15.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 13

Christine Lambrecht - Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder sind besonders schutzbedürftig. Das erleben wir gerade jetzt, in dieser Zeit der Pandemie. Bei fast allen Entscheidungen, die wir treffen, müssen wir immer genau überlegen: Wie wirken sie sich auf Kinder aus? Welche Spätfolgen werden sie haben? Manchmal habe ich den Eindruck, dies geschieht nicht oft genug. Ich höre diese Einschätzung auch von vielen Kolleginnen und Kollegen. Ich finde, wenn dem so ist, wird es Zeit, dass wir diesen Worten auch Taten folgen lassen sollten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist Zeit, dass Kinderrechte im Mittelpunkt unseres Rechtssystems auch sichtbar gemacht werden, und dieser Mittelpunkt ist unser Grundgesetz. Der Entwurf, den wir Ihnen vorgelegt haben und den wir heute beraten, schreibt konkret drei Dinge ausdrücklich fest:

Erstens. „ Die … Rechte der Kinder … sind zu achten und zu schützen.“ Das umfasst vor allem das Recht der Kinder, sich zu „eigenverantwortlichen Persönlichkeiten“ zu entwickeln. Kinder sind eben keine kleinen Erwachsenen, sie müssen besonders geschützt werden.

Zweitens betonen wir, dass das Kindeswohl immer angemessen zu berücksichtigen ist – nicht nur im Familienrecht, sondern überall dort, wo Kinder betroffen sind. Denken Sie zum Beispiel an die Planung eines Wohngebiets. Da muss künftig geprüft werden: Ist sie kindgerecht? Gibt es dort genug breite Gehwege? Gibt es dort genug Spielwege? Das ist nur ein Beispiel.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Da braucht man keine Grundgesetzänderung!)

Überall da, wo Kinder betroffen sind, muss deren Wohl angemessen berücksichtigt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Drittens verankern wir den Anspruch des Kindes auf rechtliches Gehör ausdrücklich im Grundgesetz. Das bedeutet: Kinder sollen die Gelegenheit haben, sich zu äußern, wenn Gerichte oder Behörden Entscheidungen über ihre Lebenssituation treffen. Jetzt kann man sagen: Wieso wird so ein rechtliches Gehör überhaupt im Grundgesetz verankert? Das gibt es doch schon. – Wir mussten leider erleben, dass in einigen ganz besonders schlimmen Verfahren, wo es um Kindesmissbrauch ging, genau das leider nicht oder nicht ausreichend erfolgt ist, was dramatische Konsequenzen für die Kinder nach sich zog. Das soll nie wieder passieren.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bettina Margarethe Wiesmann [CDU/CSU])

Deswegen ist es nötig, dies im Grundgesetz sichtbar festzuschreiben.

Mit der Festschreibung der Grundrechte bringen wir unsere Überzeugungen, unsere Werte zum Ausdruck. Sie machen deutlich, was uns als Gesellschaft besonders wichtig ist. Was das Grundgesetz vorgibt, ist unmittelbar für alle staatlichen Stellen dann auch verbindlich: für die Verwaltung, für die Justiz und für den Gesetzgeber. Bei der Auslegung und Anwendung aller Gesetze gibt das Grundgesetz die Richtung vor. Wir erleben doch gerade jetzt, wie wir alles immer auch daraufhin überprüfen: Ist es verfassungsgemäß?

Mit der geplanten Grundgesetzänderung – das ist mir ganz wichtig, weil es da viele Sorgen gibt, die ich hier ausdrücklich auch ansprechen will – verschieben wir keine Rechte von den Eltern hin zum Staat. Das sagt unser Entwurf ganz klar und unmissverständlich aus.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber hoffentlich hin zu den Kindern!)

Die Eltern sind es, denen das Recht und die Verantwortung zukommen, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen. Nur dann, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, dürfen staatliche Stellen eingreifen. Dabei bleibt es auch in Zukunft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Eine Ergänzung des Grundgesetzes wird das Kindeswohl stärker ins Bewusstsein rücken; es wird mehr im Mittelpunkt stehen. Bei uns Juristinnen und Juristen gilt das Gleiche wie in anderen Berufen: Besonders prägend ist, was wir in der Ausbildung lernen. Und da spielt unser Grundgesetz eine ganz besondere Rolle. Kinderrechte werden im Rechtsalltag präsenter, wenn sie ausdrücklich in der Verfassung stehen.

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass Politik, Justiz und Verwaltung, dass die Menschen, die die für Kinder bedeutsamen Entscheidungen treffen, die Kinderrechte immer im Blick haben. Deshalb spannen wir ein zusätzliches Sicherheitsnetz auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt die historische Chance, etwas ganz Wichtiges und Wertvolles für unsere Kinder zu tun. Diese Chance sollten wir unbedingt ergreifen. Deswegen appelliere ich an die Kompromissbereitschaft aller hier im Haus. Lassen wir diese historische Chance nicht ungenutzt verstreichen, im Interesse der Kinder in unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat der Abgeordnete Fabian Jacobi für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7514881
Wahlperiode 19
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte
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