Sebastian HartmannSPD - Alternative Maßnahmen zur Lockdown-Politik
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unfassbar, mit welchem Hass die sogenannte Alternative für Deutschland agiert,
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach du lieber Schreck!)
wenn sie versucht, unser Land zum Scheitern zu bringen und diese Gesellschaft auseinanderzutreiben.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Dabei sind doch Vertrauen und Akzeptanz das Wichtigste in einer Pandemie, die wir nur gemeinsam, ehrlich und anständig bewältigen können,
(Zuruf des Abg. Martin Hess [AfD])
wenn es darum geht, eine globale Herausforderung in den Griff zu bekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der AfD)
Es ist gerade die AfD die Partei, die den Klimawandel leugnet,
(Widerspruch des Abg. Dr. Roland Hartwig [AfD])
der von Expertinnen und Experten aus ihren Reihen infrage gestellt wird.
(Stephan Brandner [AfD]: Lesen Sie doch mal zu Ende, dann verstehen Sie das auch!)
Es ist die AfD, deren Menschen auf Intensivstationen liegen, wenn sie angeblich eine leichte Grippe haben. Meine Damen und Herren, das ein Jahr nach Beginn der Pandemie hier erleben zu müssen und einen solchen Antrag vorgelegt zu bekommen, ist zynisch ohne Ende.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kollege Hartmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hilse?
Einverstanden.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh nein! – Zurufe von der SPD: Nein! – Zuruf von der LINKEN: Hilft doch nichts!)
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich möchte nur darauf hinweisen – ich hatte es schon mehrmals gesagt –, dass die AfD nicht den Klimawandel leugnet.
(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Vielleicht schreiben Sie mal mit!)
Wer das machen würde, wäre dumm. Wir sagen einfach nur, dass die menschengemachten CO
(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch, seit Jahren!)
– Keinen maßgeblichen Einfluss! – Gut, okay.
Genauso verhält es sich natürlich auch mit dem Coronavirus. Niemand, auch nicht Menschen, die draußen demonstrieren, leugnet, dass es diesen Coronavirus gibt. Ich würde Sie auch im Sinne Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit sehr bitten, diese Vokabel „leugnen“ einfach nicht zu verwenden,
(Beifall bei der AfD)
weil das die Diskussion einfach unerträglich macht.
(Dr. Wieland Schinnenburg [FDP]: Nur alternative Fakten! – Zuruf: Aber der Herr Höcke ist schon noch Mitglied Ihrer Partei!)
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Nachfrage aus den Reihen der AfD zeigt ein Muster auf – ich glaube, darüber sollten wir in diesem Haus einmal offen sprechen –: Wenn nichts mehr wahr ist, ist auch nichts mehr falsch und der Tyrannei Tür und Tor geöffnet. – Was Sie versuchen, ist die ständige Erschütterung durch falsche Behauptungen, Aus-dem-Zusammenhang-Reißen und falsches Zitieren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Tatsächlich gibt es eine Basis, auf der wir als Demokratinnen und Demokraten im Deutschen Bundestag in der
(Zuruf des Abg. Uwe Witt [AfD])
– hören Sie doch zu! – erfolgreichsten Republik und erfolgreichsten Demokratie der deutschen Geschichte handeln, weit über die Reihen einer Koalition hinaus, indem der Bundestag auch die Opposition einbezieht und wir gemeinsam um den besten Weg ringen. Aber wenn Sie ständig aus dem Zusammenhang reißen, ständig immer wieder infrage stellen, was als wissenschaftliche Erkenntnis existiert, können Sie gar keinen Kurs finden.
Nehmen Sie doch nur, was die AfD auf ihrem letzten Bundesparteitag beschlossen hat. Sie stellen die Coronapandemie als solche insgesamt infrage und erkennen gleichzeitig nicht, dass es erst der Erfolg der Maßnahmen ist, die wir hier beschlossen haben,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
dass von 81 Millionen Menschen in diesem Land nur 2,9 Millionen erkrankt sind und nur 77 000 unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger verstorben sind. Das müssen Sie sich vorhalten lassen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie profitieren davon, dass wir als Opposition und Regierung der Verantwortung nachgekommen sind, was Sie niemals tun.
Deswegen möchte ich noch mal darauf eingehen, dass genau das, was in dem Antrag gefordert wird, gerade jetzt stattfindet: Wir diskutieren im Parlament und ringen um den besten Weg. Die SPD-Bundestagsfraktion hat auch nicht davor zurückgeschreckt und dieses Ringen auch immer wieder als Anlass genommen, zu hinterfragen: „Ist das der beste Weg, den wir gehen?“, indem wir zum Beispiel im Januar gesagt haben: Herr Bundesgesundheitsminister, was ist mit den Impfstoffen? Beschaffen wir sie schnell genug? Was ist mit den Testungen? Können wir etwas tun?
Oder wir haben gesagt: Wir wollen, dass die Diskussion nicht nur in einer Ministerpräsidentinnen- und Ministerpräsidentenkonferenz stattfindet, sondern hier im Parlament. Das tun wir auch jetzt. Wir haben Erfolge erzielt, wenn es zum Beispiel darum geht, dass das Vorliegen der pandemischen Lage nicht ausschließlich an einem Inzidenzwert festgemacht wird, sondern wir auch Kapazitäten von Intensivstationen und die Belastung des Gesundheitssystems hinzunehmen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Diese Punkte müssen uns mit Sorge erfüllen. Gerade in diesem Moment gehen nicht nur die Inzidenzwerte hoch, sondern auch die Belastung im Gesundheitssystem ist so hoch, dass wir uns Sorgen machen, ob wir nicht nur die an Corona erkrankten Mitbürgerinnen und Mitbürger behandeln können, sondern auch Menschen mit anderen Erkrankungen. Das ist doch der Anlass, zu sagen: Wir brauchen einheitliche Regeln.
Wir werden uns das nicht leichtmachen; das ist auch schon angekündigt worden; denn die härteste Maßnahme, der tiefste Grundrechtseingriff bietet nicht ausschließlich die Chance, diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir brauchen Akzeptanz und Vertrauen in das Wirken der Maßnahmen; Akzeptanz vor allen Dingen dafür, sich freiwillig entsprechend zu verhalten, Kontakte einzuschränken. Das ist aus unserer Sicht wichtig.
Wir in der SPD-Bundestagsfraktion als Partei der Arbeit wissen eines: dass gerade der Begriff des Lockdowns ein sehr schwieriger ist. Ein Viertel aller in Deutschland beschäftigten Menschen kennt diesen Begriff gar nicht. Das sind insbesondere die, die den Laden am Laufen halten: in den Ver- und Entsorgungsbetrieben, in den Krankenhäusern, bei Polizei und Ordnungsbehörden. Das sind diejenigen, die durchgearbeitet haben, die aber umgekehrt einen Anspruch darauf haben, dass dort, wo es ausreichend Möglichkeiten gibt, wo Homeoffice möglich ist, wo mehr Testungen möglich sind oder wo man Arbeitsformen verändern kann, andere Maßnahmen ergriffen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Darüber werden wir in der nächsten Woche als Deutscher Bundestag mit der demokratischen Opposition und in der Regierungskoalition verhandeln, und erst danach werden wir das Infektionsschutzgesetz oder das Bevölkerungsschutzsystem anpassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das können wir doch zusagen.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sie haben einen Anspruch darauf, dass, bevor es zu solchen Maßnahmen kommt, alle anderen Maßnahmen ergriffen worden sind. Bessere Vorsorge, mehr Investitionen in das Gesundheitssystem, bessere Bezahlung, mehr Kapazitäten, was Testungen angeht – das ist alles eine Frage der staatlichen Ressourcenplanung. Überlegen Sie bei den nächsten Wahlen, wer dafür steht, diesen Staat kaputtzusparen, wer infrage gestellt hat, dass Krankenhäuser auch in ländlichen Räumen existieren sollen.
(Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Da wird die Entscheidung getroffen, ob wir einen starken, solidarischen, handlungsfähigen Staat haben. Es wird auch darum gehen, dass wir in der nächsten Krise besser aufgestellt sind. Wir sind stolz darauf, dass wir diese Verantwortung gemeinsam tragen, liebe Kolleginnen Kollegen.
Nun freuen wir uns auf die Debatten mit den demokratischen Fraktionen hier im Parlament.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Ich komme zurück zu den Wahlen. Die Zeit für die Wahlen ist abgelaufen. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat?
(Zuruf von der LINKEN: Ja!)
– Dann aber jetzt bitte zügig.
Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Martens für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7514857 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Alternative Maßnahmen zur Lockdown-Politik |