Bernhard DaldrupSPD - Lebendige Innenstädte
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wie immer: Hemmelgarn reimt sich auf Seemannsgarn.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Stefan Keuter [AfD]: Jetzt nicht persönlich werden!)
Das ist alles, was man dazu sagen muss, ehrlich gesagt. Mehr lohnt nicht.
Wir haben hier eine ganze Reihe von Anträgen, fünf in der Summe, die ich nicht alle im Einzelnen ergründen will. Das wird jeder für sich tun. Jedenfalls ist allen Anträgen gemeinsam, dass sie Hilfen für die Innenstädte wollen. Das ist im Grunde genommen auch okay.
Wir haben uns angewöhnt, das Bild der Innenstädte mehr und mehr in düsteren Farben zu malen. Das wird durch die Ankündigung des Handels von über 50 000 Insolvenzen eher noch unterstützt. Corona – das ist vom Kollegen Torsten Schweiger eben schon gesagt worden – wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Aber die Debatte über die Lage der Innenstädte ist mindestens so alt wie die Einweihung einer der ersten Fußgängerzonen in Kiel vor fast 50 Jahren.
Mit anderen Worten: Filialisierung und Banalisierung der Innenstädte, Verlust von Bildungseinrichtungen, des Handwerks oder des Wohnens, die Überlastung des öffentlichen Raums durch Pkw, fehlende Flächen für den Umweltverbund, das alles ist überhaupt nicht neu. Tatsächlich neu hinzugekommen sind weitere Anforderungen, beispielsweise das Verhältnis von Online- und stationärem Handel, die Digitalisierung, die Notwendigkeit, die Innenstädte barrierefrei zu machen, der Klimawandel usw. und damit eben auch der ökonomische Druck, der durch Konzentration im Handel und gleichermaßen im Immobiliensektor entsteht. Diese Liste lässt sich problemlos verlängern. Dennoch will ich an dieser Stelle sagen: Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Städten sind die Innenstädte in Deutschland lebendig.
(Beifall der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])
Sie sind nicht dem Untergang geweiht. Entgegen allen Unkenrufen: Handel ist Wandel. Daran müssen wir immer denken.
Ich will festhalten: Ja, Corona ist nicht nur Brandbeschleuniger, sondern hat viele Existenzen tatsächlich bedroht, und die Lage der Kommunen hat sich verschlechtert. Nach all dem, was Herr Hemmelgarn eben an Unsinn gesagt hat, will ich hier sagen: Der Bund – bei aller Kritik im Detail – hat geholfen, massiv und fortgesetzt, und die Hilfen sind angekommen – ich weiß, wovon ich rede; ich habe das überprüft – wie in keinem anderen Land.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Torsten Schweiger hat auf unterschiedliche Programme hingewiesen, mit denen zum gegenwärtigen Zeitpunkt geholfen wird. Was müssen wir also tun?
50 Jahre lang Städtebauförderung, von Willy Brandt in der Zeit seines ersten Kabinetts begründet, mittlerweile sind Hilfestellungen in Höhe von 19 Milliarden Euro geflossen. Dies zeigt, dass wir auf Bundesseite den Kommunen helfen, wenn es um Strukturwandel geht. Das machen wir.
Wir wissen, Innenstädte sind die Visitenkarte einer Stadt. Deswegen gibt es dafür auch in diesem Jahr 790 Millionen Euro. Das ist eine Rekordsumme und nicht so selbstverständlich, wie die Kollegin Wagner das geglaubt hat. Ganz im Gegenteil, es ist das Ergebnis politisch wichtiger Entscheidungen.
(Beifall bei der SPD)
Wenn sich Strukturwandel beschleunigt, dann stehen wir an der Seite der Kommunen. Ich will an dieser Stelle sagen: Ich gehe davon aus, dass wir mit dem Koalitionspartner im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes noch einmal über die Frage diskutieren werden, wie wir den Innenstädten durch Förderung konkret helfen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Aber wenn wir das tun, dann darf das kein Strohfeuer werden, dann darf nicht temporäre Anmietung, um Leerstände zu überbrücken, allein sinnvoll sein, sondern es muss mit der Debatte um das Gewerbemietrecht verbunden werden.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Wir müssen Mut zum Experiment haben. Deswegen haben wir im Haushalt 25 Millionen Euro für Reallabore zur Verfügung gestellt, um innovative Impulse mit Kreativ- und Digitalwirtschaft, mit Start-ups, mit sozialen Initiativen zu ermöglichen und daraus zu lernen. Wir brauchen wieder mehr Gemeinwohl in den Städten. Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt
(Beifall bei der SPD)
für Klimaschutz, Stadtgrün, Umweltverbund. Dass der öffentliche Raum wieder Geltung bekommt, ist dabei wichtig. Wir brauchen auch eine größere Vielfalt. Handel, Wohnen und Arbeiten gehören in die Stadt und nicht vor die Stadt. Auch das ist ein wichtiger Gesichtspunkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ja, finanzielle Förderung ist wichtig – das ist überhaupt gar keine Frage; Programme auch –, aber wir müssen auch fragen, ob unsere gesetzlichen Instrumente ausreichen: vom Baugesetzbuch bis hin – das ist schon richtig – zu der Frage, –
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
– wie der Onlinehandel und der stationäre Handel so zusammengeführt werden können, dass auch die großen Plattformen ihre Beiträge zur Infrastruktur mitfinanzieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege.
Das ist eine wichtige Aufgabenstellung. Wir werden über die Stadt der Zukunft weiter diskutieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Daldrup. – Die Menschen in Schleswig-Holstein würden es mir nicht verzeihen, wenn ich Sie nicht darauf hinweisen würde, dass die Holstenstraße nicht erst seit 30 Jahren, sondern seit 1957 Fußgängerzone ist.
(Bernhard Daldrup [SPD]: Das ist ja fast so alt, wie Sie sind!)
– Ja, das hat doch mit mir nichts zu tun. Also, das hat nichts mit meinem Alter zu tun.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ausnahmsweise mal nichts mit ihm!)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7511264 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 219 |
Tagesordnungspunkt | Lebendige Innenstädte |