Lars CastellucciSPD - Asylverfahren an EU-Außengrenzen
Herr Präsident! Nach dieser geschäftsleitenden Bemerkung, die man natürlich gerne gleich mal ausprobieren kann – ich bin darauf jetzt vorbereitet –, grüße ich Sie, die Kolleginnen und Kollegen und auch die Damen und Herren hier, und will einmal sagen, was eigentlich unsere Grundsätze sind ganz im Gegensatz zu dem, was wir gerade wieder anhören mussten. Wir sagen: An den Außengrenzen unseres Landes und von Europa dürfen Menschen nicht zu Tode kommen.
(Beifall bei der SPD)
Wir sagen: Wenn dort jemand die Grenze erreicht, dann hat er ein anständiges Verfahren verdient, wenn er oder sie um dieses Verfahren bittet. Es soll niemand zurückgedrängt werden dorthin, wo ihm Verderben droht. Und selbstverständlich soll man alles tun, was möglich ist, um in den Herkunftsländern dafür zu sorgen, dass Menschen dort Perspektiven haben. Das sind unsere Grundsätze. An diesen halten wir fest. Denn wir haben nach wie vor viele Gründe, an diesen Aufgaben auch engagiert weiterzuarbeiten.
(Beifall bei der SPD)
Es ist ja richtig, dass wir da eine ganze Menge machen; der Herr Kollege Frei erwähnt es ja in jeder Rede. Ich muss auch sagen: Wir sind das fünftgrößte Aufnahmeland weltweit. Wir sind das zweitgrößte Geberland weltweit. Ja, wir nehmen aktuell doppelt so viele Menschen aus Griechenland auf, wie das die gesamte Koalition der Menschlichkeit macht. Das ist beachtlich; das kann man so auch festhalten. Das ist ein Teil unserer Regierungsarbeit. Und es ist alles andere als ein Stillstand, liebe Kollegin Amtsberg, sondern es ist das, was wir miteinander jetzt in dieser Koalition haben erreichen können.
(Zuruf der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Frage ist allerdings: Reicht es? Ich erinnere mich gut daran, als der Innenminister in der Ausschusssitzung im letzten Jahr vorgetragen hat, dass er nun bereit ist zur Aufnahme. Da hat er mich gefragt: „Herr Castellucci, sind Sie denn nun damit zufrieden, dass wir dieses Kontingent jetzt zusammengebracht haben?“, und ich habe ihm gesagt, ich danke ihm für sein auch sehr persönliches Engagement – er hatte ja nicht zuletzt in den eigenen Reihen da einige Widerstände zu überwinden –, aber zufrieden bin ich erst, wenn dort unten, wie überall, die Menschenrechte funktionieren und die Menschen ein würdiges Leben führen können. Vorher kann man nicht zufrieden sein.
(Beifall bei der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und was macht die SPD dafür?)
Jetzt ist es ja klar, dass wir das nicht alleine lösen können. Aber es stellt sich sehr wohl die Frage: Wie geht es weiter, wenn dieses Kontingent aus Griechenland dann vollständig in Deutschland ist? Ich habe es eben gesagt: Wir sind bei etwa 2 800 Menschen, die nach Deutschland kommen können. Die Gesamtzahl der Zusagen aus 16 anderen Ländern beläuft sich nicht mal auf die gleiche Zahl – das muss man sagen –; das läuft schleppend. Nicht einmal 1 000 sind in die anderen 15 Länder übersiedelt worden. Deswegen ist unser klarer Aufruf auch an unsere europäischen Partner, dass sie mithelfen sollen. Aber Mithelfen an der Gesamtaufgabe „Menschenwürde in Europa“ heißt, es so sicherzustellen, wie es den Werten Europas auch entspricht. Vorher kann es da auch kein Halten geben. Es sind immer noch 2 000 Kinder mehr oder weniger im Dreck und ohne Lebensperspektiven auf den griechischen Inseln, 100 unbegleitete Kinder in Bosnien. Da sind wir weiter gefragt.
Wenn jemand zum Arzt geht, lieber Herr Frei, dann ist es ja auch nicht so, dass gesagt wird: „Na, Sie kriegen doch schon eine ganze Menge Medikamente“, sondern dann ist die Frage: Was muss eigentlich alles getan werden, damit man möglichst wieder gesund werden kann? Das ist eben die Verantwortung, vor der wir auch stehen. Verantwortung heißt, dass man tut, was man kann. Ich denke, da kann Deutschland auch mit der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, die ja da ist, mehr tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viel besser wäre es natürlich, wir müssten nicht immer dort, wo schon so viel schiefgegangen ist, im Nachhinein handeln, sondern wir würden proaktiv – so nennt man es – handeln, also vor die Entwicklung treten. Der UNHCR hat dazu einen Vorschlag unterbreitet, nämlich 1 Million sogenannte Resettlement-Plätze, also Umsiedlungsplätze, weltweit zur Verfügung zu stellen innerhalb von zehn Jahren. Das ist eine Aufgabe, der wir uns mit größerem Nachdruck zuwenden müssen. Denn wer über ein Resettlement-Programm kommt, dem wird dieser leidvolle Weg, der manchmal tödlich endet, erspart. Dann wissen wir in den Aufnahmeländern auch, wer zu uns kommt, und dann können wir sicherstellen, dass die Schutzbedürftigsten, die Schwächsten auch zuerst Aufnahme und Sicherheit erlangen. Ich glaube, wir sollen uns gemeinsam vornehmen, die Kontingente, die wir dem Resettlement des UNHCR zur Verfügung stellen, zu erhöhen.
Herr Kollege.
Das wäre eine gute Aufgabe, die helfen wird, neues Leid zu vermeiden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Herr Professor Castellucci. – Als nächster Rednerin erteile ich der Kollegin Linda Teuteberg, FDP-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7510490 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 217 |
Tagesordnungspunkt | Asylverfahren an EU-Außengrenzen |