Rainer SpieringSPD - Landwirtschaft in Deutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Lebensmittelverschwendung. Ich fordere das BMEL nachdrücklich auf, mir, dem Parlament und der deutschen Bevölkerung angesichts der hohen, der massenhaften Verschwendung von Lebensmitteln endlich die Zahlen hierzu mitzuteilen, die Sie mir seit drei Jahren schuldig sind. Wie viel Energie geht verloren, wie viel Wasser geht verloren, wie viel Substanz in der Energiewirtschaft geht verloren dadurch, dass Lebensmittel verschwendet werden? Geben Sie mir nach drei Jahren endlich die Zahlen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zur AfD und Herrn Protschka. Ich bin Artur Auernhammer zutiefst dankbar über die Richtigstellung, die er gemacht hat. Sie propagieren die schwarze Fahne der Landvolkbewegung. Artur Auernhammer war nicht ganz korrekt: Das war nicht 1954, das war 1927 mit der darauffolgenden Politik. Die schwarze Landvolkfahne mit rotem Schwert in schwarzem Boden steht für „Blut und Boden“. Und so etwas propagieren Sie in einem international geachteten Land! Das ist rückwärtsgerichtet auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan Protschka [AfD]: Klare Lüge!)
Zu Ihrem Umgang mit den Menschen, die Sie für die Ernte hierhin holen wollen. Hier zeigen Sie, wessen Geistes Kind Sie sind. Sie zeigen Ihre Missachtung gegenüber diesen Menschen, von denen Sie annehmen, dass sie nicht deutschen Geblütes sind, und sagen, wie Sie mit ihnen umgehen wollen. Sie lassen mit diesem Antrag Ihre Maske fallen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Protschka [AfD]: Alles Lüge!)
Zur Wissenschaft. Ich habe Sie schon mehrfach darauf hingewiesen: Seien Sie vorsichtig im Umgang mit Wissenschaft. Sie verstehen das nämlich nicht. Wir haben am Mittwoch einen Vortrag zum Anthropozän gehört, in dem die Wissenschaftlerinnen gesagt haben, es solle eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft stattfinden, Agrarsubventionen sollten immer an ökologische Verbesserungen geknüpft werden, Direktzahlungen sollten in Zahlungen für Ökosystemleistungen umgewandelt werden. Wer Wissenschaft anführt, wer Wissenschaft zitiert, der sollte zumindest in der Lage sein, Wissenschaft zu verstehen. Sie sicherlich nicht!
(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Wie arrogant!)
Zu dem Ergebnis der Agrarministerkonferenz zur Agrarwende – das hat eben Harald Ebner angeführt – und zu dem, was Wissenschaft in diesem Zusammenhang anführt. Wir haben heute Morgen um 4 Uhr die Agrarministerkonferenz beendet.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, unterbrochen!)
Zwischenmeldung: Geeint sind die Agrarminister dabei, leider durchaus nicht mit Zustimmung der Bundesministerin: Konditionalität als Voraussetzung in Höhe von 5 Prozent; gekoppelte Zahlungen, und zwar auch Mutterkuhprämien, in Höhe von 2 Prozent, Ökoregelungen in Höhe von 25 Prozent und Umschichtung aus der ersten in die zweite Säule bis 2027 auf 15 Prozent. Wir haben als SPD Anfang Januar 2021 genau diese Zahlen eingefordert. Wir kommen mit diesen Zahlen auf eine Umschichtung von 47 Prozent bis 2027, also etwa innerhalb von fünf Jahren. Das haben wir als Ziel proklamiert und haben es aufgrund der Weisheit aller Agrarminister heute Morgen um 4 Uhr erreicht. Jetzt liegt es tatsächlich an der Bundesministerin, das, worauf sich die Agrarminister geeinigt haben, in nationale Politik umzusetzen.
Ich sage Ihnen: Nach der neuen EU-Verordnung ist das möglich. Wir haben nämlich in der EU den Spielraum, genau das in der nationalen Gesetzgebung zu machen. Wenn die Bundesministerin die Kraft hat, das gegen die Verbände umzusetzen, und zwar gegen die wirtschaftlichen Verbände wie Raiffeisen-Genossenschaften, wie Agravis, wie BayWa, dann werden wir eine veränderte Agrarpolitik in Deutschland haben, dann werden Ökosystemleistungen in diesem Land endlich honoriert und bezahlt.
(Beifall bei der SPD)
Zu den Grünen. Das, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, haben wir 2018 als Bundestagsfraktion bereits verabschiedet.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren schon immer vor euch!)
Insofern geht es völlig in Ordnung, dass Sie das schreiben. Ein Hinweis sei mir aber gestattet, weil Sie in Ihrem Antrag direkt auf Digitalisierung eingehen. Dabei machen Sie einen großen Fehler. Sie schreiben dort nämlich, dass man sich bitte nicht auf die technische Präsenz verlassen sollte, sondern in Details etwas löst. Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Nur durch Digitalisierung, nur durch das Erfassen von Daten, nur durch das Beherrschen von Daten bekommen wir Bürokratie in den Griff, und zwar gut. Wir müssen die Landwirtinnen und Landwirte ausstatten, sowohl mit der Soft- als auch mit der Hardware. Wir müssen die Bildungsinstitute und die wissenschaftlichen Institute stark machen, um das zu liefern; ich nenne nur die Leibniz-Gemeinschaft, das Fraunhofer-Institut, die Helmholtz-Gemeinschaft. Wir haben das alles. Aber wir müssen Lösungen den Bäuerinnen und Bauern auch tatsächlich zur Verfügung stellen. Dann wird ein Schuh daraus. Dann wissen wir anhand der Datenlage, wo was wann auf den Acker gebracht wird. Dann wissen wir anhand der Datenlage, wo wann wie Antibiotika verabreicht werden. Alles das können wir unter Kontrolle bringen.
Wir werden eine Landwirtschaft haben – das ist meine feste Überzeugung –, die im besten ökologischen Sinne, aber auch im besten soziologischen Sinne den Zukunftsbeitrag für diese Nation leisten wird. Vor allen Dingen: Sie kann es, sie will es! Wir müssen ihr dabei helfen. Heute Nacht sind Grundlagen dafür geschaffen worden, die mich sehr hoffnungsfroh machen.
Schlussbemerkung: Machen Sie die Digitalisierung nicht klein, machen Sie sie groß! Machen Sie mit der Digitalisierung deutsche Landwirtschaft stark! Vor allem: Machen Sie deutsche Landmaschinentechnologie wettbewerbsfähig in der Welt!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Danke sehr. – Das Wort hat Nicole Bauer von der FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7511194 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 219 |
Tagesordnungspunkt | Landwirtschaft in Deutschland |