Peter HeidtFDP - Gesundheit u. Bildung für Kinder und Jugendliche
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um die Bildungslandschaft in Deutschland war es schon vor der Pandemie nicht gut bestellt. Die Situation hat sich durch die Pandemie extrem verschärft. In Deutschland halbierte sich die tägliche Lernzeit auf 3,6 Stunden. Lernschwache Schülerinnen und Schüler fielen noch weiter zurück. Eine Studie der Universität Oxford bestätigt leider: Der durchschnittliche Lernverlust entspricht etwa einem Fünftel des Schuljahres! Und noch schlimmer – das ist schon gesagt worden –: Die Bildungslücke klafft immer weiter auseinander. Für Kinder ohne bildungsaffine Eltern war der Verlust an Wissen um bis zu 55 Prozent höher.
Anstatt nun alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die Schulen offenzuhalten – wir von den Freien Demokraten haben ja nun wirklich genügend alternative Vorschläge gemacht und Konzepte vorgelegt –, hangelt sich die Bundesregierung von Lockdown zu Lockdown. Wenn man mit Schulen, mit Lehrern spricht, erfährt man: Einen Teil der Kinder haben sie gesehen; die hatten Eltern, die sich gekümmert haben, auch um die Ausstattung. Ein anderer Teil war weg, ward nicht mehr gesehen. Das bedeutet: Wir haben jetzt in ein und derselben Klasse ganz große Wissensunterschiede. Man kann die Klassen jetzt nicht einfach so weiterunterrichten und so tun, als ob nichts geschehen wäre, als ob es Corona nicht gegeben hätte. Und: Wir dürfen auch die inklusiven Kinder nicht vergessen. In Förderschulen und Schwerpunktschulen hat es fast kein Homeschooling gegeben. Hier ist die Situation besonders schlimm.
Sinnvolle Coronamaßnahmen, sinnvolle Unterrichtskonzepte fehlen auch noch nach Monaten der Pandemie. Die große Gefahr ist, dass benachteiligte Schülerinnen und Schüler dauerhaft den Anschluss verlieren – eine Folge, die sich ein Land wie Deutschland, dessen Ressource die Bildung ja nun mal ist, nicht leisten kann. Das ifo-Institut hat errechnet: Die negativen Folgen der Schulschließungen kosten zukünftige Generationen circa 3,3 Billionen Euro.
Frau Wiesmann: „Nicht nur reden, auch machen!“, sage ich Ihnen. Wenn wir nicht vollends wollen, dass unsere Kinder die großen Verlierer der Pandemie werden, dann brauchen wir eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung und ein langfristiges Chancenaufholprogramm. Es ist an uns allen, zu verhindern, dass die Coronakrise zu einer dauerhaften Krise wird.
Lieber Norbert, es gibt für mich kein Kompetenzgerangel, was nicht zu lösen wäre. Lass es uns gemeinsam machen! Natürlich sind die Länder gefragt; keine Frage. Aber ich kann es von der Union nicht mehr hören: Da sind die Länder zuständig. – Es sind wir alle. Es geht um unsere Kinder.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])
Ja, es geht nicht nur um Unterrichtsstoff, sondern es geht auch um die Entwicklung von Sprache und Persönlichkeit. Wir brauchen jetzt dringender denn je ein gemeinsames pragmatisches, wissenschaftliches, organisatorisches und vorausschauendes Handeln. Es ist ein Bildungsmarathon nötig.
Ich appelliere an Sie: Erheben Sie gemeinsam mit den Ländern Lernrückstände und Kompetenzverluste verlässlich und systematisch. So und nur so können wir in der Bildungspolitik in den nächsten Monaten und Jahren gezielt gegensteuern. Dann können wir gemeinsam mit den Ländern ein konkretes Chancenaufholprogramm entwickeln, das unsere Kinder bestmöglich fördert:
Mit einem bundesweiten Lern-Buddy-Programm. Damit bekämen die Schulen ein festes Kontingent an Unterstützungsstunden, das sie sowohl zur Unterstützung der Lehrkräfte im Fern- und Präsenzunterricht, in Kleingruppen oder für eine individuelle Eins-zu-eins-Betreuung besonders unterstützungsbedürftiger Schüler und Schülerinnen verwenden können.
Mit einem DigitalPakt 2.0, um jede Schülerin und jeden Schüler mit Lern Analytics individueller und besser zu unterstützen.
Wir wollen die Einführung einer digitalen Lernmittelfreiheit; denn digitale Lernmittel sind genauso wichtig wie Schulbücher.
Am Schluss kann ich Sie nur bitten: Zeigen Sie, dass Sie nicht nur Lockdown können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat der Kollege Sönke Rix für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7510728 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit u. Bildung für Kinder und Jugendliche |