Katja SudingFDP - Gesundheit u. Bildung für Kinder und Jugendliche
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Fast jedes dritte Kind in Deutschland leidet unter psychischen Auffälligkeiten, so die medizinische COPSY-Studie des Universitätsklinikums meiner Heimatstadt Hamburg – jedes dritte Kind! Andere Studien kommen zu ähnlich dramatischen Ergebnissen.
Unsere Kinder leiden unter Angststörungen, depressiven Symptomen wie Schlaf- und Essstörungen, unter Kopf- und Bauchschmerzen. Die Gründe dafür sind offenkundig: Seit einem Jahr sind Kitas und Schulen geschlossen oder laufen im Notbetrieb, sind Kontakte zu Freunden stark eingeschränkt, fallen Freizeitaktivitäten fast komplett weg. Es darf uns nicht kaltlassen, wie sehr unsere Kinder unter diesem Lockdown leiden. Ihre Nöte müssen endlich in den Fokus!
(Beifall bei der FDP)
Ganz besonders leiden diejenigen Kinder, denen es auch vorher schon nicht gut ging oder die besondere Herausforderungen zu meistern haben. Da ist der hochintelligente autistische Junge aus der sechsten Klasse, der vor Corona gut im Unterricht zurechtkam, der aber durch das Wegbrechen sämtlicher Strukturen seines Alltags vollkommen aus der Bahn geworfen wurde und bei dem offen ist, ob er je zurückfindet. Da ist auch das kleine Mädchen, das von ihrem Vater schon in der Vergangenheit oft geschlagen wurde, und jetzt in der Krise noch mehr. Sie ist alleine in ihrer Verzweiflung und findet keine Hilfe, weil ihre Schule geschlossen ist und Angebote der Jugendhilfe nicht mehr stattfinden. Diese beiden stehen exemplarisch für Tausende anderer Kinder, und jedes ihrer Schicksale muss uns aufrütteln.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Für sie ist Corona die Hölle, und zwar nicht das Virus selbst. Sie leiden unter den katastrophalen Folgen des Krisenmanagements dieser Bundesregierung, und das muss endlich ein Ende haben!
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Jan Korte [DIE LINKE] und Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Stattdessen ist der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten am Montag wieder nichts anderes eingefallen, als den Lockdown zu verlängern und bei der Krisenbewältigung weiter vor sich hin zu dilettieren.
Ja, ich sage das so hart und so deutlich; denn seit Wochen und Monaten geht bei den Tests, beim Impfen, bei Luftfilteranlagen, bei digitaler Kontaktnachverfolgung einfach nichts voran. Und weil die Regierung hier so kläglich versagt, sollen die Menschen weiterhin auf ihre Grund- und Freiheitsrechte verzichten, und unsere Kinder bezahlen das mit ihrer psychischen und physischen Gesundheit. Das geht so nicht weiter!
(Beifall bei der FDP)
Ohne die Reden gehört zu haben, die hier gleich von den Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen vorgetragen werden, habe ich aus den Debatten der vergangenen Monate doch schon eine Ahnung, was wir hier gleich hören werden, und deshalb reagiere ich jetzt schon mal.
Ja, mir ist klar, dass die Regierung nicht für das Virus selbst verantwortlich ist. Aber sie ist sehr wohl für die Bekämpfung der Pandemie verantwortlich, und da ist die Bilanz nach einem Jahr einfach verheerend. Glauben Sie mir, es macht mir überhaupt keinen Spaß, Ihnen heute Ihre Fehler ankreiden zu müssen.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Aber richtig ist es trotzdem!)
Ich würde Sie viel, viel lieber für ein kluges Krisenmanagement loben; denn dann würde es unseren Kindern heute sehr viel besser gehen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb sage ich Ihnen: Machen Sie heute bloß nicht den billigen Versuch, sich hier herauszuwinden, die Lage schönzureden oder sogar einen Angriff auf diejenigen zu starten, die die Versäumnisse benennen. Die Analyse dieser desolaten Lage ist glasklar. Wer einwendet, dass der Bund gar nicht zuständig ist, dem sage ich: Der Bund hat, übrigens mit freundlicher Unterstützung der Ministerpräsidenten, diese Situation mit dem Dauer-Lockdown überhaupt erst zu verantworten. Er kann sich also hier nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Also lassen Sie diesen untauglichen Versuch!
(Beifall bei der FDP)
Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich jetzt mit unseren Vorschlägen und den Gründen, die wir benennen – auch die Grünen haben ein paar Vorschläge vorgelegt –, auseinandersetzen und dass Sie sie nicht reflexartig abtun, nur weil sie von der Opposition stammen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie mit unseren Vorschlägen nicht einverstanden sind, dann machen Sie doch einfach andere. Ich erwarte aber eine ernsthafte Debatte darüber, was jetzt geschehen muss, damit die Kinder nicht weiter zu den Verlierern dieser Pandemie gehören.
(Beifall bei der FDP)
Für uns ist das zentrale Ziel klar: Wir müssen erneute flächendeckende Kita- und Schulschließungen verhindern. Tun wir das nicht, dann rollt ein Tsunami an Problemen auf uns zu, den auch kein noch so hoher Deich aufhalten kann. Wir fordern in unserem Antrag neun konkrete Maßnahmen. Dazu zählt ein Krisengipfel zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen als Initialzündung für handfeste Maßnahmen, zum Beispiel pandemiesichere Freizeitangebote, Therapieplätze, die ausgebaut werden müssen, und Kindersozialarbeit, die wir stärken müssen.
Ich freue mich auf die Debatte. Lassen Sie sie uns ernsthaft führen.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Bettina Wiesmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7510721 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit u. Bildung für Kinder und Jugendliche |