Johann WadephulCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist das 20. Mal – die Kollegin Özoğuz hat darauf hingewiesen –, dass wir über ein Afghanistan-Mandat diskutieren. Es ist aus meiner Sicht eines der wichtigsten Mandate nach den schrecklichen Verlusten 2010. Es ist ein Übergangsmandat. Der Umstand, dass es eine Übereinkunft der Amerikaner mit den Taliban gegeben hat, am 30. April dieses Jahres abzuziehen, verlangt in der Tat eine Rechtfertigung, eine Begründung. Es ist eine schwierige Abwägung. Ich bin dankbar, dass die Freien Demokraten und auch viele Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Vorhaben der Koalition folgen und ihm zustimmen.
Natürlich hat es im Zuge dieses Mandats Rückschläge gegeben; das ist vollkommen klar. Es ist durch den militärischen Einsatz, durch unseren zivilgesellschaftlichen Einsatz und auch durch unseren Einsatz auf diplomatischer Ebene nicht automatisch alles gut und richtig. Wir werden daraus Schlüsse ziehen müssen. Auch ich bin der Auffassung, dass wir diesen Einsatz evaluieren müssen. Meine Kollegin Heinrich hat kürzlich öffentlich gesagt – ich bin froh, dass wir uns hier mit den Freien Demokraten einig sind; Frau Strack-Zimmermann hat auch schon darauf hingewiesen –, dass wir uns angucken müssen: Was ist in den 20 Jahren an Fehlern gemacht worden?
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Ziemlich viele!)
Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen? Ich glaube, das sind wir den Soldatinnen und Soldaten schuldig.
Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Antrag zustimmen, weil uns das die Vernunft gebietet, weil wir Verlässlichkeit zeigen und weil wir Verantwortung übernehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Erstens. Warum ist das vernünftig? Wir müssen uns ins Jahr 2001 zurückversetzen. Damals haben wir, die NATO und viele weitere Staaten, eingegriffen, weil sich so etwas wie der 11. September 2001 niemals wiederholen sollte. Es ging und es geht in Afghanistan um den Kampf gegen den internationalen Terrorismus, vor allem gegen die Massenmörder von al-Qaida. Und wir waren erfolgreich. Afghanistan ist nicht mehr der sichere Zufluchtsort für internationalen Terrorismus, der er noch 2001 war. Diesen Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt es zu sichern. Deswegen setzen wir den Einsatz jetzt fort.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir stehen vor einem Kompromissfrieden in Afghanistan, einem Kompromissfrieden mit den Taliban. Das haben wir uns vor einigen Jahren noch nicht vorstellen können. Doch es braucht einen solchen Frieden, damit das Land Frieden und die Gewalt ein Ende findet. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass das erreicht werden kann. Nur durch den militärischen Einsatz auch der Bundeswehr haben wir eine militärische Pattsituation erreicht. Nur deswegen, weil Militär in Afghanistan präsent ist, wollen die Taliban überhaupt verhandeln. Natürlich brauchen wir eine politische Lösung, eine Versöhnungslösung in diesem Land, aber dazu ist noch militärischer Einsatz – man kann es bedauern, aber man muss es realistisch sehen – notwendig.
Zweitens. Wir sind verlässlich. Die Amerikaner haben uns in der Tat gebeten, der neuen Administration von Joe Biden zur Seite zu stehen und es ihr zu ermöglichen, einen Friedensschluss herbeizuführen, der sich an konkreten Bedingungen orientiert. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, die bei ihrer Entscheidung noch überlegen, sagen: Will man Joe Biden nach vier Jahren Trump enttäuschen und die Unterstützung verweigern? Das wäre das falsche Signal. Wir brauchen die Amerikaner, und wir brauchen den Erfolg der Biden-Administration.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Alle NATO-Partner wollen den Einsatz fortsetzen. Deswegen sage ich an Bündnis 90/Die Grünen: Es reicht nicht, ins Wahlprogramm hineinzuschreiben, dass man zu den Verpflichtungen in der NATO steht. Wenn die NATO an dieser Stelle den Einsatz fortsetzen will, dann muss man im Rahmen der NATO solidarisch handeln.
(Beifall des Abg. Bernd Siebert [CDU/CSU])
Wenn Sie regieren wollen, wenn Ihre Spitzenleute sich für kanzlerfähig halten, dann müssen Sie auch zeigen, dass Sie regierungsfähig sind, dass Sie bündnisfähig sind, dass Sie wirklich in der Lage sind, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Deswegen müssen Sie zustimmen. Sie dürfen sich nicht wegducken. Das wäre das falsche Zeichen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Herr Kollege Nouripour, ich bin sehr dankbar, dass Sie das erkennen und zustimmen. Ich will Ihnen und Ihrer Fraktion da Unterstützung zusagen.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine schlechte Argumentation gerade! Ganz schlechte Argumente, die Sie haben!
– Frau Kollegin, ich will wiederholen, was Frau Özoğuz vorhin schon gesagt hat. In diesem Land sind gerade Frauen von den Taliban in einer brutalen Steinzeitart misshandelt worden, wie wir es noch nicht erlebt haben. Wir – Sie haben das früher unterstützt – haben durch den Einsatz unserer Bundeswehr gerade für die Bildung der Frauen etwas erreicht. Wer jetzt abzieht und das Land den Taliban überlässt, überlässt auch die Frauen in Afghanistan wieder den Taliban, und das ist dann Ihre Verantwortung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Genderpolitik gibt es nicht nur hier, wenn es um das Sternchen geht. Genderpolitik gibt es auch in Afghanistan.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zeigen Sie Engagement! Engagieren Sie sich! Zeigen Sie, dass Sie regierungsfähig sind.
Es gibt viele taffe Frauen in Afghanistan. Gucken Sie sich die Dokumentation im ZDF über eine Bürgermeisterin an, die sagt: Wir wollen weiterhin die Unterstützung der Alliierten, damit wir unser Land weiter aufbauen können. – Es ist eine Demokratie, natürlich nicht unbedingt so wie in der Schweiz oder in der Bundesrepublik, aber es ist ein demokratisches Land, das für Freiheit und für Rechtsstaatlichkeit kämpft. Das müssen wir unterstützen.
Ich möchte die Verluste ansprechen, die es in der Tat gegeben hat. Wir haben 59 Soldatinnen und Soldaten verloren. Wir schicken Soldaten in einen schwierigen Einsatz und sollten unseren Soldaten danken. Ich möchte an dieser Stelle – auch wenn sie vielen Anwürfen ausgesetzt war – die verstorbene Karin Strenz erwähnen, die Weihnachten – nach meiner Kenntnis als einzige Abgeordnete – mit den Soldatinnen und Soldaten vor Ort gefeiert hat. Auch das gehört dazu. Das möchte ich an dieser Stelle erwähnen. Wir sind unseren Soldatinnen und Soldaten dankbar für ihren Einsatz. Wir unterstützen sie. Sie ermöglichen, dass Afghanistan eine gute Zukunft hat. Bitte stimmen Sie dem Antrag zu.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Dr. Johann Wadephul. – Ich möchte noch darauf hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ich die Urnen für die namentliche Abstimmung über den Antrag der FDP noch ungefähr acht Minuten offen lasse. Falls Sie noch nicht abgestimmt haben: Bitte vergessen Sie das nicht.
Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Bijan Djir-Sarai.
(Beifall bei der FDP)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 218 |
Agenda Item | Bundeswehreinsatz in Afghanistan |