Gero Clemens HockerFDP - Landwirtschaft in Deutschland
Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD fordert ja immer, dass man sich mit ihren Anträgen fachlich und inhaltlich auseinandersetzt. Ich verspreche Ihnen, dass ich genau dies in den kommenden Minuten tun werde und sehr deutlich machen werde, dass das, was Sie fordern, den landwirtschaftlichen Praxistest zu keiner Sekunde besteht und dass das, was Sie hier aufgeschrieben haben, Herr Kollege Protschka, diametral den Forderungen entgegensteht, die die AfD sonst hier erhebt. Ihnen geht es darum, sozusagen wie ein Staubsauger all diejenigen, die zu Recht mit der Landwirtschaftspolitik dieser Bundesregierung unzufrieden sind, einzusammeln. Aber ich sage Ihnen: Die Landwirte in Deutschland sind viel zu schlau, um diesem rückwärtsgewandten Irrsinn auf den Leim zu gehen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie widmen einen ganzen Antrag der Frage, wie man es erleichtern kann, dass Saisonarbeitskräfte aus Südeuropa und Osteuropa – Stichwort „Arbeitsmigration“ – nach Deutschland kommen, hier untergebracht und eingesetzt werden können. Ausgerechnet Sie, die Sie sonst keine Gelegenheit auslassen, Arbeitsmigration nach Deutschland zu diskreditieren, und immer wieder behaupten, dass es die Ausländer sind, die für alles, was in unserem Land vielleicht nicht ganz gerade läuft, verantwortlich sind! Ausgerechnet Sie, die Sie in Ihrem Programm fabulieren, dass Grenzen umgehend geschlossen werden sollten, um Massenmigration in unser Land und seine Sozialsysteme durch überwiegend beruflich unqualifizierte Asylbewerber sofort zu beenden! Ausgerechnet Sie, wo doch Ihr Kollege Curio noch vor zwei Tagen, als wir hier die Bundeskanzlerin über das pandemische Geschehen in Deutschland befragt haben, insinuiert hat, dass die steigenden Inzidenzen darauf zurückzuführen sind, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gibt! Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage es hier in aller Öffentlichkeit: Hier macht sich der Bock selber zum Gärtner.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Herr Kollege Protschka, es ist doch quasi die DNA Ihrer Partei, den Leuten weiszumachen, man müsse nur zurück ins Jahr 1954 – Sie haben es eben selber noch mal gesagt –, als der deutsche Bauer seine Scholle bewirtschaftet und sich selber versorgt hat, am Samstag auf den Wochenmarkt gefahren ist und das verkauft hat, was er übrig hatte, und vielleicht noch einen Hofladen hatte. Das würde Lebensmittelautarkie in Deutschland erwirken. Was für ein Irrsinn, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind in Deutschland darauf angewiesen, dass Menschen zu uns kommen, die den Spargel ernten oder die Erdbeeren vom Feld holen, weil das eine gesellschaftliche Bereicherung ist und weil es eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit ist. Das, was Sie propagieren, gehört ins vorletzte Jahrhundert und hat nichts in diesem Deutschen Bundestag zu suchen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Unsere Aufgabe ist es nicht, über nationalstaatliche Lösungen zu fabulieren und darüber, dass Grenzen wieder geschlossen werden müssen. Es ist ja gerade ein Problem, dass wir zu viel Nationalstaatlichkeit in Deutschland haben und wir häufig auf all das, was aus Europa kommt, noch etwas obendrauf setzen. Im Gegenteil, unsere Aufgabe ist es, dafür zu streiten, dass es in einem europäischen Binnenmarkt zu einer Angleichung von Wettbewerbsstandards kommt. Gegenwärtig haben wir die Situation, dass der Landwirt aus Südeuropa oder aus Osteuropa zu viel niedrigeren Standards produzieren kann und deswegen natürlich einen Wettbewerbsvorteil hat. Es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, im europäischen Kontext, aber auch bei Freihandelsabkommen wie Mercosur dafür zu sorgen, dass es ein fairer Wettbewerb ist. Es kann doch nicht sein, dass wir Rinderhälften aus Südamerika importieren und dafür der Regenwald abbrennt. Hier müssen wir verhandeln.
Mit Ihrer Agrarpolitik – das haben Sie von der AfD heute wieder sehr deutlich gemacht – propagieren Sie geschlossene Grenzen, was eigentlich niemand will, am allerwenigsten die Landwirtschaft in Deutschland.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Stimmt! Sehr gut!)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ursula Schulte, SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7511186 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 219 |
Tagesordnungspunkt | Landwirtschaft in Deutschland |