber die Unschuldsvermutung. – Gegen Frau Strenz hat der Europarat – das hat man sich dort gut überlegt – ein Hausverbot verhängt; sie darf auf Lebenszeit nicht mehr die Gebäude des Europarats betreten. Und bei Ihnen sitzt sie weiterhin in der Fraktion. Ich finde, das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Ich wollte eigentlich nicht über die anderen Fälle reden. Ich wollte nur über den Europarat reden, weil ich nicht viel Redezeit habe und weil es beim Europarat so spannend ist. Ich wollte nicht über Herrn Amthor und Herrn Nüßlein reden und auch nicht über Nikolas Löbel. Ich habe dazu aber heute etwas gefunden – es ist nicht zu fassen; da denkt man, das kann doch wohl nicht wahr sein –: einen Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“ mit dem Titel „Aserbaidschan finanziert den Landestag der Jungen Union mit“. Das war 2012, finanziert durch eine Studentenorganisation aus Aserbaidschan. Und wer war damals Vorsitzender der Jungen Union in Baden-Württemberg? Nikolas Löbel. Auch das wird noch zu beleuchten sein. Das ist sehr, sehr spannend.

Jetzt sage ich noch ein paar Sätze zum Europarat. Es ist kompliziert und schwer zu verstehen, und deswegen ist es auch schwer, das medial darzustellen. Der Europarat ist die Institution, die sich um Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kümmern soll. Da schickt man die Abgeordneten hin, die am Ende für genau diese Werte eintreten. Damit es nicht immer heißt, das sei doch Parteipolitik, will ich aber auch sagen: In allen Fraktionen des Europarats und der Parlamentarischen Versammlung gibt es Probleme beim Thema Korruption rund um Aserbaidschan. Der Kern der Veranstaltung liegt allerdings in der EVP-Fraktion, und ein großer Teil derjenigen, die sich dort fehlverhalten haben, kommen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, aus diesem Hohen Hause. Sie kamen, muss man mittlerweile sagen; denn sie haben ihre Delegation zum Glück verändert. Ich will das ausdrücklich sagen: Die jetzige Delegation ist hoch angesehen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass solche Dinge da nicht vorkommen.

Zu Aserbaidschan. Worum geht es? Es geht darum, dass Abgeordnete Aserbaidschan vor Kritik schützen, ein Land, in dem Menschenrechtsverletzungen begangen werden, in dem Wahlbeobachtungen manipuliert

(Stefan Keuter [AfD]: Wahlfälschungen!)

und falsche Wahlergebnisse ermittelt werden, in dem Berichte über politische Gefangene niedergestimmt werden. Zentral daran beteiligt sind der Abgeordnete Fischer und die Abgeordnete Strenz, organisiert über Eduard Lintner, den ehemaligen CSU-Staatssekretär. So läuft die ganze Geschichte.

In vollem Bewusstsein, dass die Anwälte von Frau Strenz hinter mir her sind – dafür hat sie nämlich Geld; ich weiß nicht, hinter wie vielen Kolleginnen und Kollegen die Anwälte von Frau Strenz her sind –, weil ich behauptet habe: „Frau Strenz ist korrupt, und sie lügt“, sage ich das an dieser Stelle noch mal, weil es genau so ist und weil sie nicht in der Lage ist, in irgendeiner Art und Weise Beweise dafür vorzulegen, dass dem nicht so ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Strenz hat an Wahlbeobachtungen teilgenommen und erklärt, sie habe aus anderen Ländern kein Geld bekommen. Das ist erwiesenermaßen falsch; Herr Lintner hat das sogar öffentlich erklärt. Frau Strenz hat gefakte Wahlbeobachtungen organisiert, finanziert von Herrn Lintner – schon im Jahr 2010. Herr Fischer war erstaunlicherweise Vorsitzender der EVP-Fraktion und einer der Nachfolger von Luca Volontè, der in Italien gerade zu vier Jahren Haft verurteilt worden ist. Er kann in die Revision gehen; das muss man dazusagen. Der direkte Vorgänger war Pedro Agramunt aus Spanien. Der wurde als Präsident der Parlamentarischen Versammlung wegen erwiesener Korruption abgesetzt. – Das ist das Umfeld, in dem sich die Abgeordneten Kollegin Strenz und Kollege Fischer bewegen.

Bei Herrn Fischer habe ich manches vermutet, aber ich konnte es nicht sagen. Jetzt ist es ziemlich offensichtlich, dass er genauso Geld aus Aserbaidschan bekommen hat, wie das bei Frau Strenz der Fall ist. Deswegen sage ich es Ihnen noch einmal: Es ist Ihre Verantwortung, diese Fälle aufzuklären, sich nicht wegzuducken und sich nicht hinter staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu verstecken, sondern das zu tun, was der Europarat tut, nämlich eigene Untersuchungen anzustellen, die Kolleginnen und Kollegen vor die Wahl zu stellen, sie zu zwingen, sich öffentlich zu positionieren, und dann die Konsequenzen daraus zu ziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, die beiden können in Zukunft nicht mehr in Ihren Reihen sitzen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Für die Korruption bei der SPD war keine Zeit mehr!)

– Welche denn?

(Stefan Keuter [AfD]: M.M.Warburg! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klären Sie erst mal Ihre Parteispendenaffäre auf! Sie haben nicht nur eine, sondern mehrere! – Gegenruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD]: Setzen Sie erst mal Ihre Maske auf!)

Danke sehr. – Das letzte Wort in der Aktuellen Stunde heute hat Thorsten Frei von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506933
Wahlperiode 19
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen
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