Dietmar NietanSPD - 80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben sie hier gerade am Pult erlebt, die Herrenmenschen, die in ihrer gnadenlosen rechtsradikalen Ignoranz darüber entscheiden, ob sich das griechische Volk schon mit dem deutschen versöhnt hat,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Petr Bystron [AfD])
die über Beschlüsse des demokratisch gewählten Parlamentes und der demokratisch gewählten Regierung von Griechenland einfach hinweggehen, die in einem Zynismus, der wirklich menschenverachtend ist, einen Konnex herstellen wollen zwischen der Höhe der Reparationszahlungen und den in der Euro-Krise aufgelaufenen Geldern. Ich muss wirklich sagen: Wenn man sehen wollte, wie Nazis arbeiten, wir konnten es hier sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Steinmeier selbst hat das gesagt!)
– Dass Sie sich nicht benehmen können und dazwischenreden, sagt auch noch etwas über Sie aus.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nein! Das hat Steinmeier als Außenminister gesagt!)
Sie können mit der Demokratie nicht umgehen. Das ist Ihr Problem.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gysi zu?
Ja, selbstverständlich.
Ich möchte Sie fragen, was Sie zu dem Satz Ihres Vorredners von der AfD sagen, dass wir den Griechen ihre Würde zurückgeben müssten. Empfinden Sie das so wie ich als eine einzigartige Unverschämtheit? Die Griechen wollen nicht die Würde der AfD, sie haben ihre eigene Würde!
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich kann dem geschätzten Kollegen Gysi da nur uneingeschränkt zustimmen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr froh, dass wir durch diesen sehr differenzierten Antrag von Bündnis 90/Die Grünen die Gelegenheit haben, das wichtige Thema der deutschen NS-Verbrechen in Griechenland im Parlament zu besprechen. Das ist auch deshalb wichtig, weil wir immer wieder feststellen müssen, dass im Bewusstsein vieler Deutscher das Leiden der Griechen im Zusammenhang mit den deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg gar nicht vorkommt.
Wir erinnern uns – es ist schon mehrmals gesagt worden –: Es ist gerade einmal sieben Jahre her, dass Bundespräsident Joachim Gauck ein deutliches Zeichen in Lingiades gesetzt hat. Und selbstverständlich – um das hier noch einmal zu betonen – stellt sich auch 80 Jahre nach dem Überfall der Wehrmacht auf Griechenland die Frage nach Wiedergutmachung noch immer. Sie ist nicht abgeschlossen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das hat Steinmeier für erledigt erklärt!)
Selbst wenn diese Frage nach bestimmten rechtlichen Kategorien möglicherweise unterschiedlich beurteilt werden kann, muss klar sein: Es geht hier um unsere staatspolitische Verantwortung für deutsche Verbrechen. Und für diese Verantwortung wird es nie einen Schlussstrich geben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese staatspolitische Verantwortung verlangt von uns allen, die Beschlüsse und Forderungen des griechischen Parlaments und der Regierung in Athen ernst zu nehmen. Sie sind der legitime Ausdruck einer immer noch schmerzenden, niemals ganz verheilenden Wunde des griechischen Volkes.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Sie hätten doch längst zahlen können! Das haben Sie nicht getan! Das ist doch Heuchelei!)
– Frau Präsidentin, können Sie diesem Rüpel bitte sagen, dass er mich reden lassen soll?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Witt [AfD]: Sie unverschämter Flegel! – Weitere Zurufe von der AfD)
Bitte fahren Sie in Ihrem Redebeitrag fort. – Ich bitte alle, sich in ihren Äußerungen zu mäßigen. Ich lasse auch das Protokoll der Rede von Herrn Bystron und das, was Sie meinen, was gegen Sie gesagt worden sei, prüfen und werde darauf zurückkommen. – Bitte schön, Herr Nietan.
(Enrico Komning [AfD]: Ist „Rüpel“ zulässig?)
Sie sind der legitime Ausdruck einer immer noch schmerzenden, niemals ganz verheilenden Wunde des griechischen Volkes. Deshalb kann und darf ein Schweigen auf deutscher Seite hier niemals eine Option sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wie dankbar können wir sein, dass so viele Menschen in Griechenland uns Deutschen die ausgestreckte Hand zur Versöhnung gereicht haben – trotz der ungeheuerlichen Verbrechen. Wenn es uns ernst ist mit der deutsch-griechischen Freundschaft, dann müssen wir mit unseren griechischen Freunden auch offen über alles reden, was die Vergangenheit betrifft. Und das schließt die Frage der Entschädigung für erlittenes unfassbares Unrecht ausdrücklich ein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sprechen wir also darüber, was wir gemeinsam tun können, um dem schweren Erbe der Geschichte auf die eine oder andere Weise gerecht zu werden. Wenn wir darüber offen sprechen, verhindern wir übrigens auch, dass das Thema Reparationen politisch von denjenigen instrumentalisiert werden kann, denen es eigentlich nicht um Versöhnung geht. Schauen wir also nach vorne, und sehen wir zu, dass wir mit den griechischen Freunden in gute Gespräche kommen.
Bitte erlauben Sie mir, abschließend unseren ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zu zitieren. Er schloss seine beeindruckende Ansprache am Mahnmal für die deutschen Verbrechen in Lingiades mit den folgenden Worten:
Vergesst niemals, dass Ihr wählen könnt zwischen Böse und Gut. Schützt und schätzt den Frieden. Lasst allen Menschen ihre Würde und ihre Rechte. Und schließlich: Achtet und sucht die Wahrheit. Sie ist eine Schwester der Versöhnung.
Achten wir also die Wahrheit, die uns dazu verpflichtet, gegenüber den berechtigten Anliegen unserer griechischen Freunde nicht mehr länger zu schweigen! Lassen Sie uns stattessen mit den Menschen und der Regierung in Griechenland das aufrichtige Gespräch suchen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Was für eine verlogene Rede! Geschichte so zu instrumentalisieren!)
Das Wort geht an Thomas Hacker von der FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7510779 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | 80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland |