Ulrike BahrSPD - Generationengerechte Corona-Krisenpolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Mal diskutieren wir an dieser Stelle Anträge, die junge Menschen und ihre schwierige Situation in den Blick nehmen. Das ist gut und richtig; denn sie leiden weiterhin unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Vielleicht helfen auch unsere Debatten, dass sich die jüngere Generation von der Politik besser wahrgenommen fühlt.
Jugendliche und junge Erwachsene haben besondere Entwicklungsaufgaben. Der 15. Kinder- und Jugendbericht nennt als solche Herausforderungen die Qualifizierung, die Verselbstständigung und die Selbstpositionierung. Es fehlen also keineswegs nur das Feiern und Partymachen bis in die Puppen. Schule, Studium, Ausbildung, der Umzug in die erste eigene Wohnung, das Praktikum in einer fremden Stadt, aber auch alle Arten gemeinsamer Aktivitäten, abendliche Treffen im Freundeskreis, der Austausch untereinander, all das funktioniert im Moment nicht wirklich, und das bleibt nicht ohne Folgen für Bildungswege und seelisches Wohlbefinden. Es stimmt ja: Lernstandserhebungen und Aufholprogramme für Schülerinnen und Schüler sind wichtig. Einzelne Länder, wie zum Beispiel Hamburg, haben sie bereits auf den Weg gebracht, und auch der Bund wird sich hier ab Herbst beteiligen. Aber das reine Pauken in Form von Nachhilfe im Anschluss an den Unterricht oder in den Ferien greift meiner Meinung nach zu kurz.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Als SPD-Fraktion – und auch hier mein Dank an Saskia Esken für ihren Einsatz – haben wir uns deshalb für ein umfassendes Förderprogramm von 2 Milliarden Euro ausgesprochen,
(Beifall bei der SPD)
das neben der frühkindlichen und schulischen Bildung auch die Kinder- und Jugendhilfe mit ins Boot holt.
(Zuruf des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])
So können gerade benachteiligte Gruppen junger Menschen über Schul- und Jugendsozialarbeit gut angesprochen werden. Auch außerschulische Freizeit- und Ferienprogramme sind zu integrieren und zu fördern, weil es bei der Persönlichkeitsentwicklung nicht nur auf die formelle Qualifizierung allein ankommt.
Bei allem Verständnis für kurzfristige Aufholprogramme: Was wir brauchen, sind starke Regelsysteme. Dazu zählt die Reform der Kinder- und Jugendhilfe, die wir hoffentlich in der nächsten Woche beschließen werden. Dazu zählt eine reguläre und ausfinanzierte digitale Lernmittelfreiheit, die wir seit Monaten fordern.
(Beifall bei der SPD)
Dazu zählt auch der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen, die auch eine Ganztagsförderung mit vielfältigen Angeboten zur außerschulischen, nicht formalen Bildung sein soll und die deshalb Lernrückstände ausgleichen kann.
Kollegin Bahr, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Müller?
Bitte sehr.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Ulrike Bahr, dass die Zwischenfrage zugelassen wird. – Ich habe vorhin darauf hingewiesen. Ich würde gerne wissen, ob die SPD-Fraktion zustimmen wird. Wir stellen in diesem Tagesordnungspunkt zur Abstimmung – ich zitiere –:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. im Rahmen des Konjunkturpaketes die Angebote nach den §§ 11 bis 13 SGB VIII
– das ist der Freizeitbereich –
betreffend die Kinder- und Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit und Jugendsozialarbeit mit einem Investitionsprogramm in Höhe von 2 Mrd. Euro auszustatten …
Ich habe aufmerksam zugehört. Ich bin ganz begeistert von deiner Rede. Aber du hast doch gerade genau das vorgeschlagen, was wir hier beantragen. Wird die SPD-Fraktion dem jetzt zustimmen, oder wird sie es selber einbringen; von mir aus auch wortgleich? Ich mache auch kein Copyright geltend. Wichtig ist doch, dass es jetzt endlich kommt und dass das hier nicht nur Wahlkampfreden werden.
(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das war jetzt eine Wahlkampfrede!)
Es ist doch ganz einfach: Ich habe hier gesagt, dass unsere SPD-Fraktion dieses Förderprogramm einbringt. Wir wollen diese 2 Milliarden Euro haben. Aber wir sind auch in einer Koalition, und da sind wir natürlich darauf angewiesen, dass wir in dieser Koalition diesen Weg gemeinsam gehen. Das ist doch auch ganz klar.
Und was die SGB‑VIII-Reform angeht: Da bin ich sehr gespannt auf die Debatte in der nächsten Woche, weil das alles in diesem SGB VIII drinsteckt. Die SGB‑VIII-Reform betrifft die Interessen und Belange aller Kinder und Jugendlichen. Ich verspreche mir von dieser Reform, die einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise einleiten wird, wie der Staat mit Kindern und Jugendlichen und auch mit deren Familien umgeht, sehr wohl eine konstruktive Diskussion. Ich freue mich schon auf die Oppositionsanträge. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Ich komme zum Schluss. So ein umfassender Ansatz, wie ich ihn beschrieben habe, wird leichter auf allen Ebenen umsetzbar und das Geld dafür schneller zu finden sein, wenn wir zwei weitere Projekte beschließen würden, die sich ebenfalls in einigen Oppositionsanträgen befinden: die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz und die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Auch dafür setze ich mich, setzt sich unsere Fraktion weiterhin mit Nachdruck ein.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort hat der Kollege Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7515454 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 222 |
Tagesordnungspunkt | Generationengerechte Corona-Krisenpolitik |