Otto FrickeFDP - Nachtragshaushalt
Geschätzter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, das, was der Kollege Rehberg gesagt hat, war für Sie eigentlich ein klarer Tiefschlag; denn er hat genau beschrieben, was Sie hinterlassen. Man muss einfach auch heute wieder feststellen: Das war nicht die Rede eines Finanzministers, eines Haushaltsministers, sondern das war die Rede eines Wahlkämpfers und Kanzlerkandidaten.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ganz richtig!)
Was Sie mit dem deutschen Haushalt in den vier Jahren gemacht haben, ist, dass Sie ihn im Endeffekt in eine so tiefe Krise geführt haben, dass ich Eckhardt Rehberg nur zustimmen kann: Wer auch immer die nächste Regierung stellen wird, wird sich mit den Überbleibseln Ihrer eigentlich nicht mehr vorhandenen Haushaltspolitik auseinandersetzen müssen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Es ist eine unkontrollierte Ausgabenwelle, die wir hier vorfinden. Es ist jetzt, wenn wir die Nachtragshaushalte dazunehmen, der vierte Verschuldungshaushalt, den wir hier erleben.
(Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])
Es ist an der Stelle auch die typische Reaktion eines Wahlkämpfers, eines Sozialdemokraten. Meine Fraktion bestreitet überhaupt nicht, dass wir uns gegenwärtig in einer Krisensituation befinden,
(Saskia Esken [SPD]: Ach?)
und wir alle sind der Ansicht – unabhängig von der Frage, was der Grund dafür ist –, dass wir helfen müssen. Aber all das, was Sie machen, Herr Finanzminister – und da können Sie so lange in Ihren Papieren rumblättern, wie Sie wollen, statt zuzuhören, wie es eine Regierung im Parlament eigentlich tun sollte –,
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der AfD – Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])
zeigt doch nur ganz genau, wie Sie hier agieren. Dieses Parlament ist Ihnen eigentlich egal. Die SPD kann der Wahlkampfrede zuhören; die CDU, die mehr mit sich selbst beschäftigt ist, nimmt das alles hin. Aber es betrifft diejenigen draußen, die es am Ende bezahlen müssen.
Sie sagen: Wir müssen helfen. – Richtig, wir müssen helfen. Aber wie hat Bertolt Brecht doch so schön in „Der Jasager. Der Neinsager“ geschrieben: „Wer a sagt, der muß nicht b sagen. Er kann auch erkennen, daß a falsch war.“ Man hätte sich mal damit beschäftigen müssen, wie man die Hilfen besser aufstellt, anstatt neue Behörden, neue Vorgänge zu schaffen. Und wir wissen doch auch, warum der Wirtschaftsminister nicht da ist: weil er die 57. Bürokratieregel finden muss, wie den Unternehmen vielleicht nun geholfen – bzw. nicht geholfen – werden kann.
(Beifall bei der FDP)
Das Schlimmste, Herr Minister, ist – und das ärgert mich so sehr –: Wenn man in einer Notsituation ist, dann guckt man nicht nur: „Wo gebe ich mehr aus?“, sondern vielleicht auch mal: Wo gebe ich weniger aus? Worauf kann ich verzichten?
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Genau!)
Um es ganz einfach zu machen: Dieser Finanzminister ist noch nicht einmal in der Lage, zu sagen: Okay, Leute, Corona geht weiter. Die Behördenvertreter werden weniger reisen. Wir reduzieren mal alle Reisekosten, wenigstens ein bisschen, und wenn es nur ein paar Millionen weniger Neuverschuldung bedeutet. – Nein, es bleibt alles beim Alten! Und genau das ist das, was Sie machen: Sie belassen es beim Alten, geben ein bisschen mehr drauf, schaffen sich eine Wahlkampfkasse, lassen sich hier applaudieren. Das ist im Endeffekt keine Haushaltspolitik, sondern das ist zukunftsvergessen und nicht das, was dieses Land eigentlich von einem Finanzminister erwarten könnte.
(Beifall bei der FDP)
Das Zweite – und das ärgert mich auch sehr – ist, dass Sie in Ihrer Rede auf eine Sache nicht hingewiesen haben, die in diesem Nachtragshaushalt steht, nämlich die Erhöhung der Zinskosten um 4,5 Milliarden Euro. 4,5 Milliarden Euro mehr als noch im Dezember geplant muss dieses Land im Bereich der Zinsen ausgeben. 4,5 Milliarden! Das heißt, alle grünen Träume von kostenlosen Investitionen, alle linken Träume von kostenloser Mehrverschuldung sind zu Ende geträumt. Seit Mitte Februar sind die Zinsen weltweit gestiegen. Bei uns ist es so, dass inzwischen sogar schon die 15-jährigen Anleihen im positiven Bereich sind.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ganz genau!)
Um das einmal umzurechnen: Wenn Sie eine Verschuldung von 1 300 Milliarden Euro – 1,3 Billionen – haben, dann werden Sie an der Stelle sagen: Okay, das ist ja nicht schlimm. – Aber 0,1 Prozentpunkte mehr Zinsen – darauf sei nur mal hingewiesen – sind 1,3 Milliarden Euro. Das heißt, steigt die Verzinsung beim Bund um 0,1 Prozent, müssen Sie 1,3 Milliarden Euro mehr bezahlen. Was bedeutet das? Um ein Beispiel zu geben, was man mit 1,3 Milliarden Euro machen kann: Alle neuen Schüler bis 2023 könnten von diesem Geld ein iPad mit Stift bekommen.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Genau!)
Das ist dann weg, weil Sie eine Verschuldungspolitik machen, die zukunftsvergessen ist und Zinsen nicht berücksichtigt.
(Beifall bei der FDP)
Das kann nicht die Zukunft sein.
Ich will zum Schluss sagen: Dieses Land hat einen besseren Nachtragshaushalt verdient. Dieses Land hat aber noch etwas anderes verdient, nämlich endlich wieder einen Finanzminister. Dafür wird es Zeit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7514831 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Nachtragshaushalt |