Torsten HerbstFDP - Bahnpolitik, Jahr der Schiene
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns im Europäischen Jahr der Schiene, und das könnte echt eine gute Werbung für den Bahnverkehr sein. Die Vorstellung, mit einem Zug 1 000 Kilometer schnell und komfortabel durch Europa zu fahren, ist faszinierend.
Doch wie sieht die Realität aus? Schauen wir uns an, wie es wäre, wenn wir von Berlin nach Paris fahren würden – das sind, glaube ich, etwas über 1 000 Kilometer –: Mit dem Flugzeug sind Sie in unter zwei Stunden dort, und mit dem Zug dauert es zwischen 8 und 9 Stunden. Das ist kein attraktives Angebot; deshalb müssen wir an dieser Stelle mehr machen. Das liegt nicht an den Franzosen, sondern wir in Deutschland sind zu langsam, Herr Verkehrsminister.
(Beifall bei der FDP)
Man kann es auch nicht auf die EU schieben; ich glaube, da gibt es die richtigen Impulse für einen attraktiveren Bahnverkehr. Wir müssen unsere nationalen Hausaufgaben lösen. Der Minister hat es selbst angesprochen: Unsere Langsamkeit bei der Fehmarnbeltquerung, beim Zulauf zum Brenner-Basistunnel und auch zur Schweiz steht einem attraktiven Bahnverkehr im Wege. Hier müssen wir schneller werden, genauso wie bei der Elektrifizierung von Bahngrenzübergängen nach Osteuropa. Der aktuelle Stand ist leider ein Trauerspiel.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich frage mich: Wo waren eigentlich die Initiativen während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für einheitliche Technikstandards, für Planungsbeschleunigung und vor allem für mehr Wettbewerb? Jetzt hat der Minister gesagt, das sei typisch FDP. Ja, ist es, weil wir glauben, dass Wettbewerb eine Lösung ist, um einen attraktiveren Bahnverkehr zu erzielen. In Ihrem Antrag, liebe Koalition, kommt das Wort „Wettbewerb“ überhaupt nicht vor.
(Beifall bei der FDP)
Wir können uns ja mal im Ausland umschauen. In Italien haben Sie im Personenfernverkehr die Auswahl zwischen zwei Anbietern: dem staatlichen Anbieter Trenitalia mit dem Frecciarossa und dem Italo-Zug eines privaten Anbieters. Was ist passiert? Viele Leute sind vom Flugzeug auf den Zug umgestiegen, weil es ein attraktives, preiswertes, serviceorientiertes Angebot ist. Demnächst können Sie sich in Spanien zwischen den Hochgeschwindigkeitszügen der spanischen und der französischen Staatsbahn entscheiden. Sie können in die Tschechische Republik, nach Schweden und in viele andere Länder schauen, die zeigen, dass man mit mehr Wettbewerb, mehr Angebot, mehr Auswahl für Fahrgäste das Bahnfahren insgesamt attraktiver macht. Deshalb ist Wettbewerb einer der zentralen Schlüsselfaktoren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
In Deutschland schieben wir leider Problemberge vor uns her. Der Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes gehen schleppend voran, trotz des vielen Geldes, das zur Verfügung steht. Die DB, immerhin der größte Bahnkonzern Europas, ist auf dem Weg, von einem Problemfall zu einem Sanierungsfall zu werden. Bei 40 Milliarden Euro Jahresumsatz 30 Milliarden Euro Schulden – das ist kein gesundes Verhältnis mehr, meine Damen und Herren.
Deshalb sollten Sie sich gerade im Europäischen Jahr der Schiene mal anschauen, was die EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte, was man tun kann, damit es mehr Wettbewerb gibt, damit es mehr Service, mehr Auswahl für die Reisenden gibt. Wir glauben, eine attraktivere Bahn gibt es nur mit einer Topinfrastruktur und einem fairen, vernünftigen Wettbewerb auf nationaler und europäischer Ebene.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat die Kollegin Sabine Leidig für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7514873 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Bahnpolitik, Jahr der Schiene |