Susanne MittagSPD - Gewalt gegen Frauen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kommen mal wieder zur Versachlichung; das hilft ja immer.
(Lachen des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Herzlichen Dank erst mal für die Anträge. Wir haben damit die Möglichkeit, über ein in der Öffentlichkeit oftmals unterschätztes Thema zu sprechen, um festzustellen, was sich schon verbessert hat, aber auch was noch fehlt – und das nicht nur am 8. März, dem Internationalen Frauentag, oder am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, sondern auch mal, wie heute, zwischendurch.
Gewalt gegen Frauen war ein Anlass, warum ich vor Jahren überhaupt in die Politik gegangen bin. Als Polizeibeamtin nicht zu wissen, wohin mit Frauen und Kindern, die nachts von Männern durchgeprügelt werden, war der Anlass, sich mit vielen anderen zusammen um ein Frauenhaus zu kümmern, das es auch heute noch gibt – wie im ganzen Land – und leider immer noch notwendig ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Seither hat sich aber einiges verbessert: in der Gesetzgebung – dazu wird meine Kollegin gleich was sagen –, in der gesellschaftlichen Wahrnehmung – Gewalt gegenüber Frauen und Kindern ist richtigerweise strafbar, sie ist nicht mehr akzeptabel, wie früher; wer die Augen zumacht, macht sich mitschuldig, und das ist unentschuldbar, aber leider noch nicht bei allen angekommen –,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und im Bereich der Unterstützung, Hilfe, von Schutz und Information – sei es mit finanzieller Hilfe, mit Beratung, mit Begleitung oder mit Organisationsunterstützung.
Den Eindruck zu erwecken, dass der tatsächliche Umfang der Gewalt weitgehend unbekannt ist, schadet den laufenden Projekten, ignoriert die Erfolge und geringschätzt die Arbeit der vielen Menschen, die die Betroffenen begleiten und stützen – manchmal über Jahre, im Stillen und im Hintergrund. Man muss sich da vielleicht auch mal vor Ort informieren. Bei Beratungsstellen, Gruppierungen und auch bei der Polizei passiert allerhand.
120 Millionen Euro sind von unserer Familienministerin Franziska Giffey für Frauenhäuser und Projekte zur Verfügung gestellt worden. Das ist ja wohl keine Kleinigkeit. Dazu kommen Hilfen, wie zum Beispiel durch die Initiative „Stärker als Gewalt“, die Opferschutzplattform „hilfe-info.de“ oder die Aktion „Zuhause nicht sicher?“. Trotzdem ist es richtig, sich immer wieder ändernde Erkenntnisse zu gewinnen und entsprechend darauf zu reagieren – sei es hier im Bund, aber auch in den Ländern und in den Kommunen vor Ort.
Kennen Sie Incels? Das ist ja eben schon mal angesprochen worden.
(Beatrix von Storch [AfD]: Von mir!)
– Nicht nur. – Das sind sich radikalisierende Frauenhasser im Netz.
(Mechthild Rawert [SPD]: Ja!)
Stellen Sie sich vor, was das für ein Gewaltpotenzial ist, was unter Umständen noch freigesetzt wird! Erschreckend.
(Beifall bei der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Hanau! Ich kann nur sagen: Hanau!)
Aber auch in der realen Welt hat sich die Bandbreite verändert – von Stalking, Misshandlungen, psychischer Gewalt bis zu Folter und Mord. Auch das gibt es noch. Die Zeiten der Pandemie verschärfen die Lage noch, und die tatsächlichen Ausmaße werden erst nach und nach deutlich. Es gab allein 20 Prozent mehr Anrufe im April letzten Jahres, zu Anfang der Pandemie. Was das für Beratung und Begleitung bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Das ist in diesen Zeiten fast gar nicht möglich.
Es ist schon erwähnt worden: Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist schon angepasst und soll auch noch weiter angepasst werden. Das allerdings, Herr Mayer vom Innenministerium, könnte noch ein bisschen befeuert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es läuft eine Hell- und Dunkelfeldbefragung im Rahmen des periodischen Sicherheitsberichtes,
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?)
und auch dieser Bericht muss vom Innenministerium noch vor der Sommerpause vorgestellt werden.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)
Da bin ich ganz optimistisch. Ein Zwischenbericht hinsichtlich dieser Hell- und Dunkelfeldforschung, Herr Mayer – Herr Seehofer ist ja gerade nicht da –, wird hoffentlich dabei sein.
Auch die Bundesländer sind nach dem Beschluss der IMK, der Innenministerkonferenz – im Antrag erwähnt –, an dem Thema dran, und ein Ergebnis steht noch aus. Sie sagen schon jetzt, es wird nicht reichen. Wir finden, wir sollten erst mal die Ergebnisse der fachlich und wissenschaftlich erstellten Expertise abwarten und dann bewerten, ob das ausreicht oder ob noch mehr dazukommen muss.
Zu der in Ihrem weiteren Antrag aufgeführten von der Bundesregierung vernachlässigten Behebung von Missständen: Sie sagen selbst, zuständig seien die Länder. Dann sollen sich die Länder auch darum kümmern. Sie haben einen Ministerpräsidenten; die Grünen sind auch über die Landesregierungen mit ihrer Beteiligung dabei. Ich finde, in der nächsten IMK wäre das mal zu organisieren.
Trotzdem können wir auf Bundesebene hier noch allerhand tun, das sei überhaupt nicht hintenangestellt. Eines ist klar: Das ist kein Nischenthema. Frauen und Kinder insgesamt sind die Mehrheit der Bevölkerung.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Maik Beermann [CDU/CSU])
Vielen Dank, Susanne Mittag. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Gyde Jensen.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7515127 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Gewalt gegen Frauen |