24.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 217 / Tagesordnungspunkt 7

Niels Annen - Bundeswehreinsatz EU NAVFOR Somalia ATALANTA

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Vielen Dank, Frau Präsidentin, auch wenn ich nicht aus Niederbayern komme. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sicherheit auf den Weltmeeren – das darf ich an dieser Stelle als Hamburger sagen – ist ein hohes Gut für Deutschland nicht nur als Exportnation und auch von strategischer Bedeutung. Seit 2008 leistet die EU-Marineoperation Atalanta daher ihren Beitrag zur Sicherheit auf den Weltmeeren und auch am Horn von Afrika. Ebenso lange beteiligen sich daran Soldatinnen und Soldaten der deutschen Bundeswehr, der Marine, mit Schiffen, Luftfahrzeugen und Führungspersonal. Es ist also auch ihr Verdienst, dass die Schiffe des Welternährungsprogramms und die Mission der Afrikanischen Union in Somalia ihr Ziel sicher erreichen können. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Piraterie vor der Küste Somalias wurde in den letzten Jahren dank dieser konsequenten Maßnahmen durch die internationale Gemeinschaft wirksam zurückgedrängt.

Ich habe hier im vergangenen Jahr an dieser Stelle, an diesem Pult gesagt, dass die jährliche Verlängerung unseres militärischen Engagements kein Automatismus sein darf. Schon damals war klar, dass sich Atalanta weiterentwickeln muss, um mit der aktuellen Bedrohungssituation Schritt zu halten; denn die Piraten, um die es ja ging, die diesen Einsatz ausgelöst haben, sind nicht einfach verschwunden; sie haben, so könnte man sagen, zum Teil einfach auch ihr Geschäftsmodell verändert. Die einstigen Piraten sind nun Waffenhändler, Drogenschmuggler, sie sind Schleuser und Schlepper. Mit ihren Aktivitäten verletzen sie weiterhin das Waffenembargo, das der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in Bezug auf Somalia verhängt hat.

Sie schmuggeln zudem, das wissen wir alle, im großen Stil Drogen über den Indischen Ozean nach Ostafrika; auch das ist ein destabilisierender Faktor. Von dort – auch das ist kein Geheimnis, liebe Kolleginnen und Kollegen – werden diese Drogen weitertransportiert nach Europa, auch hierher zu uns nach Deutschland. Dadurch tragen diese kriminellen Netzwerke mittelbar auch zur Finanzierung terroristischer Organisationen wie al-Schabab in Somalia bei.

Deswegen: Der Einsatz der internationalen Gemeinschaft bleibt von großer, von entscheidender Bedeutung. Er ist ein wichtiger Beitrag für die Stabilität Somalias, aber eben auch der gesamten Region. Ich glaube, ich habe eben deutlich machen können, dass er auch etwas mit unserer Sicherheit und Stabilität zu tun hat.

Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Europäischen Union im Dezember über die zukünftige Ausrichtung von Atalanta beraten. Der Rat hat zweierlei Dinge beschlossen – ich darf das hier einmal kurz skizzieren –:

Erstens bleibt der Schutz der Transporte von AMISOM und des Welternährungsprogramms vor Piratenangriffen unverändert – ich glaube, das muss man betonen: unverändert – Kernaufgabe von Atalanta. Wir diskutieren häufig so, als ob eine positive Entwicklung sich einfach fortsetzen würde, wenn wir in unseren Bemühungen nachlassen. Die Erfahrung, meine sehr verehrten Damen und Herren, lehrt uns etwas anderes: Das Wiederaufleben von Piraterie, auch im großen, organisierten Stil, ist keineswegs ausgeschlossen; wir müssen – im Gegenteil – damit rechnen, wenn wir uns nicht weiter engagieren.

Zweitens wird die Operation künftig einen Beitrag zur Durchsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Somalia und zur Bekämpfung des Drogenschmuggels im Seegebiet am Horn von Afrika leisten sowie ein umfangreiches, umfassendes Lagebild über die Erscheinungsformen der maritimen Kriminalität erstellen. Die Bundesregierung hat die Einführung dieser sogenannten Sekundäraufgaben nachdrücklich unterstützt.

(Beifall bei der SPD)

– Vielen Dank.

Wir wollen uns mit den Kräften der Bundeswehr an allen durch die EU mandatierten Aufgaben der Mission beteiligen; ich glaube, das ist auch eine wichtige Botschaft an unsere Partner. Im Rahmen der angestrebten Mandatierung durch Sie, durch den Deutschen Bundestag, wollen wir damit den deutschen Beitrag anpassen. Neben Personal im Operationshauptquartier ist künftig auch die temporäre Beteiligung mit im Einsatzgebiet befindlichen Marineeinheiten vorgesehen. Ich glaube, das ist eine gute Nachricht. Diese Anpassung macht es dann möglich und auch verantwortbar, die Obergrenze des Mandates von 400 auf 300 Soldatinnen und Soldaten abzusenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland wird damit auch weiterhin einen maßgeblichen Beitrag zur maritimen Sicherheit am Horn von Afrika leisten, einen Beitrag – das will ich hier noch mal unterstreichen –, der ausdrücklich dem Wunsch der Staaten der Region entspricht,

(Beifall bei der SPD)

weil sie selber gesehen haben, dass es eine konkrete Auswirkung auf die Stabilität in der Region durch dieses Engagement gegeben hat; einen Beitrag, der sich einordnet in das Engagement nicht nur von uns, sondern von etwa 30 Nationen, die in diesem Seegebiet mit Marineeinheiten präsent sind. Das zeigt auch: Das ist kein isolierter Blick Deutschlands auf die Region, sondern tatsächlich eine internationale Bemühung.

Während dieser Beitrag unverzichtbar bleibt, müssen wir gleichzeitig anerkennen, dass die tieferen Ursachen für die Gesetzlosigkeit auf See, über die wir hier miteinander sprechen, natürlich auch weiterhin auf dem Lande liegen und dass sie mit nachhaltigen Konzepten angegangen werden müssen. Die Rahmenbedingungen dafür sind – jeder, der das beobachtet, weiß das – denkbar herausfordernd, schwierig, in einigen Bereichen Somalias weiterhin katastrophal. Die innenpolitische Lage bleibt angespannt; der politische Reformprozess, den wir nachdrücklich unterstützen, stockt; Wahlen sind wiederholt verschoben worden; die staatlichen Strukturen bleiben fragil und damit insgesamt die Lage am Horn von Afrika. Und jetzt kommt, wie in so vielen Krisenregionen der Welt, eben auch noch der Einfluss der Coronapandemie hinzu. Aber ich glaube, wir müssen über Corona hinaus auch auf langfristige Trends schauen, sie analysieren und Konsequenzen daraus ziehen, wie beispielsweise auf die Folgen des Klimawandels. Es ist ja kein Zufall, dass diese Region, über die wir hier sprechen, eine so arme Region, ganz besonders auch von einer Heuschreckenplage betroffen ist.

Also: Die humanitäre und auch die Ernährungssituation bleiben kritisch, ja sie droht sich zu verschlechtern. Ich weiß, Sie wissen das alles. Aber ich denke, man muss das hier noch mal darstellen, um auch den Rahmen ein bisschen zu beschreiben: Knapp 6 Millionen Menschen, ein Drittel der Bevölkerung, in Somalia sind auf Hilfe angewiesen, und wir leisten auch weiterhin Hilfe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entwicklung Somalias zu einem friedlichen und stabilen Staat bleibt eine Langzeitaufgabe; da ducken wir uns nicht weg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu gehören eben auch Maßnahmen wie die Unterstützung des Föderalisierungsprozesses und die Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir nutzen Mediation; wir nutzen die Kompetenzen, die wir uns selber geschaffen und erarbeitet haben. Und – ich habe das eben erwähnt – wir engagieren uns auch weiterhin im Bereich der humanitären Hilfe; wir leisten mit unseren europäischen Partnern dazu einen Beitrag. Wir versuchen auch, die Sicherheitskräfte zu ertüchtigen und auszubilden, auch im Sinne dessen, was wir an gemeinsamen Werten in der Europäischen Union leben. Das wollen wir hiermit auch vermitteln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen darf ich Sie an dieser Stelle alle ganz herzlich weiter um Unterstützung bitten, nicht nur um die Zustimmung für dieses Mandat. Dieses Mandat ist wichtig, es bleibt wichtig; aber es bettet sich ein in eine langfristige Politik. Ich glaube, die hat es verdient, von uns unterstützt zu werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Nächster Redner ist der Kollege Professor Lothar Maier, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7510290
Wahlperiode 19
Sitzung 217
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EU NAVFOR Somalia ATALANTA
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