15.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 17

Frank SchwabeSPD - Munitionsaltlasten in den Meeren

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Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! 5. August 2019, 14.57 Uhr, „Ostsee-Zeitung“: „Akute Brandgefahr: Badegast findet Phosphor – Strand von Graal-Müritz geräumt“. Das liegt daran, dass das nach oben kommt, was mittlerweile seit über 70 Jahren dort in den Meeren, in der Nordsee und in der Ostsee, versenkt war.

Versenkt waren auch das Wissen über das, was dort verklappt wurde, und die Debatte darüber. Ich finde, es ist das Verdienst der Umweltverbände, der Zivilgesellschaft, aber auch von Abgeordneten dieses Deutschen Bundestages, bei uns vor allen Dingen von Johann Saathoff, der gleich noch spricht, Susanne Mittag und vielen anderen, aber auch – das will ich ausdrücklich sagen – von Abgeordneten fast aller Fraktionen, die sich konstruktiv an solchen Debatten beteiligen, dass sie dieses Thema aufgeworfen haben

(Zuruf der Abg. Judith Skudelny [FDP])

und nach gemeinsamen Lösungen für Deutschland suchen – für das, was uns direkt betrifft –, aber eben auch, weil nun mal Meere nicht an Landesgrenzen haltmachen, Impulse für die internationale Debatte im Rahmen der HELCOM – das betrifft die Ostseeanrainerstaaten – und der OSPAR – das betrifft die Nordseeanrainerstaaten – gesetzt und die Debatte konstruktiv vorangebracht haben. Es waren die Kollegen Peter Stein und Johannes Schraps, die im Rahmen von OSPAR insbesondere darauf Wert gelegt haben, dass wir diese Debatte wirklich übergreifend führen. Wir haben ja auch entsprechende Veranstaltungen gehabt und Diskussionen dazu länderübergreifend geführt.

Wir reden in der Tat über 1,6 Millionen Tonnen Munitionsaltlasten. Es ist gerade schon ein Vergleich genannt worden; man könnte es, um mal eine Vorstellung davon zu haben, auch mit dem Gewicht des Eiffelturms vergleichen: Das wären 158 Eiffeltürme. Es geht um Altlasten, die insbesondere von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg in der Nord- und Ostsee verklappt worden sind, vermeintlich auf Nimmerwiedersehen. Aber es war nicht auf Nimmerwiedersehen, sondern wir sehen das Ganze wieder, und zwar nicht nur wegen der Gefahr von Verbrennungen am Strand, sondern auch wegen der Explosionsgefahr und dadurch, dass TNT-Sprengstoff freigesetzt wird, der giftig ist, der krebserregend ist, der erbgutverändernd ist. Wir reden über chemische Stoffe, die freigesetzt werden können und als Klumpen zum Beispiel in Fischernetzen hängen bleiben können. Das sind chemische Kampfstoffe, Hautkampfstoffe, Nervenkampfstoffe, Lungenkampfstoffe und arsenhaltige Verbindungen. Das macht schon so ein bisschen die Dramatik deutlich.

Deswegen werden diese Kampfmittel nicht weitere 70 Jahre da unten in Nord- und Ostsee bleiben, jedenfalls nicht, ohne dass wir uns diesem Thema umfassend widmen. Wir haben heute schon eine ganze Reihe von toxikologischen Studien. Wir sehen, welche Auswirkungen das Ganze auf die Meeresumwelt hat. Wir beobachten in manchen Bereichen eine gesteigerte Zahl von Fischtumoren. Es besteht eben die große Gefahr, dass das Ganze in die Nahrungskette gelangt und damit am Ende auch auf den Tisch von Menschen, von Konsumentinnen und Konsumenten.

Das Ganze ist ein kompliziertes Thema. Es ist nicht trivial, das Ganze zu heben, gerade auch in dieser Größenordnung; aber es ist möglich, dieses Problem anzugehen. Das ist auch bei einer gemeinsamen Veranstaltung und in vielen gemeinsamen Diskussionen, die wir dazu hatten, deutlich geworden. Wir haben Kapazitäten, wir haben deutsche Unternehmen, die in dem Bereich unterwegs sind, die am Ende helfen können, die Munition zu heben. In der Tat ist es dann auch eine gute Gelegenheit, mit gutem Beispiel voranzugehen und am Ende die Unternehmen in die Situation zu versetzen, dass sie in anderen Teilen der Welt helfen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir können es also heben, wir können sprengen, und wir können das Ganze entsorgen.

Wir alle fordern gemeinsam – es wäre auch gut, wenn wir das hier fraktionsübergreifend durch Beschlüsse deutlich machen könnten –, dass wir weiterhin aufklären, dass wir forschen, dass wir – ganz wichtig – am Ende auch Übereinkünfte zwischen dem Bund und den Ländern hinsichtlich der Kosten des Hebens und des Entsorgens erzielen und dass wir die internationale Kooperation weiter vorantreiben. Es ist ein ernstes Thema; aber es ist ein Thema, bei dem wir Umwelt, Wirtschaft und Unternehmen zusammendenken und zusammenbringen können, und es ist etwas, was wir fraktionsübergreifend auf den Weg gebracht haben. Ich glaube, das kann uns auch gemeinsam ein bisschen stolz machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke sehr. – Das Wort hat Ralph Lenkert von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7514927
Wahlperiode 19
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Munitionsaltlasten in den Meeren
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