Susann RüthrichSPD - Geschlechtsangleichende Behandlungen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Natur – für manche mag es der liebe Gott gewesen sein – hat viel mehr zu bieten als nur zwei Geschlechter. Das ist so schön wie normal. Würden wir alle mehr als nur Junge und Mädchen mitdenken, dann bräuchten wir vielleicht ein solches Gesetz zum Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen und Behandlungen gar nicht. Es werden aber Jahr für Jahr immer noch Kinder operiert und mit Hormonen behandelt, allein um ihr Geschlecht der Erwartung anzupassen. Das ist oft schmerzhaft. Stellen Sie sich nur einmal das Bougieren vor, wenn eine neue Vagina unter anderem durch Aufdehnen angelegt wird. Nicht selten sind solche und weitere Eingriffe traumatisch. Manchmal wird sogar eine Sterilisation in Kauf genommen, obwohl die Betroffenen vielleicht hätten Eltern werden können.
Wir stellen heute klar: Diese Operationen sind verboten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Operationen zur Abwendung von Lebensgefahr sind davon selbstverständlich ausgenommen. Es würde aber reichen, die Lebensgefahr abzuwenden, ohne dabei eine Geschlechtsangleichung vorzunehmen. Die Familien und behandelnden Medizinerinnen und Mediziner haben Eingriffe zu unterlassen, bis das Kind selbst so weit ist und sagen kann, wer es ist und wie es leben möchte. Alle Begleitung und Unterstützung sei dabei den Kindern wie den Eltern von dieser Stelle aus versprochen.
Infolge der wirklich eindrücklichen Anhörung hatten wir sehr ernsthafte Berichterstattergespräche. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken beim Koalitionspartner, bei meiner eigenen Fraktion wie auch bei Staatssekretär Christian Lange. Wir haben den Gesetzentwurf, der gut war, noch geändert. Wir stellen jetzt klar, dass Eltern auch nicht selbst die Eingriffe vornehmen dürfen und die Behandlungen auch im Ausland nicht vorgenommen werden dürfen.
Wir haben uns angeschaut, wie diese Kommission zusammengesetzt sein muss, die in einer Stellungnahme für das Familiengericht feststellt, dass eine Operation ausnahmsweise doch zulässig ist, wenn sie zum Wohl des Kindes ist, und wir haben festgelegt, mit welchen Angaben diese Kommission ihr Votum begründen muss.
Die Beratung auch durch nichtmedizinische Personen, etwa aus der Selbsthilfeberatung, hat den Familien immer angeboten zu werden. So können sich die Eltern wie natürlich auch die Kinder ein umfassendes Bild machen und von Erfahrungen lernen, die andere Interpersonen gemacht haben; denn, ja, die Situation kann für Familien herausfordernd sein, gerade weil die Gesellschaft immer noch in Rosa und Blau tickt. Das Umfeld hat die Kinder aber so anzunehmen, wie sie nun mal sind; es ist nicht an den Kindern, sich möglichst erwartungsgemäß ihrem zum Teil auch irritierten Umfeld anzupassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mir ist es deshalb wichtig, dass alle gesellschaftliche, soziale, psychologische Unterstützung das erste Mittel der Wahl ist, um die Situation annehmen zu können. Diese Situation quasi durch eine Operation aus der Welt schaffen zu wollen, das entspricht nicht dem Kindeswohl.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und des Abg. Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Allein eine drohende psychische Belastung für Kinder und Eltern ist eben kein Grund für eine geschlechtsangleichende Maßnahme.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das entscheiden Sie, ja? Nicht die Eltern?)
Die dann doch Behandelten sollten jederzeit prüfen können, was die Gründe für den Eingriff waren. Daher ist es wichtig, dass diese Daten an einer leicht zu findenden Stelle aufbewahrt sind. Ein Zentralregister steht aber jetzt nicht im Gesetz; denn da sind noch viele rechtliche und praktische Fragen zu klären. Uns ist es wichtig, dass wir heute endlich beschließen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder Mensch ist besonders; entsprechend sind Interpersonen ganz normal. Ich wünsche im Namen der SPD und auch ganz persönlich den Interkindern und deren Familien alles erdenklich Gute.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Susann Rüthrich. – Die Kollegin Wiesmann hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Markus Herbrand [FDP])
Damit schließe ich die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7510919 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Geschlechtsangleichende Behandlungen |