Timon GremmelsSPD - Energieversorgung in Deutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich Herrn Dr. Frömming eben habe reden hören, da musste ich – ich komme ja aus einer Gebrüder-Grimm-Region – unweigerlich an das Märchen vom Goldesel denken. Sie erinnern sich: der Esel, aus dessen Hinterteil Gold kam. So stellen Sie hier gerade die Atomenergie dar: als allein selig machende Energieform – ein Märchen aus den 50er-Jahren, das keinem Praxistest standgehalten hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich sage Ihnen ganz klar: Ich bin stolz darauf, einer Partei anzugehören, die mit den Grünen zusammen sowohl 2001 den Atomausstieg beschlossen hat als auch, nach der Rolle rückwärts von Schwarz-Gelb, 2011 das noch einmal beschlossen hat. Ich bin froh und ich freue mich darauf, dass die letzten Atomkraftwerke Ende nächsten Jahres vom Netz gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist für die Sozialdemokratie ein Freuden- und ein Festtag, weil wir Alternativen haben, und zwar nicht abstrakt irgendwann in der Zukunft, wenn ein Prototyp Ihres Kraftwerks der vierten Generation vielleicht irgendwann einmal für Milliarden Euro gebaut werden kann; denn die Zukunft ist doch schon allgegenwärtig, wir haben Alternativen, und zwar die erneuerbaren Energien, die preisgünstigen Strom
(Lachen bei der AfD – Zuruf von der AfD: Ist ja lachhaft!)
ohne Altlasten, ohne Atommüll auf den Weg bringen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wind und Sonne, Biomasse sind doch da, sind verfügbar; wir müssen sie für uns doch nur nutzen. Und das Schöne an Sonne und Wind ist: Es gibt keine Endlagerkosten, keine Folgekosten für die nächsten Generationen,
(Zuruf des Abg. Thomas Ehrhorn [AfD])
sondern es gibt Mehrwert und Arbeitsplätze und Wohlstand, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist doch richtig.
Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Strompreis! Das ist doch völliger Humbug, was Sie hier erzählen. Warum ist denn der Strompreis für Atomstrom immer so preiswert gewesen? Weil wir die Mehrkosten – anders als beim EEG – nicht über die Stromrechnung ausgewiesen haben, sondern über Steuermilliarden. Das müssen Sie doch mit einrechnen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt Studien, die deutlich gemacht haben: Wenn man die Folgekosten von Atom und Kohle in den Strompreis eingerechnet hätte,
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
dann hätte der Preis für Atomstrom ein Vielfaches über dem heutigen Strompreis gelegen, dann lägen wir bei 10 Cent zusätzlich pro Kilowattstunde. Das ist doch die Wahrheit; das muss man auch der AfD deutlich sagen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Müller, Sie haben den größten Applaus heute von mir bekommen; Ihre Fraktion war ja sehr zurückhaltend.
(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Ehrlich gesagt, das stimmt mich bedenklich!)
Ich fand, Sie haben alles richtig gesagt. Und, ja, ich fand es auch bedenklich, aber wir sind in der Sache sehr nahe beieinander. Mein Wunsch wäre dann aber, dass Sie einmal zu Ihren Kollegen ins Europäische Parlament gehen; denn dort ist es ja nicht so, dass da die CDU und die CSU gegen Atomkraft sind. Ich habe hier einmal das Ergebnis einer Abstimmung aus dem letzten Jahr mitgebracht. Da ging es um „Atomkraft und Klimaziele“. Welche deutschen Europaabgeordneten haben dafürgestimmt? 20 CDU/CSU-Abgeordnete haben für die Atomkraft gestimmt.
(Beifall des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Also auch im Europäischen Parlament müssen Sie noch Überzeugungsarbeit leisten; denn Atomkraft kann keine Zukunft haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wie die AfD darauf kommt, dass das eine Zukunftstechnologie ist, kann ich mir nur so erklären: Sie hatten ja im letzten Jahr einen Bundesparteitag am letzten Standort einer „modernen“ Atomkraftvision, in Kalkar. Wissen Sie, was aus dem Schnellen Brüter von Kalkar geworden ist? Ein Vergnügungspark – und eine Tagungsstätte für die AfD, meine sehr verehrten Damen und Herren. So sehen Ihre Zukunftskonzepte aus. Dafür darf es aus unserer Sicht kein Geld, keine Steuermittel geben!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])
Ich bin 1986 politisch sozialisiert worden. Zehn Jahre war ich alt, als die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl passierte. Als Kind musste ich dreimal am Tag duschen, durfte nicht draußen spielen. – Erinnert ein bisschen an die Pandemie von heute. – Und was noch viel schlimmer war: Wir mussten Milchprodukte aus Trockenmilch trinken. Wenn ich als Kind die Tagesschau geguckt habe, hatte ich Angst um die Zukunft, weil ich nicht wusste, was passiert. – Das war meine politische Sozialisation.
Deswegen ist es ein Freudentag, wenn wir am 31. Dezember nächsten Jahres komplett aus der Atomkraft aussteigen werden. Und sie wird nicht wiederkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren; das verspreche ich Ihnen, so wahr ich hier stehe.
Danke Ihnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE] – Dr. Roland Hartwig [AfD]: Warten Sie mal ab, Herr Gremmels! Sie haben nicht das letzte Wort!)
Vielen Dank, Timon Gremmels. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Martin Neumann.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7514771 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 220 |
Tagesordnungspunkt | Energieversorgung in Deutschland |