15.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 28

Fritz FelgentreuSPD - Sicherheitsüberprüfung von Soldaten

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Die Bundeswehr und die Soldatinnen und Soldaten, die in ihr dienen, schützen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vor Bedrohungen durch auswärtige Feinde. Sie verfügen dazu über Waffen und Fähigkeiten, die für jede Art von Zerstörungswerk verwendet werden können, wenn sie in die falschen Hände geraten oder missbraucht werden.

Die Bundeswehr ist seit bald 70 Jahren die Armee des demokratischen Rechtsstaats oder, wie man im 19. Jahrhundert mit schönem, damals revolutionärem Pathos sagte, der „freien Republik“. Sie verdient als Institution das Vertrauen dieses Parlaments, des Parlaments, dem sie dient. Auch die Menschen, aus denen sie besteht, haben einen berechtigten Anspruch auf unser Vertrauen.

Dieser Vertrauensvorschuss, den wir gerne gewähren und den wir auch mit Stolz auf unsere Streitkräfte verbinden, darf uns aber nicht blind oder naiv machen. Was die Bundeswehr hat und was sie kann, macht sie auch zu einem attraktiven Ziel für die Feinde unseres Landes und seiner bürgerlichen Freiheiten und Rechte. Die Unterwanderung durch Spione und Extremisten gehört deshalb von jeher zu den Bedrohungen, vor denen die Bundeswehr sich schützen muss. Das ist – neben allgemeiner Wachsamkeit, die zu den Dienstpflichten aller, auch der zivilen, Bundeswehrangehörigen zählt – vor allem die Aufgabe des Militärischen Abschirmdienstes. Seine Handlungsfähigkeit zu stärken, ist ein permanentes politisches Ziel dieser Koalition, das wir nun schon in der zweiten Legislaturperiode beharrlich und konsequent verfolgen.

Diesem Ziel dient auch der vorliegende Gesetzentwurf. Akuten Handlungsbedarf sehen wir auf zwei Feldern:

Erstens geht es um Soldaten und Soldatinnen mit Fähigkeiten, die ihre Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in einem noch höheren Maße voraussetzen, als es für die Streitkräfte in ihrer ganzen Breite gilt. Wer zum Beispiel als sogenannter Hacker im Cyberraum große Wirkung erzielen kann, wer sich auf Infiltration und Sabotage mit Sprengmitteln versteht, wer über besondere Kampftechniken gebietet, dem bringt der Dienstherr ein besonderes Vertrauen entgegen. Umso wichtiger ist es, sicherzustellen, dass dieses Vertrauen in jedem Einzelfall auch gerechtfertigt ist.

Dass es auch anders sein kann, hat uns der Fall eines Unteroffiziers des Kommandos Spezialkräfte gelehrt, der sich extremistisch radikalisiert und in seinem privaten Garten ein Waffen- und Munitionsdepot angelegt hatte. Um Fällen wie diesem in Zukunft bestmöglich vorzubeugen, schafft der vorliegende Entwurf eine Rechtsgrundlage. Soldaten und Soldatinnen in besonders sicherheitsrelevanten Verwendungen in Zukunft in regelmäßigen Abständen einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, ist das erklärte Ziel. Dabei wird der MAD stets auch Dritte aus ihrem persönlichen Umfeld befragen und die Aktivitäten in sozialen Netzwerken nachvollziehen. Das ist fraglos eine empfindliche Verletzung der Privatsphäre. Zu den anderen Opfern, die Soldatinnen und Soldaten in so herausgehobener Verwendung bringen, kommt dieses noch dazu. Es erfordert eine große Identifikation mit der eigenen Aufgabe, sich auf solche Belastungen und solchen Verzicht einzulassen.

Mir ist es deshalb doppelt wichtig, an dieser Stelle Ihnen allen für Ihren treuen Dienst zu danken. Ausdrücklich nehme ich an dieser Stelle die Soldaten und Soldatinnen des Kommandos Spezialkräfte in meinen Dank mit auf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Seien Sie versichert: Was wir hier regeln wollen, ist kein Ausdruck unseres Misstrauens – es ist ein Gebot der Vorsicht, das zwingend an all das anknüpfen muss, was sich mit Ihren besonderen Fähigkeiten und Ihrem besonderen Auftrag verbindet.

Das zweite Handlungsfeld betrifft die Reserve. Die vorgesehene Grundbeorderung für Zeit- und Berufssoldatinnen und ‑soldaten wird sich nachhaltig verändern. Es wird also beides geben: zahlreiche Reservistinnen und Reservisten, die direkt im Anschluss an ihr Wehrverhältnis in den Dienst zurückkehren, und solche, die das erst nach längerer Pause im Zivilen tun. Sie alle sind ein Teil unserer Gesellschaft. Gesellschaftliche Strömungen machen vor der Reserve nicht halt. In einer Zeit, in der wir uns zunehmend mit Polarisierung und Radikalisierung durch Verschwörungstheorien, durch Populismus, durch Islamismus und vor allem Rechtsextremismus auseinandersetzen müssen – nein, auch den Linksextremismus nehme ich nicht aus; aber er stellt nach Einschätzung so gut wie aller Experten das weitaus geringere Problem dar –,

(Henning Otte [CDU/CSU]: Zurzeit!)

in einer solchen Zeit also können wir nicht einfach davon ausgehen, dass eine 10 oder 20 Jahre alte einfache Sicherheitsüberprüfung noch Aussagekraft darüber hat, ob ein Reservist oder eine Reservistin weiterhin auf dem Boden ihres Diensteides und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Wir schaffen deswegen jetzt eine Rechtsgrundlage dafür, diese einfache Sicherheitsprüfung zu wiederholen, wenn Personen zu einer Wehrübung herangezogen werden sollen und ihre letzte Überprüfung länger als fünf Jahre zurückliegt.

Beide Handlungsfelder sind richtig identifiziert. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen erscheinen sinnvoll und verhältnismäßig. Wir haben damit eine gute Grundlage für eine zügige, konstruktive Beratung im Verteidigungsausschuss.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Kollege Felgentreu. – Der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Grüne ist der Abgeordnete Dr. Tobias Lindner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7515400
Wahlperiode 19
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Sicherheitsüberprüfung von Soldaten
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta