15.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 14

Peter WeißCDU/CSU - Gesetzlicher Mindestlohn

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unanständiges Lohndumping passt nicht zu einer sozialen Marktwirtschaft. Die Konkurrenz zwischen Unternehmen sollte über gute Produkte, gute Qualität, Innovationen stattfinden, aber nicht über Lohndrückerei.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Deshalb ist, war und bleibt es richtig, dass wir auch in Deutschland eine Lohnuntergrenze, einen Mindestlohn beschlossen und eingeführt haben. Als Union bekennen wir uns auch voll und ganz dazu, dass wir das zusammen mit den Sozialdemokraten hinbekommen haben. Vielen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Nun ist es so: Löhne werden nicht im Deutschen Bundestag verhandelt, sondern zum Erfolg der sozialen Marktwirtschaft gehört, dass starke Gewerkschaften und starke Arbeitgeberverbände miteinander gute Tarifpolitik betreiben und gute Löhne vereinbaren. Überall da, wo die Tarifbindung stimmt, haben wir auch hohe Löhne. Deswegen war es richtig, dass wir beim Konzept des Mindestlohns entschieden haben: Wir wollen das Gleiche beim Mindestlohn einführen, nämlich eine paritätisch aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern besetzte Kommission mit einem neutralen Vorsitzenden, die den Mindestlohn festlegt, autonom und ohne politischen Einfluss. Der Bundesarbeitsminister – den ich begrüße – hat anschließend nur die Möglichkeit, entweder den Beschluss der Mindestlohnkommission eins zu eins in eine Rechtsverordnung umzusetzen oder gar keinen Mindestlohn zu machen. Einfluss nehmen kann er nicht. Ich finde, das ist das richtige, gute und probate Mittel, um einen Mindestlohn zu machen. Das sollten wir nicht zerstören.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Birkwald?

Bitte schön.

Herr Kollege Birkwald, bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Kollege Weiß, dass Sie die Zwischenbemerkung zulassen. Herr Kollege Weiß, Sie haben eben, obwohl meine Kollegin Ferschl zu Beginn ihrer Rede den Sachverhalt deutlich gemacht hat, wiederholt behauptet, wir wollten Löhne politisch festlegen.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!)

Ich halte hier fest: Das ist nicht so.

Der jetzige Mindestlohnmechanismus funktioniert auch so, wie wir das fordern: Ein gesetzlicher Mindestlohn ist einmal politisch festgelegt worden, und danach schlägt die Mindestlohnkommission nach ihrer Geschäftsordnung frei, ohne politischen Einfluss, die Mindestlohnerhöhungen vor. – Meine Fraktion Die Linke schlägt vor – und das nicht erst seit heute, gestern oder vorgestern, sondern seit Jahren, seit es unsere Fraktion und unsere Partei gibt –, den gesetzlichen Mindestlohn politisch gesetzt einmalig auf 12 Euro anzuheben – diesen Vorschlag haben wir bereits 2016 gemacht; es wäre jetzt vielleicht an der Zeit, gleich 13 Euro zu nehmen –, und danach soll die Mindestlohnkommission entscheiden. Deswegen brauchen wir für diese Kommission eine Geschäftsordnung, die sie nicht knebelt, sondern ihr die Möglichkeiten gibt, die wir brauchen. Das ist derzeit nicht der Fall. Darüber können Sie mit Mitgliedern der Mindestlohnkommission sprechen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Das Beispiel für die Mindestlohnkommission, wie wir Linken sie uns vorstellen, haben wir aus England. Da gibt es die Equal Pay Commission. Da funktioniert das gut. Ich kann uns allen nur empfehlen, auch mal nach links und rechts und über den Kanal zu gucken. Lassen Sie uns den Mindestlohn einmal anheben, jetzt auf 12 Euro, und danach soll die Kommission entscheiden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Weiß, Sie haben jetzt genau die gleiche Zeit, um zu antworten. Das war ja keine Frage und keine Kurzintervention, sondern eher eine eigene Rede; aber bitte. Die drei Minuten haben Sie jetzt zusätzlich.

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Kollege Birkwald, die Mindestlohnkommission ist frei in ihrer Entscheidung. Wenn die Mindestlohnkommission sich eine Geschäftsordnung gibt, ist das ihre Entscheidung. Weder die Bundesregierung noch der Deutsche Bundestag haben der Mindestlohnkommission eine Geschäftsordnung gegeben. Um es klar zu sagen: Was Sie hier vortragen, stimmt einfach nicht. Die Kommission ist frei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Zweite ist: Das, was Sie beantragen und auch die Grünen beantragen, ist nichts anderes als der Versuch, die Mindestlohnkommission auszutricksen und per Gesetz einen Mindestlohn festzulegen. Jetzt muss ich mal ganz klar sagen: So, wie Sie das machen, ist das meines Erachtens eine massive Misstrauenserklärung gegen die Gewerkschaften in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Nein! – Weiterer Zuruf: Sie fordern jetzt auch 12 Euro!)

Die Grünen beschweren sich auch noch, dass die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre den Mindestlohn festlegt. Entschuldigung, die Mindestlohnkommission hat in ihrem letzten Beschluss eine Steigerung in Halbjahrestranchen vereinbart, und so ist das auch durch die Rechtsverordnung in Kraft gesetzt worden. Das zeigt: Die Mindestlohnkommission hat einen breiten Gestaltungsspielraum.

(Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Wir wollen der Mindestlohnkommission diesen Gestaltungsspielraum erhalten. Ich behaupte, ein politisch festgelegter Mindestlohn ist nicht besser als der der Mindestlohnkommission. Ihnen geht es nur um eines: Sie sind traurig, dass Sie kein Wahlkampfthema mehr haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt möchte die Frau Kollegin Müller-Gemmeke Sie auch noch beehren.

Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Aber das ist dann auch die letzte Zwischenfrage bei diesem Redner.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Kollege Weiß, ich muss jetzt einfach noch mal nachfragen, weil Sie ja behaupten, dass es keine Vorgaben gibt und die Mindestlohnkommission ganz frei entscheiden kann. Geben Sie mir recht, dass im Mindestlohngesetz festgeschrieben wurde, dass die Anpassung des Mindestlohns sich an der Tarifentwicklung orientieren muss? Geben Sie mir recht, dass das im Mindestlohngesetz steht und dass genau das im Endeffekt dazu führt, dass eben die Mindestlohnkommission nicht frei entscheiden kann?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Frau Kollegin Müller-Gemmeke, zum Abschluss der Debatte, wenn ich wieder in meinem Büro bin, schicke ich Ihnen das Gesetz zum Lesen zu.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht Ihr Ernst, oder? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ja, Entschuldigung, im Gesetz steht nirgends, aber auch nirgends: Die Mindestlohnkommission muss sich an der zurückliegenden Lohn- und Tarifentwicklung orientieren. „ Muss“ steht da nirgends.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe „soll“ gesagt!)

Sie soll verschiedene Kriterien berücksichtigen, aber ein „muss“ gibt es nicht.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nicht von „muss“ geredet!)

– Doch, Sie haben von „muss“ gesprochen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, habe ich nicht!)

Herr Präsident, wann gibt es das Protokoll?

Herr Kollege Weiß, Frau Müller-Gemmeke, ich möchte mich in den Streit zwischen Ihnen beiden nicht einmischen, aber den können Sie auch außerhalb des Plenarsaals weiter fortsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Ich finde, Herr Kollege Weiß, Sie beantworten jetzt die Frage, und dann fahren Sie in Ihrer normalen Rede fort; denn wir haben noch mehr auf der Tagesordnung.

Also, ich halte fest: Ein „muss“ gibt es nicht. Es gibt verschiedene Kriterien, die im Gesetz ganz allgemein beschrieben sind. Letztendlich ist die Mindestlohnkommission frei in ihrer Entscheidung. Ich finde das auch richtig.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsche Antwort!)

Das sind freie Sozialpartner, Gewerkschaften, Arbeitgeber, die miteinander verhandeln. Wir sollten ihnen politisch nicht ins Handwerk pfuschen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt will ich aber auf die viel zentralere Frage zu sprechen kommen. Es ist ja nicht unser politischer Wunsch, dass wir ein Volk von Mindestlöhnern werden, sondern die Frage ist: Warum bekennen sich die Union und seit dem Godesberger Programm auch die Sozialdemokraten zur sozialen Marktwirtschaft? Weil wir die Kernaussage von Ludwig Erhard „Wohlstand für alle“ tatsächlich für möglichst alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland möglich machen wollen, sprich: sozialer Aufstieg durch Bildung und Arbeit. Deswegen kann Mindestlohn höchstens etwas sein, was man vorübergehend bezieht, aber es kann nicht sozusagen die Lebensperspektive sein.

Der neue Armuts- und Reichtumsbericht, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgrund diverser Studien hat verfassen lassen, zeigt ja sehr deutlich, dass dieses Versprechen auch funktioniert; denn etwa ein Drittel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor verlässt diesen Niedriglohnsektor bereits nach einem Jahr. Über die Hälfte schafft das nach drei Jahren.

Das zeigt: Sie bekommen den Mindestlohn eine kurze Zeit, aber nicht zeit ihres Lebens; das ist auch richtig so. Ich finde, da sind wir schon gut. Aber ich will auch betonen: Da könnten wir noch besser werden, dass also sozialer Aufstieg durch Bildung und Arbeit für möglichst alle Mitbürgerinnen und Mitbürger Realität wird.

Deswegen, glaube ich, wird es unsere politische Aufgabe sein, da noch mehr Dynamik reinzubringen, nämlich durch eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik, durch mehr Angebote in der Qualifizierung, durch Fort- und Weiterbildung. Also, unser Motto ist: Raus aus dem Mindestlohn – das ist unser Ziel – und nicht im Mindestlohn verharren!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich fände es gut, wenn in so einer Debatte genau auf diese zentrale Frage Antworten gegeben würden. Dazu steht in den Anträgen der Grünen und der Linken gar nichts. Deswegen muss ich sagen: Mangelhaft! Wir wollen nicht ein Volk von Mindestlöhnern werden. Wir wollen Aufstieg durch Arbeit und Bildung für alle Menschen in Deutschland möglich machen, vor allem für alle jungen Menschen. Das sollte unsere Anstrengung sein für die kommenden Jahre.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 10 Millionen haben weniger als 13 Euro die Stunde! 10 Millionen Menschen!)

Zu Recht wird darauf hingewiesen: Ein Mindestlohn funktioniert nur, wenn er auch kontrolliert wird; d’accord. Deswegen haben wir zum Beispiel die Zahl der Ausbildungsplätze für diejenigen, die in die Finanzkontrolle Schwarzarbeit gehen, verdoppelt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort werden ja nicht als solche geboren; sie müssen erst ausgebildet werden.

Wir werden vor allem im kommenden Jahr eine große Zahl zusätzlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die fertig ausgebildet sind, bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit einstellen können, sodass diese, wie es von den Verantwortlichen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bereits geschildert wird, ab nächstem Jahr erhebliche Raumprobleme haben wird, die dann der Finanzminister – dafür ist nicht der Arbeitsminister zuständig – lösen kann und lösen sollte.

Also Ja zur Kontrolle, Ja zur Erhöhung der Ausbildungszahlen, Ja zu mehr Einstellungen! Wir brauchen nicht angemahnt zu werden. Wir machen das. Auch die Kontrolle gehört zum guten Mindestlohn dazu.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Funktioniert nur nicht! Über 2 Millionen verdienen weniger als den Mindestlohn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, dass wir mit der gut aufgestellten Mindestlohnkommission und mit einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik auch in Zukunft dafür sorgen, dass es eine klare Grenze für Lohndumping in Deutschland gibt, dass aber auch aus dem Mindestlohn heraus ein Aufstieg zu guter Beschäftigung und zu guten Löhnen möglich wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Uwe Witt, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7515420
Wahlperiode 19
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Gesetzlicher Mindestlohn
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