Sabine DittmarSPD - Aktuelle Stunde – Kurswechsel in der Corona-Politik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir alle wünschen uns unser altes Leben zurück. Wir wollen Urlaubspläne machen, an Ostern Zeit mit unserer Familie und Freunden verbringen und all die Coronaschutzmaßnahmen hinter uns lassen. Aber wir können nicht wie die AfD die Augen vor der Realität verschließen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Statt alternativen Fakten Glauben zu schenken, halte ich mich lieber an die Wissenschaft und an Zahlen, Daten und Fakten.
(Uwe Witt [AfD]: Genau das fordern wir!)
Diese sprechen eine deutliche, eine unmissverständliche Sprache: Wir sind mitten in der dritten Welle. Wir haben ein exponentielles Wachstum: heute über 22 000 Neuinfektionen, 5 000 mehr als vor einer Woche.
(Enrico Komning [AfD]: PCR-positiv Getestete sind das, nicht Infizierte!
Die britische Mutante bestimmt das Infektionsgeschehen. Diese Mutante ist wesentlich infektiöser, die Krankheitsverläufe sind schwerer und tödlicher, und sie betreffen immer häufiger Kinder und junge Menschen. Die Belegung unserer Intensivstationen zieht wieder an. Die Patienten sind im Durchschnitt jünger. Erfreulicherweise ist momentan die Sterberate geringer, aber die Verweildauer ist länger. Wenn wir die dritte Welle nicht zügig brechen, ist das Volllaufen der Intensivstationen eine Katastrophe mit Ansage. Die dritte Welle wird ein Tsunami für die Intensivmedizin.
(Karsten Hilse [AfD]: Schon wieder „Tsunami“!)
Wenn man der politischen Bewertung nicht glauben will, dann doch bitte der Wissenschaft und der Medizin.
(Zuruf von der AfD: Genau!)
Die Modellierungen der Wissenschaft haben sich bislang immer als richtig erwiesen. Die Intensivmediziner, die seit Monaten unter Extrembelastung für uns im Einsatz sind, warnen uns täglich. Da ist ein Vorschlag wie der der AfD gestern im Gesundheitsausschuss, die Intensivkapazitäten doch einfach weiter auszubauen, ein echter Irrweg. Unser Ziel muss es doch sein, die Menschen vor schweren Verläufen einer Infektion zu schützen und sie davor zu bewahren, dass sie auf den Intensivstationen landen und dass sie beatmet werden. Bei den über 80-Jährigen ist uns das bereits ganz gut gelungen. Durch die Impfungen ist diese Bevölkerungsgruppe mittlerweile gut geschützt vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Das zeigen uns die Inzidenzen und die Hospitalisierungsraten in dieser Altersgruppe ganz deutlich.
Impfen ist der Weg aus der Pandemie und aus dem Lockdown. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir beim Impfen sehr viel schneller werden. Nach wie vor sind nur 75 Prozent der Impfdosen verimpft. Das ist nicht erklärbar und nicht akzeptabel. Ich muss sagen: Es ärgert mich maßlos, dass anscheinend immer noch Impfstoffdosen für Zweitimpfungen zurückgehalten werden, obwohl es dafür seit geraumer Zeit keine Notwendigkeit mehr gibt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich bleibe auch bei der Position: Je früher wir die Hausärzte mit einbeziehen – da müssen wir nicht bis zum 14. April warten –, umso schneller kommen wir beim Impfen voran.
Klar ist aber auch, dass es noch dauern wird, bis wir innerhalb unserer Bevölkerung eine Herdenimmunität aufgebaut haben. Deshalb ist es so wichtig, dass die Teststrategie endlich ins Rollen kommt. Gerade an Schulen, Kitas, am Arbeitsplatz, dort, wo Menschen aus vielen unterschiedlichen Bereichen unweigerlich zusammentreffen, muss flächendeckend und regelmäßig getestet werden. Nur so können wir Infektionsketten früh erkennen und eindämmen.
Ich sage hier ganz offen: Für mich ist es eine herbe Enttäuschung und auch nicht akzeptabel, dass sich die Ministerpräsidentenkonferenz und die Kanzlerin nicht auf verpflichtende Tests am Arbeitsplatz haben einigen können. Das ist ein Armutszeugnis.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Harald Weyel [AfD]: 12 Prozent Covid-Intensivbettenbelegung! Nur mal zur Erinnerung!)
Meine Damen und Herren, wir leben nun seit einem Jahr mit dem Coronavirus. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass wir den Bürgerinnen, den Bürgern, aber auch der Wirtschaft, den Arbeitnehmern, den Gastronomen, den Künstlerinnen, den Kulturschaffenden und so vielen mehr in all den Monaten sehr viel abverlangt haben.
(Karsten Hilse [AfD]: Das ist Ihnen einfach egal!)
Die Anfang März vereinbarte Öffnungsstrategie gibt Perspektive. Aber ich sage auch in aller Deutlichkeit: Die Öffnungsstrategie ist keine Einbahnstraße. Wenn die Infektionsdynamik nicht zu brechen ist,
(Dr. Harald Weyel [AfD]: 12 Prozent Bettenbelegung! Eine Abnahme der Bettenzahl!)
dann muss die Notbremse gezogen werden, dann müssen Öffnungen zurückgenommen und die Maßnahmen verschärft werden. Das wurde so vereinbart, und ich erwarte auch, dass sich alle daran halten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Beschränkungen sind schwer zu ertragen; aber sie wurden und werden von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen und auch beachtet. Dafür sage ich herzlichen Dank, und ich bitte Sie aber auch inständig: Halten Sie weiter durch, meiden Sie überflüssige Kontakte, und schränken Sie Ihre Mobilität wo immer möglich ein! Das Virus liebt den Kontakt und kann sich auch nur so verbreiten. Beachten Sie daher weiterhin die AHA-Regeln, nehmen Sie die Testangebote wahr, und lassen Sie sich impfen, wenn Sie an der Reihe sind. Bleiben Sie zuversichtlich, passen Sie auf sich und Ihre Mitmenschen auf! So werden wir gemeinsam die Pandemie überwinden.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Harald Weyel [AfD]: 12 Prozent Bettenbelegung!)
Vielen Dank, Sabine Dittmar. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Klaus Ernst.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7510801 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Kurswechsel in der Corona-Politik |